Die Ferne

[67] Zur Fernesucht geboren,

Wird nie der Pilgram froh.

Seine Heimat ging verloren,

Er weiß nicht wo.


Ihn rührt ein stummes Mahnen

Von blauer Berge Wand.

Darf er dahinter ahnen

Sein Wunderland?


Im Tale Bauden winken,

Zum Dorfe traut gereiht.

Er aber muß versinken

In Einsamkeit.


Er haust auf Bergesklippen

In dumpfer Schwermut Bann,

Umstarrt von Knieholz-Rippen

Und wüstem Tann.


Verworren träumt im Grunde

Des Mühlenrads Gesumm.

Er lauscht mit zuckendem Munde,

Sein Lied bleibt stumm.
[67]

Er schmachtet, wie im Staube

Ein welkes Blumenhaupt.

Doch ward sein frommer Glaube

Ihm nicht geraubt.


O Pilgram, du mußt lernen

In Demut abseits stahn,

Du darfst den blauen Fernen

Nie täppisch nahn.


Wenn ungestüme Minne

Dich riß zum Götterweib,

Umarmten deine Sinne

Nur Menschenleib.


So bleib dem Wunderlande

In keuscher Andacht hold.

Dann spülst du aus dem Sande

Das ewige Gold.


Es sammelt alle Zähren

Die treue Ewigkeit.

Sie sollen sich verklären

Zum Krongeschmeid.
[68]

O sieh, ein Fenster glühet

Im roten Abendglast!

Das Baudenhaus erblühet

Zum Goldpalast.


Die Felsenschatten dehnen

Sich weit ins Talgefild.

So wird wohl manches Sehnen

Noch spät gestillt.


Erst wenn im großen Dunkel

Versank die wirre Welt,

Erblüht das Trostgefunkel

Am Sternenzelt.


Und birgt sich in der Erden

Ratlos dein Angesicht,

Tief innen soll es werden

Auf einmal Licht.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 67-69.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die geschwätzigen Kleinode oder die Verräter. (Les Bijoux indiscrets)

Die geschwätzigen Kleinode oder die Verräter. (Les Bijoux indiscrets)

Die frivole Erzählung schildert die skandalösen Bekenntnisse der Damen am Hofe des gelangweilten Sultans Mangogul, der sie mit seinem Zauberring zur unfreiwilligen Preisgabe ihrer Liebesabenteuer nötigt.

180 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon