Orgeluse.

[4] Wir nahn seltsamen Mären,

Die der Freude können wehren

Und wieder Hochgemüthe bringen:

Sie schwanken zwischen beiden Dingen.


Gekommen war des Jahres Frist,

Auf den der Zweikampf, wie ihr wißt,

Vertagt ward, den am Plimizöl

Gawan erwarb. Gen Barbigöl

War der von Schampfenzon gesprochen.

Doch auch jetzt blieb ungerochen

Kingrisins des Königs Mord.

Wohl hatte sich Gawanen dort

Vergulacht, sein Sohn, gestellt.

Ihre Sipp erkannte da die Welt

Und den Kampf verbot der Sippe Macht,

Zumal der Graf Eckunacht

Den Mord begangen hatt allein,

Des Gawan schuldig sollte sein.

Da ward versöhnt Kingrimursel

Mit Gawan dem Degen schnell.
[5]

Geschieden ritten sie hindann,

Vergulacht und Gawan.

Beide wollten nun zumal

Gesondert forschen nach dem Gral.

Da musten mit den Händen

Sie Tjoste viel versenden.

Wer des Grals begehrte,

Der muste mit dem Schwerte

Sich hohen Preis erschwingen.

So soll man Preis erringen.


Wie es Gawan ergangen sei,

Ihm der alles Tadels frei,

Seit von Schampfenzon er schied;

Ob er unterwegs auf Streit gerieth,

Das fraget, Die es sahen:

Jetzt soll ihm Streiten nahen.


Eines Morgens kam Herr Gawan

Geritten zu einem grünen Plan:

Einen Schild mit lichtem Glanze

Sah er durchbohrt von einer Lanze,

Und ein Pferd, das Frauenreitzeug trug;

Zaum und Sattel reich genug.

Gebunden zu dem Schilde

War das Ross an eine Linde.[6]

Da dacht er: »Wer dieß Weib wohl ist,

Die solcher Kühnheit sich vermißt,

Daß ein Schildesrand ihr frommt?

Wenn sie mit mir zu streiten kommt,

Wie soll ich da mich schützen?

Mir möcht ein Fußkampf nützen.

Will sie mit mir ringen,

Sie mag zu Fall mich bringen:

Auf einen Fußkampf will ich sinnen,

Ob es mir Haß bringt oder Minnen.

Und wenn es Frau Kamille wär,

Die mit ritterlicher Wehr

Vor Laurentum Preis erstritt,

Wär sie stark, wie Die dort ritt,

Ich versucht es doch mit ihr,

Böte sie mir Kampf allhier.«


Der Schild war auch zerhauen:

Gawan mocht ihn beschauen,

Als er näher kam geritten.

Der Tjoste Fenster war geschnitten

Mit dem Lanzeneisen weit.

Also malt sie der Streit;

Den Schildrern würd es nicht vergolten,

Die sie also malen wollten.

Hinter der Linde breitem Stamm[7]

Saß eine Frau, an Freuden lahm,

Auf dem grünenden Klee.

Der that groß Herzeleid so weh,

Keinem Troste gab sie Raum.

Gawan ritt zu ihr um den Baum:

Da lag ein Ritter ihr im Schoß,

Um den ihr Jammer war so groß.


Er grüßte sie gar minniglich:

Da dankte sie und neigte sich.

Heiser war ihre Stimme,

Harsch von des Schmerzens Grimme.

Vom Rosse sprang Herr Gawan:

Dem durchstochenen Mann

Lief das Blut in den Leib.

Gawan frug des Ritters Weib

Ob der Ritter lebe,

Ob schon im Tode schwebe?

Da sprach sie: »Herr, er lebt wohl noch:

Unlange, dünkt mich, währts jedoch.

Mir zum Troste sandt euch Gott:

Nun rathet treulich, sonder Spott;

Ihr habt solch Leid schon mehr gesehn.

Laßt die Wohlthat mir geschehn,

Daß ich eure Hülfe schaue.«

»Gerne,« sprach er, »Fraue.«
[8]

»Diesem Ritter spart' ich Sterben,

Ich möcht ihm Heilung wohl erwerben,

Hätt ich eine Röhre:

Sehen und hören

Möchtet ihr ihn noch gesund.

Er ist nicht so gefährlich wund:

Das Blut ist seines Herzens Last.«

Da riß er von dem Lindenast

Ein Laub, das krümmt' er wie ein Rohr

(Er war der Heilkunst nicht ein Thor),

Und schobs dem Wunden in den Leib.

Zu saugen bat er dann das Weib,

Bis ihr das Blut entgegen floß

Und dem Ritter neue Stärke sproß,

Ihm auch die Sprache wieder ward.

Er gewahrte Gawans Gegenwart,

Da dankt' er sehr dem Degen,

Und es brächt ihm Gottes Segen,

Daß er ihn schied von Unkraft.

Er frug, ob er um Ritterschaft

Gekommen wär gen Logrois?

»Ich kam auch fern von Punturtois

Hier Aventüre zu erjagen.

Nun muß ichs immerdar beklagen,

Daß ich so nah geritten bin.

Ihr sollts auch meiden, habt ihr Sinn.«
[9]

»Ich dachte mir nicht solchen Schluß.

Es war Lischois Giwellius,

Der mich so übel hat verletzt.

Er hat mich hinters Ross gesetzt

Mit einer Tjost untadellich.

Die sauste mir so hurtiglich

Durch den Schild und durch den Leib.

Doch half mir dieses gute Weib

Auf ihrem Pferd an diese Statt.«

Gawanen er zu bleiben bat;

Doch Gawan sprach, er wolle sehn

Wo ihm der Schade wär geschehn:

»Erreich ich Logrois Thor,

Oder ereil ich ihn davor,

So steht er Rede mir dafür.

Ich frag ihn, Was er rächt' an dir.«

»Das thu nicht,« sprach der wunde Mann:

»In Wahrheit ich dir sagen kann,

Kein Kinderspiel ist solch Erkecken;

Es mag wohl heißen Angst und Schrecken.«


Gawan die Wunde verband

Mit der Frauen Kopfgewand;

Er sprach zur Wunde Wundensegen,

Und bat der Beiden Gott zu pflegen.

Mit Blut war ihre Spur begoßen,[10]

Als ob ein Hirsch da wär geschoßen;

Das ließ nicht irr ihn reiten.

Er sah in kurzen Zeiten

Logrois die stolze Veste:

Die lobten alle Gäste.


Die Veste schien ein löblich Werk.

Schraubenartig war ihr Berg:

Aus der Ferne gesehn,

Scheint sie sich im Kreiß zu drehn.

Der Burg läßt man noch heut die Ehre,

Daß Sturm auf sie vergeblich wäre.

Ihr bangte nicht vor solcher Noth,

Wer immer ihr sein Haßen bot.

Den Berg umgab ein Garten,

Edler Bäume drin zu warten.

Granaten, Feigen, Oel und Wein,

Und andre Früchte süß und fein

Zog man in der Fülle drin;

Da Gawan aufritt, kreuzt' er ihn.

Da sah er unter sich zumal

Seines Herzens Freud und Qual.


Ein Brunnen aus dem Felsen schoß:

Da fand er, was ihn nicht verdroß,

Eine Frau so schön und klar,[11]

Daß er entzückt vom Anblick war,

Aller Frauenschöne Blüthenflor.

Außer Kondwiramor

Sah die Welt so schöne nie.

Lauter, klar und süß war sie,

Dazu gefüg und kurtois:

Orgeluse hieß sie de Logrois.

Die Märe sagt, man sah an ihr

Reizung sehnender Begier,

Augenweide sonder Schmerzen,

Einen Spannerv aller Herzen.


Gawan grüßte sie mit Neigen.

Er sprach: »Wenn ich vom Pferde steigen

Darf mit euern Hulden, Fraue,

Wenn ich euch so gesonnen schaue,

Daß Ihr mich gerne bei euch habt,

So hat mich Freude reich begabt;

Mehr mag kein Mann erwerben.

Ich will damit ersterben,

Daß mir kein Weib so wohl gefällt.«

»Nun weiß ich wie's mit euch bestellt,«

Sprach sie zu ihm und sah ihn an.

Ihr süßer Mund darauf begann:


»Mit euerm Lobe haltet ein;

Zu Schanden möcht es euch gedeihn.[12]

Ich will nicht, daß ein jeder Mund

Mir sein Urtheil mache kund.

Wär Jeglichem mein Lob gemein,

Die Würde däuchte mich gar klein –

Den Weisen wie den Dummen,

Den Geraden wie den Krummen:

Wo blieb' ihm wohl zu trachten Zeit

Nach dem Preis der Würdigkeit?

Ich will mein Lob behalten,

Daß die Weisen sein nur walten.

Herr, ich weiß nicht, wer ihr seid;

Doch daß ihr reitet, dünkt mich Zeit.«


»Mein Urtheil läßt euch drum nicht frei:

Ihr wohnet meinem Herzen bei

Weit davor, nicht darinne.

Begehrt ihr meiner Minne,

Was macht' euch Minnelohns gewiss?

Mancher seine Augen schmiß,

Auf Schleudern, möchts gelingen,

Sie zu sanfterm Wurf zu bringen,

Wenn er zu sehn nicht meidet

Was ihm das Herz zerschneidet.

Laßt walzen eure tolle Gier

Nach andrer Minne denn zu mir.

Dient nach Minne eure Hand,[13]

Hat euch Aventür gesandt

Nach Minnelohn für Ritterthat,

Den Lohn ihr nicht von mir empfaht;

Ihr mögt wohl Schande hier erjagen,

Soll ich euch die Wahrheit sagen.«


Da sprach er: »Frau, ihr redet wahr:

Die Augen bringen mir Gefahr,

Da sie so viel an Euch ersehn,

Daß ich mit Wahrheit muß gestehn,

Daß ich eur Gefangner bin.

Nun zeigt mir weiblichen Sinn.

Wars gleich nicht euer Wille,

Ihr fiengt mich in der Stille.

Nun löset oder bindet,

Da ihr mich willig findet,

Hätt ich euch, wo ich wollte,

Daß ich Alles gern erdulden sollte.«


Sie sprach: »So führt mich mit euch hin.

Rechnet ihr auf den Gewinn,

Den ihr bei mir erwürbt mit Minne,

Mit Schanden würdet ihr das inne.

Ich wüste gern ob Ihr der seid,

Der meinethalb sich wagt in Streit;

Thut es nicht, es frommt euch sehr.[14]

Wollt ihr meines Raths noch mehr,

Und will mir folgen euer Herz,

So such es Minne anderwärts.

Wenn ihr meine Minne wollt,

Entgeht euch Freud und Minnesold.

Wollt ihr mich hinnen führen,

Wird euch Angst das Herz umschnüren.«


Da sprach mein Herr Gawan:

»Ohne Dienst wer möchte Minn empfahn?

Ich darf euch wohl verkünden,

Der erwürbe sie mit Sünden.

Zu edler Minne Gewinnst

Gehört vorher und nachher Dienst.«

Sie sprach: »Mir Dienst zu geben,

Müßt ihr wehrlich leben,

Und mögt doch Schande wohl erjagen;

Mein Dienst bedarf keines Zagen.

Nehmt jenen Pfad (es ist kein Weg)

Ueber jenen hohen Steg,

Zu jenem Baumgarten,

Meines Pferdes dort zu warten.

Ihr seht und hört da Leute viel,

Tanz, Gesang und Saitenspiel,

Flöt und Trommel nimmer ruhn.

Geht hindurch, was sie auch thun,[15]

Zu meinem Pferde, das da steht

Und löst es, daß es mit euch geht.«


Gawan von dem Rosse sprang.

Bei sich erwog der Degen lang,

Wo er bleibe mit dem Pferd die Zeit.

Der Born gab nicht Gelegenheit

Es anzuheften mit dem Riemen:

Ob ihm die Bitte wohl geziemen

Möchte, daß sie es nähme,

Bis er mit ihrem käme.

»Ich sehe wohl was euch beschwert,«

Sprach sie: »laßt mir hier stehn das Pferd;

Ich verwahr es bis ihr wieder kommt;

Obgleich der Dienst euch wenig frommt.«


Da bot mein Herr Gawan

Ihr seines Rosses Zügel an:

»Nun haltet mir es, Fraue.«

»Wie thöricht ich euch schaue!«

Sprach sie: »wo eure Hand geruht,

Griff' Ich dahin, das ziemte gut!«

Da sprach der minnegehrende Mann:

»Dieß Ende griff ich niemals an.«

»So will ich es empfangen;[16]

Erfüllt nun mein Verlangen,

Und holt mir schnell hieher mein Pferd:

So reit ich mit, wie ihr begehrt.«

Das schien ihm freudiger Gewinn.

Eilends gieng er von ihr hin

Ueber den Steg zur Pforten.

Viel Frauen sah er dorten

Und der jungen Ritter viel

Bei Tanz, Gesang und Saitenspiel.


Nun hatte mein Herr Gawan

So reichen Helm und Harnisch an,

Daß sein Kommen Niemand freute,

Denn es waren treue Leute,

Die des Baumgartens pflagen:

Ob sie standen oder lagen,

Oder saßen in Gezelten,

Da vergaß doch Einer selten,

Sein nahes Unheil zu betrauern:

Man hört' es Mann und Weib bedauern.

Auch sprachen ihrer genug:

»Unsrer Herrin listger Trug

Will diesen Mann verleiten

In große Fährlichkeiten:

O weh, daß er ihr folgen will

Zu so kummervollem Ziel!«
[17]

Manch ein Edler ihm entgegen gieng,

Der mit Armen ihn umfieng

Um ihn freundlich zu empfahn.

Man sah ihn einem Oelbaum nahn

Und dem daran gebundnen Pferd.

Auch war tausend Mark wohl werth

Das Reitzeug sammt dem Zaume.

Mit breitem Bart am Baume,

Wohl geflochtenem und grauen,

Mocht er einen Ritter schauen

Auf einer Krücke lehnen:

Dem entschoßen helle Thränen,

Daß Gawan zu dem Pferde gieng,

Obwohl er freundlich ihn empfieng.


Er sprach: »Ist guter Rath euch werth,

So laßet ab von diesem Pferd.

Hier wills euch Niemand vorenthalten;

Doch laßt ihr gerne Klugheit walten,

So begebt euch selber sein.

Verflucht soll unsre Herrin sein,

Daß sie so manchen werthen Mann

Um sein Leben bringen kann.«

Gawan sprach, er ließ' es nicht.

»Weh, so ergeht ein Schreckgericht!«

Sprach der graue Ritter werth.[18]

Die Halfter löst' er von dem Pferd

Und sprach: »Ihr sollt nicht länger stehn:

Laßt dieß Pferd denn mit euch gehn.

Der das Meer gesalzen hat,

Der geb in eurer Noth euch Rath.

Seht zu, daß euch nicht höhne

Meiner Herrin Schöne:

Die ist bei der Süße sauer

Wie bei Sonnenschein ein Regenschauer.«


»Nun walt' es Gott,« sprach Gawan,

Und nahm Urlaub von dem grauen Mann

Und den Uebrigen all;

Sie beklagten ihn zumal.

Das Ross gieng einen schmalen Weg

Zum Thor aus über jenen Steg.

Seines Herzens Herrin fand

Er dort; ihr diente dieses Land.

Wie ihr sein Herz entgegenflog,

Viel Leid sie doch ihm drin erzog.


Unterm Kinne das Band

Hatte sie mit der Hand

Gelöst und auf das Haupt gelegt.

Wenn ein Weib sich also trägt,

Die hat Schalkheit im Sinne[19]

Und denkt nur wie sie Streit beginne.

Wie sie sonst gekleidet war?

Macht' ich das euch offenbar,

Und nennte jedes Kleidungsstück –

Das erläßt mir wohl ihr lichter Blick.


Da Gawan zu der Frauen gieng,

Ihr süßer Mund ihn so empfieng:

Sie sprach: »Willkommen denn, ihr Gans!

Eure Thorheit zeigte sich im Glanz,

Da ihr durchaus mir dienen wolltet:

Ihr miedets gern, wenn ihr nicht tolltet!«

Er sprach: »Wie hart ihr euch geberdet,

Ich weiß, daß ihrs vergüten werdet.

Es ehrt euch, einst dieß Schelten

Mit Güte zu vergelten.

So lange dien euch meine Hand

Bis ihrs zu lohnen Muth gewannt.

Wollt ihr, ich heb euch auf das Pferd.«

Sie sprach: »Das hab ich nicht begehrt:

Eure ungeschworne Hand

Greife nach geringerm Pfand.«

Sie wandte sich, ergriff den Zügel,

Aus den Blumen sprang sie in die Bügel.

Sie bat ihn: »Reitet vor im Trab:

Es wäre Schade, käm ich ab[20]

Von so würdigem Gesellen«

Sprach sie: »Gott mög euch fällen.«


Wer meinem Rathe folgen will,

Mit ihrem Tadel schweig er still,

Daß er sich nicht verspreche

Bis er weiß, was sie verbreche,

Und bis er wahrhaft hat erkannt

Wie es um ihr Herz bewandt.

Rache nehmen könnt auch ich

An der Frauen minniglich

Für Alles was sie an Gawan

In ihrem Zorn hat missgethan,

Oder was sie künftig noch verbricht;

Ungerochen laß ichs nicht.


Da gehabte ungeselliglich

Die reiche Orgeluse sich:

Auf Gawan kam sie geritten

Mit so zornigen Sitten,

Daß Ich vom gleichen Fall betroffen

Wenig Trost mir würd erhoffen.

Von dannen ritten beide

Alsbald auf lichte Haide.

Gawan nahm eines Krautes wahr,

Des Wurzel Wunden heilsam war.[21]

Eilends von seinem Pferde

Schwang er sich zur Erde:

Er grub sie, stieg dann wieder auf.

Sie ließ dem Spotte freien Lauf

Und sprach: »Kann der Geselle mein

Arzt zugleich und Ritter sein,

Er mag sich Nahrung wohl erjagen,

Versteht er, Büchsen feil zu tragen.«

Da sprach zu ihr Gawanens Mund:

»Einen Ritter fand ich wund

Unter einer Linde.

Wenn ich ihn wieder finde,

Soll ihn die Wurzel heilen,

Sein Uebel all zertheilen.«

Sie sprach: »Das seh ich gerne:

Vielleicht, daß ichs erlerne.«


Ein Knapp ritt hinter ihnen her;

Der Botschaft willen eilt' er sehr,

Die er bestellen sollte.

Gawan sein harren wollte;

Nicht ganz geheuer schien er ihm.

Malkreatür hieß das Ungethüm,

Dieser Knappe, der fiere.

Kondrie la Sorziere

War sein schönes Schwesterlein.[22]

Ihr Ebenbild auch würd er sein,

Wär er nicht männlichen Geschlechts.

Hauzähne trug er links und rechts

Wie der Eber hat, der wilde,

Ungleich einem Menschenbilde.

Auch war das Haar ihm minder lang –

Das Kondrien auf das Maulthier sank –

Gleich Igelsborsten, scharf wie Glas.

Bei dem Waßer Gangas,

Zu Tribalibot im Land der Inden

Sind solcher Leute mehr zu finden.


Unser Vater Adam,

Dem von Gott die Einsicht kam,

Gab allen Thieren Namen,

Den wilden wie den zahmen.

Auch kannt er eines Jeden Art,

Dazu der Himmelssterne Fahrt,

Der Planeten all, der sieben,

Und welchen Einfluß sie üben,

Und wuste aller Wurzeln Kraft

Und einer jeden Eigenschaft.

Da seine Kinder zu den Jahren

Kamen, daß sie selbst gebahren

Und erzeugten Menschenfrucht,

Vor Unmaß warnt' er sie mit Zucht.[23]

Wenn seiner Töchter Eine trug,

Die ermahnt' er oft genug:

Den Rath er selten unterließ,

Daß er sie Kräuter meiden hieß,

Die Menschenfrucht verkehrten

(Einst sein Geschlecht entehrten):

»Anders denn uns Gott ersonnen,

Da er mich zu bilden hat begonnen«

Sprach er: »Darum, liebes Kind,

Sei zum eignen Heil nicht blind.«


Die Frauen waren Frauen halt:

Etliche musten mit Gewalt

Das Verbotene vollbringen;

Sie konnten ihr Gelust nicht zwingen.

So ward entstellt die Menschheit:

Adamen war es schmerzlich leid:

Doch rein verblieb sein Wille.

Die Köngin Sekundille,

Die Feirefiss mit Rittershand

Erwarb, ihr Herz und auch ihr Land,

Die hatt in ihrem Königreich,

Die lautre Wahrheit meld ich euch,

Der Leute viel seit alten Tagen,

Die so entstellt das Antlitz tragen

Von manchem fremden Muttermal.[24]

Da sagte man ihr von dem Gral

In Anfortas Königreiche,

Daß sich seinem Reichthum nichts vergleiche.

Das schien ihr wunderbar genug.

Mancher Strom in ihrem Lande trug

Statt Sand und Kiesel edle Steine.

Gebirge hatte sie, nicht kleine,

Von lauterm Goldgestein darin.

Da sprach die edle Königin:

»Wie gewinn ich Kunde von dem Mann,

Dem der Gral ist unterthan?«

Geschenke schickte sie alsbald,

Zwei Menschen seltsam von Gestalt,

Kondrien und ihren Bruder, hin.

Noch mehr sandt ihm die Königin,

Das Niemand wüste zu vergelten;

Zu Kaufe findet man es selten.

Dann sandte Anfortas der gute,

Der immer war von mildem Muthe,

Orgelusen de Logrois

Diesen Knappen kurtois;

Weiblicher Gelüste Mal

Schied ihn aus der Menschheit Zahl.


Der Wurzeln und der Sterne Sohn

Bot Gawanen Schmach und Hohn,[25]

Der sein geharrt mit holden Sitten.

Malkreatüre kam geritten

Auf einer Märe schwach und krank,

An allen Vieren lahm von Gang:

Sie strauchelt' oft zur Erde,

So daß auf beßerm Pferde

Selber Frau Jeschute ritt,

Da ihr Parzival erstritt

Von Orilus die alte Huld,

Die sie verloren sonder Schuld.


Der Knappe blickte Gawan an,

Malkreatür im Zorn begann:

»Seid ihr, Herr, von Ritters Art,

So ließt ihr klüglich diese Fahrt.

Ihr dünket mich ein dummer Mann,

Daß ihr meine Herrin führt hindann.

Ihr werdet unterwiesen,

Daß euch die Leute priesen,

Führet ihr dabei nicht schlecht.

Doch seid ihr ein gemeiner Knecht,

Klopft man euch so den Rücken aus,

Daß ihr gerne miedet solchen Strauß.«


Gawan sprach: »Wohl nie empfand

Solche Züchtigung mein Ritterstand.[26]

So soll man dumme Jungen bläun,

Die vor tapferm Kampf sich scheun;

Mir erläßt man solche Pein.

Wollt Ihr vor der Herrin mein

Mit schnöden Worten mir begegnen,

So soll euch Antwort niederregnen,

Die euch wohl für Zürnen gilt.

Wie scheusslich Ihr auch seid und wild,

Mir zu dräuen mögt ihr sparen.«

Da griff ihn bei den Haaren

Gawan und schwang ihn unters Ross.

Der Knappe, den sein Fall verdroß,

Warf Blicke grimm und fürchterlich.

Seine Igelborsten rächten sich

Und verschnitten Gawan so die Hand,

Daß er sie blutigroth befand.

Ihn verlachte drum die Fraue:

Sie sprach: »Wie gern ichs schaue,

Thut ihr zwei euch alle Schmach!«

Sie ritten fort; das Pferd lief nach.


Sie kamen hin, wo er den wunden

Ritter kurz zuvor gefunden.

Getreulich auf die Wunde band

Ihm die Wurzel Gawans Hand.

Der Wunde sprach: »Wie gieng es dir[27]

Seit du geschieden bist von mir?

Die Frau ist, die du mitgebracht,

Auf deinen Schaden nur bedacht:

Durch ihre Schuld ist mir so weh.

In aive étroite malvoiée

Half sie mir zu starken Tjosten,

Die mich Blut und Leben kosten.

Behältst du Leben gern und Leib,

So laß dieß trügerische Weib

Und wende dich hinweg von ihr.

Ein warnend Beispiel schau an mir.

Doch nähms noch gutes Ende,

Wenn ich wo Ruhe fände:

Hilf mir dazu, getreuer Mann.«

Da sprach mein Herr Gawan:

»Gern helf ich dir, nach deiner Wahl.«

In der Nähe steht ein Hospital

Fuhr der wunde Ritter fort:

»Wär ich in wenig Stunden dort,

Da fänd ich Ruhe lange Zeit.

Meiner Freundin Ross steht dort bereit,

Das uns beiden wohl den Rücken lieh';

Heb sie drauf, mich hinter sie.«


Da band der wohlgeborne Gast

Dieser Frauen Pferd vom Ast[28]

Und zog es näher hin zu ihr.

Der Wunde rief: »Hinweg von mir!

Ihr tretet mich, o Ungemach!«

Er zogs ihr fern: die Frau gieng nach

Sanft und mit gemeßnem Schritt;

Sie war im Einverständniss mit.

Gawan auf das Pferd sie schwang,

Derweil der wunde Ritter sprang

Auf Gawanens Kastilian:

Wohl dünkt mich, das war missgethan.

So ritt er mit der Frauen hin:

Das war ein sündlicher Gewinn.


Darüber klagte Gawan sehr;

Die Frau jedoch belacht' es mehr

Als der Scherz ihn däuchte werth.

Da ihm benommen war das Pferd,

Ihr süßer Mund versetzte da:

»Als ich euch zuerst ersah,

Schient ihr vom Ritterorden;

Dann seid ihr Arzt geworden,

Und ein Fußknecht gar zuletzt

Doch nicht verzweifeln dürft ihr jetzt:

Ihr habt der Künste so viel inne.

Gelüstet euch noch meiner Minne?«
[29]

»Ja Herrin,« sprach Herr Gawan:

»Eure Minne, möcht ich die empfahn,

Nichts Liebres wüst' ich auf der Welt.

Sei Einer noch so hoch gestellt,

Er möge Kron und Scepter tragen,

Der Erde höchstes Glück erjagen,

Böt er mir das für Den Gewinn:

So räth mir meines Herzens Sinn,

Daß ich ihm Alles laßen wollte,

Wenn mir Eure Minne blühen sollte.

Kann ich sie nicht erwerben,

So muß ein bittres Sterben

Sich bald an mir erzeigen.

Ihr verwüstet euer Eigen:

Bin ich gleich ein freier Mann,

Für euer Eigen seht mich an:

Das ist eur wohlerworben Recht.

Nennt mich Ritter oder Knecht,

Garzon oder Vilan.

Es ist fürwahr nicht wohlgethan,

Verschmäht ihr meinen Dienst mit Spott:

Ihr versündigt euch vor Gott.

Käme mir mein Dienst zu gut,

Ihr ließet spöttischen Muth.

Gesetzt, er thäte mir nicht leid,

Er schmäht doch eure Würdigkeit.«
[30]

Nun ritt zurück der wunde Mann

Und sprach: »Bist dus, Gawan?

Was ich dir noch schuldig war,

Das ist dir nun vergolten gar:

Da deine mannliche Kraft

Mich fieng in harter Ritterschaft,

Und mich gefangen brachte heim

Zu Artus, Deinem Oheim:

Vier Wochen, noch ists unvergeßen,

Must ich da mit den Hunden eßen.«


»Du bist es,« sprach er, »Urjan?

Jetzt wünschest du mir Schaden an,

Den trüg ich sonder alle Schuld:

Ich erwarb dir noch des Königs Huld.

Dein schnöder Sinn dich so berieth,

Daß man von Schildesamt dich schied;

Man nahm dir das gemeine Recht,

Weil du eine Magd geschwächt

Friedbrüchig durch verruchten Zwang.

König Artus mit dem Strang

Hätt es sicherlich gerochen,

Hätt ich nicht für dich gesprochen.«


»Was dort geschah, du stehst nun hier.

Kund ist wohl auch das Sprichwort dir:

Wer dem Andern rettete das Leben,[31]

Nie wird es Jener ihm vergeben;

Dem folg ich, weil ich kluggesinnt.

Es schickt sich beßer, weint ein Kind

Als ein vollbärtger Mann.

Dieß Ross behalt ich, weil ich kann.«

Spornstreichs ritt er so von hinnen;

Leid war Gawanen sein Beginnen.


»Herrin, dieß war der Verlauf:

Der König Artus hielt sich auf

In der Stadt Dianasdron

Und mit ihm mancher Breton.

Da ward als Botin seinem Land

Eine Jungfrau zugesandt.

Auf Abenteuer kam da auch

Hergeritten dieser Gauch:

Er war hier fremd und sie nicht minder.

Da rieth sein wüster Sinn dem Sünder,

Daß er mit der Jungfrau rang

Und sie zu seinem Willen zwang.

Am Hof vernahm man das Geschrei:

Laut rief der König: heiahei!

Es war geschehn vor einem Wald;

Wir eilten Alle hin alsbald.

Der ich voraus den Andern fuhr,

Ich fand des Missethäters Spur:[32]

Gefangen führt' ich her alsdann

Vor den König diesen Mann.«


»Mit uns geritten kam die Maid.

Ungeberdig war ihr Herzeleid,

Daß mit Gewalt ihr hatt entrißen,

Der sich nie in ihrem Dienst beflißen,

Das unbefleckte Magdthum.

Auch erwarb er kleinen Ruhm,

Denn wehrlos ist der Frauen Hand.

Zum Zorne war mein Herr entbrannt,

Artus der getreue Mann:

›Die ganze Welt,‹ so hub er an,

›Muß die verruchte That beklagen.

