Siebenter Auftritt

[160] Martin und Knechte kommen mit Krügen aus dem Keller.


PERWENITZ. Da kommt der Malvasier! Nu mal ran, allesamt, Alle treten an den Tisch ergreifen Krüge. wir sind bei Markgraf Jobsten zu Gast, wir wollen ihm Bescheid tun! Ich fange an:


Ein Schnarchen tut man hören

Rings in der Christenwelt,

Das ist der Jobst von Mähren,

Der schläft auf brandenburg'schem Geld!
[160]

ALLE. Is jut! Is jut!

DANNEWITZ erhebt den Krug. Ich kann nich in Reimen sprechen; also – wie mir der Schnabel gewachsen is: Herr Jobst von Mähren, hol' dich der Deibel neunundneunzigtausendmal!

ALLE. Is jut! Is jut!

PERWENITZ. Und immer noch einmal darüber!

ALLE. Noch einmal darüber! Alle setzen sich.

PERWENITZ. Aber der Wein is jut, Martin.

ALLE. Der Wein is jut.

PERWENITZ. Wein trinken versteht er, der Jobst, aber ein Land regieren versteht er nicht.

RIENEKE. Das versteht er nicht; was sagt Ihr, Herr Heinse Lang?

LANG. Was soll man dazu sagen, Herr Kaspar Rieneke?

SECHELWEG. Was hat er den Oderbergern denn eigentlich angetan? Ich hab's vorhin nicht gehört.

RIENEKE. O du mein – Herr Sechelweg – verpfändet hat er unsre gute Stadt, verpfändet für sechstausend Schock böhmische Groschen!

SECHELWEG. Verpfändet? Ohne Euch zu fragen?[161]

RIENEKE. Ohne uns zu fragen.

SECHELWEG. An wen denn?

RIENEKE. An Hinko Birken Slawatz von der Duba.

PERWENITZ. Hinko Birken Slawatz von der Duba – da muß man ja Vorspann nehmen, wenn man ans Ende von dem Namen kommen will.

DANNEWITZ. Von vorne klingt's wie ein Wende, und von hinten wie ein Böhm'.

RIENEKE. Ist auch so etwas, ein halber Landsmann von dem Jobst, kommt von da unten aus der Lausitz her.

PERWENITZ. Ein Polacke, der eine wie der andere!

RIENEKE. Und Oderberg ist eine gute Stadt, eine deutsche Stadt, eine märkische Stadt, und soll jetzt so einem gehören!

PERWENITZ. Das kommt davon, wenn der Kaiser so einem verfluchten Slawen die Herrschaft gibt über deutsches Land! Hol' ihn der Teufel, den böhmischen Judas! Stößt den Krug auf.

ALLE. Hol' ihn der Teufel!

PERWENITZ. Aber der Wein is jut.

ALLE. Ja, ja, der Wein![162]

PERWENITZ. Daß Gott einen deutschen Mann herschicken möge, der Mark Brandenburg in die Hände nimmt, dadrauf da wollen wir mal anstoßen!

ALLE. Einen deutschen Mann! Sie stoßen an.

PERWENITZ schlägt mit der Faust auf den Tisch. Daß der Donner und die Schwerenot! Es steht Matthäi am letzten mit der Mark! Was soll man sagen? Die Pommern, seht Ihr, sagen der Mark ab; brechen ins Land, machen alles kurz und klein. Wir märkischen Städte stellen ein Heer auf die Beine – kostet uns Berlinern allein –

SECHELWEG. Tag für Tag zweihundert Schock böhmische Groschen.

PERWENITZ. Sechelweg muß es wissen – dadrauf sagen wir dem Jobst: wenn du selbst nicht aufsitzen willst, so gib uns wenigstens einen Feldhauptmann; dadrauf gibt er uns wen? Den Johann von Lebus.

DANNEWITZ. Den Bischof.

