Wandergänse in der Märznacht

[37] Wie stumm der Föhrenforst! Aus Wolkenflor

Lugt scheu der Vollmond. Schwarze Klumpen kauern

In Moos und nebelgrauem Erlenmoor:

Wacholderbüsche. Wie versteinert lauern

Und brüten sie zum trüben Licht empor.

Ihr Düstern! Seid ihr noch von Winterschauern

Verstört und lahm? Hat Scheintot euch erstarrt,

Daß ihr nun bang des Auferweckers harrt?


Horch! Weint hier jemand? Wimmern ferne Eulen?

Wo bin ich? Schwarze Stämme. Sind es Säulen?

Sie wölben sich zum schauervollen Saal;

Und an der Decke schwelt die Ampel fahl.

Ach wohl, ich spür's, ich bin in einer Gruft!

Es haucht mich an mit kaltem Moderduft

Und ängstigt mir die Brust wie Todesqual:

Der Seufzer stockt ...


Da horch! Aus hoher Luft

Verworrner Ruf, geheimnisvoll Geraune.

Ist Rettung nah? Und wie ich aufwärts staune,

Da sieh/ am dämmerhaften Himmelsbogen

Kommt schattenhaft Gewimmel hergezogen,

Zum Keil gereiht/ Wildgänse, Wanderheere/

Ein Schlachtgeschwader, vorgestreckt die Speere.
[38]

Das stürmt so ungestüm, das ringt so hart,

Das rudert und das keucht, das gellt und schnarrt.

Nun saust ihr Fittich über mir und surrt ...

Vorbei!


Und noch ein Keil, und noch ein Keil!

Wie Wogen rauscht es. Lauter Wikinghorden!

Sieg, Helden! Sieg! Der kühnen Sehnsucht Heil!

Der starken Unrast Heil, die heim gen Norden

Euch treibt, zum trauten Nest an Felsenborden/

Wo nun das Moos erblüht, und schollenfrei

Im Sonnengold die Welle tanzt mit Rauschen ...

O Frühling, Heil! Fahrt wohl!

Vorbei/ vorbei!


Wie Traumgestammel noch ein wirrer Schrei/

Verschlungen von der Öde ... Starres Lauschen ...

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 37-39.
Lizenz:
Kategorien: