Vierzehnter Auftritt

[294] Gertrud und Agnes werden aus dem Zelte geführt.


FRIEDRICH.

Dietrich Quitzow

Gib deinen Raub heraus – sieh diese Frauen,

Ihr Mann, ihr Vater, wo ist Thomas Wins?

DIETRICH.

Was geht's dich an, Friedrich von Hohenzollern?

FRIEDRICH.

Das, was den Richter das Verbrechen angeht.

DIETRICH.

Du Büttel, den der Kaiser uns gesendet,

Weißt du vom Fehderecht des Ritters nichts?

FRIEDRICH.

Du Tor mit deinem angemaßten Recht,


Schlägt durch die Luft.
[294]

So wie ich mühlos hier die Luft zerteile,

So tilge ich dein Recht, denn es war Luft,

Feind allen Menschenrechts, ein Götzenbild,

Das du aus deinem Selbst dir aufgerichtet,

Anbeter deiner selbst. – Nun lerne zitternd

Ins Angesicht des wahren Rechtes schau'n.

Hier steh' ich, sein Verkünder; lerne Ehrfurcht

Vor Höheren, Achtung vor deinesgleichen,

Und wider die Geringen lern' Geduld.

ALLE Hüte und Kappen schwingend.

Heil dir, Friedrich von Hohenzollern! Heil dir! Heil!

LIPPOLD VON BREDOW.

Friedrich von Hohenzollern, nimm die Bredows,

Dir bis zum Jüngsten Tag gehören sie!

DANNEWITZ.

Du unser Herr!

ALLE.

Du unser Herr! Unser Herr!

DIETRICH.

Blökendes Herdenvieh! Schreit, tobt und brüllt!

Die Stunde kommt, da ich Euch heulen mache.

Und du, du neuer Herrgott Brandenburgs,

Du Feind der Mannheit, Freund der blöden Masse,

In märk'scher Heide, da begegne mir!

Schwert gegen Schwert und Lanze gegen Lanze,

Im Feld der Schlacht entreiße mir mein Recht,

Wenn du's vermagst; denn jetzt hohnlach' ich deiner!

Dir biet' ich Trotz samt deinem Hofgesinde

Von Knechten, Krämern, ehrvergess'nen Rittern,

Ich ganz allein, ich selbst mein Herr, mein Volk,

Dietrich der Quitzow, letzter Sohn der Freiheit!

FRIEDRICH.

Steh' Red' und Antwort: Gibst du Thomas Wins

Von Straußberg mir heraus?

DIETRICH.

Ich geb' ihn nicht![295]

FRIEDRICH.

Noch einmal –

DIETRICH.

Nein!

FRIEDRICH.

Zum letztenmale –

DIETRICH.

Nein!

FRIEDRICH.

So werde, was du warst und bist: ein Wolfshaupt!

Rechtlos, schutzlos jedwedem preisgegeben,

Der dich erschlagen will; in Kaisers Namen

Erklär' ich dich in Acht und Aberacht!


Tiefe Stille.


STROBAND halblaut.

Er ist vogelfrei!

DANNEWITZ laut.

Er ist vogelfrei!

ALLE brüllend.

Er ist vogelfrei!


Alle machen Miene, sich auf Dietrich zu stürzen.


KONRAD kommt in großen Sätzen von Abhang herab, bricht sich Bahn zu Dietrich umklammert ihn.

Mein Bruder!!


Pause. Die Bewegung der Andringenden stockt.


FRIEDRICH kommt herab, bleibt vor den Quitzows stehen.

Konrad von Quitzow, willst auch du mein Feind sein?

KONRAD starrt ihn wortlos an, dann.

Dein Feind? Dein Feind? Gehofft, ersehnt, gewartet

Hab' ich am Tage und zur Nacht geträumt –

Traum wird zur Wahrheit – er erscheint, er naht,

Es ist der Retter – und er kommt als Feind!

Dein Feind ich? Es ist wider die Natur![296]

Dein Freund ich? Es ist wider die Natur!

Mörd'rin Natur, gib zwischen Leib und Seele

Mir einen Ausweg! Wenn du keinen findest,

So brauch' dein letztes Mittel; gib mir Tod!


Bricht zur Erde.

Vorhang fällt.


Ende des dritten Aktes.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 9, Berlin 1911–1918, S. 294-297.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Quitzows
Die Quitzows; Schauspiel in Vier Akten

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Die Akten des Vogelsangs

Die Akten des Vogelsangs

Karls gealterte Jugendfreundin Helene, die zwischenzeitlich steinreich verwitwet ist, schreibt ihm vom Tod des gemeinsamen Jugendfreundes Velten. Sie treffen sich und erinnern sich - auf auf Veltens Sterbebett sitzend - lange vergangener Tage.

150 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon