Achter Auftritt.

[166] Die Vorigen; Agrippa Sohn des Jarchai, Bürger, einen Harnisch über der Brust, ein Hause bewaffneter Bürger kommen von rechts durch das Thor. Neue Trompetenrufe, näher, von rechts und von links.


AGRIPPA.

Seht, dort stehn sie;

Seht, nur ein Häuflein. – Kirchenschänder ihr,

Mordbrenner! Ich, Agrippa, Sohn des Jarchai,

Im Namen Gottes fordr' euch auf: ergebt euch![166]

APELLES.

Wir uns ergeben? – – Nymphas! steh bei mir. –

Frei sein ist unser Ziel, nicht uns ergeben.


Seiner Schar mit dem Schwert zum Angriff winkend.


Der Götter Feinde nieder in den Staub!

STIMME wie vorhin.

Der Kaiser Julianus ist gefallen!

Der Apostat ist tot!


Die mit Apelles vordringenden jungen Palmyrener bleiben stehn, als die Stimme ertönt; weichen dann langsam, scheu verzagt, zurück.


AGRIPPA zu seiner Schar.

Ihr hört es! Gott

Verkündet uns den Sieg durch seine Boten!

Seht die Mordbrenner, wie sie Furcht versteinert!

NYMPHAS sein eigenes Grauen überwindend.

Ihr Brüder! was vertagt ihr? Kamt ihr nicht,

Menschen und Götter zu bekämpfen, und

Erschreckt vor einer Stimme? Jauchen nicht

Die Kriegstrompeten uns Begeist'rung zu,

Sieg, Ehre, Freiheit?


Tritt vor; reißt sich von Apelles los, der unwillkürlich ihn zurückhalten will.


Laß mich! – Wehre dich,

Agrippa, Sohn des Jarchai!


Verwundet ihn.


AGRIPPA taumelt, hält sich aufrecht.

Das bezahl' ich

Dir, eh' ich falle.


Verwundet den Nymphas; fällt. Nymphas sinkt auf ein Knie, legt eine Hand auf die Brust.
[167]

APELLES aufschreiend.

Nymphas!

AGRIPPA am Boden.

Schlagt sie nieder!

Mit uns ist Gott!


Trompetenrufe von links.


Auch dort die Unsern – hört ihr's –

Schickt sie dem Kaiser nach!


Die Schar des Agrippa greift an, jagt die des Apelles – Zabbäos unter ihnen – nach links hinaus; draußen fortdauerndes Getöse und Waffenklirren. Einige Augenblicke sind nur Agrippa, Nymphas und Apelles auf der Bühne; Apelles kniet neben Nymphas, ihn stützend.


APELLES.

O Kind! du blutest –

Doch wirst du mir nicht sterben.

NYMPHAS ermattend.

Doch; ich sterbe.

Verlaß mich nicht!

APELLES in wilder Verzweiflung.

Ich wehre dir's! Ich will nicht,

Daß du vergehst! so jung! so gut! – Ihr Götter,

Ihr sollt nicht, sollt nicht!

NYMPHAS.

Ich versuch' es, Vater –


Richtet sich langsam auf. Ein Teil der Siegenden ist von links zurückgekommen, dringt auf Apelles ein.


AGRIPPA am Boden.

Sieg mit euch! Schlagt ihn nieder![168]

APELLES tötet einen der Angreifer, die andern weichen zurück.

Fahr hinunter! – –

Steh aufrecht, aufrecht, Kind!

NYMPHAS sinkt wieder aufs Knie.

Ich kann nicht, Vater.

Leb wohl!

APELLES.

So will ich sterben! So verfluch' ich

Dies Leben, das nicht endet! – Tod! wo bist du!

Zeig mir dein Angesicht! Kannst du ihn töten,

So töte mich mit ihm! – Heran, ihr alle;


Wirft sein Schwert weg.


Hier biet' ich euch die unbewehrte Brust – –

Hier, hier! stoßt zu!


Einige zücken die Schwerter gegen ihn, doch ohne ihn zu treffen; weichen dann, wie die andern, scheu vor ihm zurück.


AGRIPPA.

Könnt ihr nicht treffen Seid

Ihr feig, behext, entmannt?

APELLES.

So bleibt! So tötet!

Ihr Metzger, schwingt das Beil!


Er geht ihnen entgegen; sie weichen.


Ich bin verflucht.

Und niemand kann mich töten. – Nymphas! Nymphas!


Tritt wieder zu ihm, sinkt neben ihm auf die Kniee.


NYMPHAS schwach.

O du![169]

APELLES.

Was willst du?

NYMPHAS deutet nach hinten.

Dort im Tempel laß mich

Bei meiner Göttin sterben –

APELLES.

Komm! Ich trag' dich;

Noch einmal du, mein Kind! – Und du, mein Tempel,

Nimm hier dein letztes Opfer! Sei verflucht,

Daß keins mehr komme, wenn dir dies gefallen!

NYMPHAS in seinen Armen.

Mein Vater, gute Nacht!


Apelles trägt ihn in den offenen Tempel, wirft das Thor hinter sich zu. Von links und rechts drängen die Haufen der siegenden Bürger auf die Bühne. Ferne und nahe Trompetenrufe.


AGRIPPA zu den Bürgern, die ihm emporhelfen wollen.

Ich muß hier sterben.

Werft Feuer in den Tempel! Brennt ihn nieder!


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 166-170.
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