Sechster Auftritt.

[92] Die Vorigen; Pausanias tritt links aus der Thür hervor, in griechischer Kleidung, bleich.


PAUSANIAS.

Der Arzt.

APELLES.

So hilf mir.

Gib ihr den Arm –


Plötzlich erschreckend.


Nein! Tritt nicht näher! Ich

Erkenne dich. Du Schreckbild der Vernichtung,

Vermummt in diese Hülle, die mich täuschte –[92]

Seit jener Stunde sah ich dich nicht wieder.

Was willst du heut bei mir?


Pausanias blickt stumm auf Bolana. Apelles entsetzt.


Die Mutter?

PAUSANIAS.

Still;

Du weckst die Schläf'rin dort – Dein Arm erzittert,

Die alte Frau wird fallen.

APELLES ermannt sich, drückt Bolana, die noch immer die Augen schließt, fester an seine Brust.

Nein! dir trotz' ich;

Dir ring' ich sie noch ab, du Feind der Menschen.

Rühr sie nicht an!

PAUSANIAS.

Es braucht's nicht. Innen nagen

Die »schwarzen Mäuse«, die du kennst.

APELLES erschüttert.

Dann Fluch dir,

Du schadenfroher Geist! – – Ich jage sie

Hinweg – und dich mit ihnen. Stark ist auch

Des Menschen Wille! – – Sie erwacht. O Mutter!


Sie streichelnd.


Komm, komm! Ich führe dich!

BOLANA mit schwacher Stimme.

Kind! Mein Apelles![93]

APELLES.

Ja, dein Apelles.


Zu Pausanias, mit leiser, doch fester Stimme.


Weg von dieser Thür!

Der Arzt bin ich – nicht du!


Zu Bolana, zärtlich.


Tritt auf! Ich führ' dich.


Mit Bolana links ab. Pausanias bleibt stehen, den Blick auf die Thür gerichtet. Phöbe, die sich schon regte, erwacht.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 92-94.
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