Der Mohnkopf

[113] Im herben Wind am Dornenzaun

Bei toten, raschelnden Ranken,

Verödet muß dies Greisenhaupt

Die trüben Tage durchwanken/


Und aschendürr und aschenfahl,

Von Gram gebeugt, hinab

Zur wüsten Erde starren:

Du meiner Hoffnung Grab!


Ach wohl, im Sommer, als flammend heiß

Im Blauen die Sonne stand,

Da war von üppigen Träumen

Mein jugendlich Haupt entbrannt.


Ich loderte glutig und dünkte mich selbst

Solch herrlicher Flammenbronnen

Und wollt im Herbste Garten und Flur

Besäen mit roten Sonnen.


Doch als er kam, der Herbst/ da ward

Ich zage wie welkend Laub.

Und als ich neigte mein Haupt zur Saat,

Da war manch Körnlein taub.
[114]

Und etliches fiel auf dürr Gestein;

Der Vogel hat es gepickt.

Und etliches wird, wenn es keimt, zertreten

Oder von Dornen erstickt.


Und etliches hat der barsche Sturm

Geschleudert, weiß nicht wohin;

Auch den vermessenen Jugendtraum

Gezaust mir aus dem Sinn.


Nun steh ich hier am Dornenzaun

Bei toten, raschelnden Ranken

Und muß mit ödem Greisenhaupt

Die trüben Tage durchwanken ...


O Jugend, du fliegst kühn und rasch,

So wie die Schwalbe schnellt.

Doch gleich der Schnecke träge schleicht

In Ewigkeit die Welt.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 113-115.
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