PERWENITZ. Den Bischof, der kaum weiß, ob man rechts oder links aufs Pferd steigt, und der steht nun mit unsern Jungens bei Müncheberg, und unterdes lassen die Pommern ihn bei Müncheberg stehen und ziehen auf Zehdenick und Liebenwalde, und wenn's Glück gut ist, haben wir sie morgen vor Berlin! Herr Gott im Himmel, hab' ein Einsehen und gib uns einen deutschen Mann!

ALLE. Einen deutschen Mann!

PERWENITZ. Einen, der Haare auf den Zähnen und Eisen in der Faust und ein Herz für uns im Leibe hat!

ALLE. Ja, ja![163]

PERWENITZ. Der uns die Pommern vom Halse schafft!

SECHELWEG. Und die Schloßgesessenen!

ALLE. Ja, ja!

SECHELWEG. Vor allen den Quitz!

ALLE. Ja, ja!

PERWENITZ. Alles wahr, was Ihr sagt, aber der Quitz hat Schneid.

SECHELWEG. Was nutzt mir das, wenn er ihn nur braucht, um uns zu schinden und zu placken?

PERWENITZ. Er is ein heller Junge.

SECHELWEG. Was nutzt uns das?

PERWENITZ. Er könnte uns schon nutzen, wenn er nur wollte.

SECHELWEG. Wenn er wollte? Was?

PERWENITZ. Wenn er mit uns tun wollte, statt gegen uns.

SECHELWEG. Wir sollen uns verbinden mit dem Quitzow?

PERWENITZ. Warum denn nich?

ALLE. Nanu? Nanu?[164]

DANNEWITZ. Du hast immer was übrig gehabt für den Quitzow, Henning Perwenitz, das weiß ich wohl.

PERWENITZ. Hab' ich auch.

STROBAND schlägt auf den Tisch. Aber zusammensitzen mit so einem Stegreifritter? Da sag' ich ne!

PERWENITZ. Das is nich wahr, das is der Quitzow nich!

STROBAND. Is er doch!

PERWENITZ. Is er nich! Er hat noch immer ehrlich Frieden abgesagt, ehe daß er anfing.

STROBAND. Und damals hat er keine Fehde mit uns gehabt.

PERWENITZ. Damals?

STROBAND. Na, als er uns das Vieh weggetrieben hat in der Jungfernheide, und Ihr mit ihm zusammengerannt seid an der Tegeler Mühle.

PERWENITZ. Das is nich wahr, er hatte uns abgesagt damals.

STROBAND. Hatte er nich!

PERWENITZ. Hatte er doch!

DANNEWITZ. Ja ja, Henning Stroband, streitet nicht, Perwenitz hat recht.

DIE ÜBRIGEN. Ja ja.[165]

PERWENITZ. Balthasar von Schlieben war dazumals mit uns und Lippold von Bredow, und die machten sich zusammen dem Quitzow an den Leib – aber wie der Deibelskerl mit den beiden fertig wurde – Dunnerwetter, ich sage Euch – und seine Knechte, wie das alles drauf und dran ging, bloß weil sie wußten, der Quitzow geht vorneweg. Seht Ihr, da sind die Bredows und die Stechows und die Holzendorfs und die Arnims und die Treskows und wie sie alle heißen, und wenn Ihr die alle in einen Sack steckt und auf eine Wage legt und auf die andere den Quitzow janz alleine, ich sage Euch, er wiegt schwerer, wie die andern alle zusammen.

STROBAND. Ja das glaube ich wohl, von dem, was er sich zusammengeraubt und gestohlen hat!

DANNEWITZ. Ne ne, Henning Stroband, das müßt Ihr nich sagen.

ALLE. Ne ne.

STROBAND. Das muß ich nich sagen? Und wo steckt er denn jetzt wieder, Euer Quitzow? Bei unsern Feinden drüben, denen er die Mark klein machen hilft, bei den Pommern!

PERWENITZ. Es is schlimm genug, es is wahr; aber da könnt Ihr eben sehn, was für ein Kerl es is: so lange der Quitzow ihnen nich geholfen hat, sind die Pommern nich einen Schritt vorwärts gekommen, und wie er Hand mit angelegt hat, haste nich gesehn, sind sie vorwärts gerückt.

STROBAND. Und ich sage, wenn man ihn fängt, sollte man ihn hängen!

PERWENITZ. Und ich sage, wir sollten alles dransetzen, daß wir ihn auf unsere Seite kriegten, und ich sage, der Quitzow sollte Feldhauptmann sein von der Mark!


Alle sehen sich stumm erstaunt an.
[166]

PERWENITZ. Wer sind denn unsere Landhauptleute gewesen bis heutigentags? Der Markgraf von Meißen, Nummer eins, dann der Mecklenburger, dadrauf Lippold von Bredow, der Schwarzburger und jetzt Johann von Lebus, und was haben sie der Mark genutzt? Nischt und wieder nischt!

SECHELWEG. Weil sie sich vor den Schloßgesessenen gefürchtet haben, alle miteinander.

PERWENITZ. Is richtig; darum brauchen wir 'nen Mann, der sich vor ihnen nich fürchtet, und das ist der Quitz.

STROBAND. Der Quitzow is selber ein Schloßgesessener, und die Schloßgesessenen sind Deibels!

PERWENITZ. Denn muß man sie austreiben mit dem Obersten der Deibels, mit dem Beelzebub, und das ist der Quitzow.

STROBAND. Die Dörfer pochen sie aus, die Häuser stecken sie in Brand, die Menschen treiben sie aus die Ernten zertrampeln sie mit ihren Pferden – Herr Gott im Himmel, was soll werden aus uns? Die Mark verhungert!

PERWENITZ. Die Mark hungert nach einem Mann!

STROBAND. Das is leicht gesagt.

PERWENITZ. Ich habe Euch meinen genannt.

SECHELWEG. Aber der Mann, den wir brauchen, müßte an die allgemeine Sache denken. Glaubt Ihr denn im Ernst, Perwenitz, daß der Quitzow ein Herz haben wird für das Land?[167]

PERWENITZ. Sechelweg, ich habe den Quitzow nich gemacht, ich kann nich wissen, wie es bei ihm drinnen aussieht. Aber was mir Augen und Ohren über ihn gesagt haben, is das: er is ein Held in der Schlacht; alle seine Leute lassen sich in Stücke hauen für ihn; er hat Gedanken im Kopf, die nicht an der Erde kriechen, und was er spricht, hat Hand und Fuß. Und kurz und gut, der große Apotheker da oben im Himmel hat ihn zusammengebraut aus Latwergen, aus denen die Männer gemacht werden, die ganzen Männer; und wo ein ganzer Mann is, da kann Alles draus werden, alles Schlimme, das is wahr, aber auch alles Gute, und das is auch wahr, und das is meine Meinung.

DANNEWITZ. Da is viel Wahres dran; es läßt sich überlegen.

ALLE. Es läßt sich überlegen.


Pause.


FRITZE BELKOW auf dem Torturm, laut rufend. Herr Burgemeester! Herr Burgemeester!

PERWENITZ. Was soll's denn?

BELKOW. Da drüben übern Graben – steht ein Kerl –

PERWENITZ. Was will er denn?

STUMMEL. 'rin nach Berlin will er, Herr Burgemeester.

PERWENITZ. Na, dann laßt ihn doch 'rein.

STUMMEL. Ja aber mit Verlaub, Herr Burgemeester, Herr Wachmeester hat doch verboten, daß wir niemand nich 'rinlassen sollen.[168]

PERWENITZ. Schafskopp, wenn's der Burgemeister erlaubt, wird der Wachtmeister wohl nischt dawider haben.

STUMMEL. Ja Herr Burgemeester, denn wird et wohl so sind – wat meenst du, Fritze Belkow?

BELKOW. Mach' doch man, daß du 'runter kommst und aufschließt.

STUMMEL. Na denn werde ick man machen und ufschließen. Verschwindet oben in der Turmpforte, kommt gleich darauf mit einem großen Schlüsselbunde unten aus dem Turm, geht ans Tor, schließt auf.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 9, Berlin 1911–1918, S. 160-169.
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