Weh, daß der Tag je muste tagen,

Bei dessen Licht sie ward vollführt;

Weh, daß das Urtheil Mir gebührt

Und daß ich heute Richter bin.‹

Er sprach zur Jungfrau: ›Habt ihr Sinn,

So nehmt Fürsprechen an und klagt.‹

Das war der Jungfrau leicht gesagt,

Sie that wie ihr gerathen war;

Da stand der Ritter große Schar.«


»Urjan der Fürst aus Punturtois

Stand da vor dem Bretanois[33]

Angeklagt auf Ehr und Leben:

Da kam sie Klage zu erheben,

Daß es Alle mochten hören.

Sie begann den König zu beschwören,

Daß er aller Frauen wegen

Ließ' ihre Schande sich bewegen,

Und aller Jungfraun Ehre willen.

Auch bat sie ihn ihr Leid zu stillen

Bei dem Ruhm der Tafelrunde

Und der Botschaft, deren Kunde

Sie als Gesandtin überbracht:

Hätt er hier zu richten Macht,

Daß er mit Gerechtigkeit

Richten möge dieß ihr Leid.

Sie bat der Tafelrunde Schar:

›Nehmt meines Rechtes wahr,‹

Da was der Räuber ihr genommen

Nimmer möge wieder kommen,

Unbefleckte Jungfrauschaft:

Daß sie All aus Herzenskraft

Um Recht den König bäten

Und mit Worten sie verträten.«


»Einen Anwalt nahm der schuldge Mann,

Den ich erst jetzt recht würdgen kann;

Der sprach zu seinen Gunsten viel,[34]

Es half ihm aber nicht zum Ziel.

Man sprach ihm Leben ab und Preis,

Und daß man winden sollt ein Reis:

Ohne blutige Hand

Ward der Tod ihm zuerkannt.

Er schrie zu mir in seinem Leid:

Ich hätt ihm doch für Sicherheit

Das Leben wollen schenken.

Meine Ehre schiens zu kränken,

Verlör er Leben dort und Leib.

Ich bat das klaghafte Weib,

Da sie gesehn, wie im Gefecht

Ich mannlich ihre Schmach gerächt,

Daß sie mit Weibesgüte

Möchte sänften ihr Gemüthe:

Es wär doch ihre Liebeshuld,

Die ihn verleitet zu der Schuld,

Und ihr wonniglicher Leib.

Wenn je ein Mann von einem Weib

Gekommen sei in Herzensnoth,

›Die dann ihm gnädig Hülfe bot:

Der Hülfe thuts zu Ehren,

Laßt euerm Zorne wehren.‹«


»Ich bat den König und die Seinen

Jetzo möcht er mirs bescheinen:[35]

Ob ich je ihm Dienst gethan,

Indem er aus der Schande Bann

Mich durch seine Hülfe nähme,

Und zu Hülfe diesem Ritter käme.

Ich bat sein Weib, die Königin,

Der ich nah befreundet bin

(Da mich der König hat erzogen,

Sie stäts mir treulich war gewogen),

Daß Sie mir hülfe: das geschah.

Beiseit zog Sie die Jungfrau da:

Das Leben dankt' er Ginoveren;

Doch sollt ihn bittre Schmach beschweren.

Für sein verwirktes Leben

Ward Buß ihm aufgegeben:

Aus Einem Troge aß sein Mund

Mit dem Bracken und dem Leithund

Vier volle Wochen:

So ward die Maid gerochen.«


»Frau, das ist sein Zorn auf mich.«

»Es beschimpft ihn,« sprach sie, »sicherlich.

Werd ich euch auch nimmer hold,

Er empfängt dafür doch solchen Sold,

Eh er kommt aus meinem Lande,

Daß er es zählt für Schande.

Da es der König nicht gerochen[36]

Was er an der Maid verbrochen,

So ist das Urtheil billig mein;

Euer Beider Richter will ich sein,

Weiß ich gleich nicht, Wer ihr Beide seid.

Ich straf ihn drum zu seiner Zeit,

Der Jungfrau Pein zu stillen,

Doch nicht um Euretwillen.

Mit Schlagen und mit Stechen

Soll man solchen Unfug rächen.«


Gawan zu der Mähre gieng,

Die er mit leichter Mühe fieng.

Da kam der Knappe hinten nach,

Zu dem sie auf arabisch sprach

Was sie zu melden ihm gebot.

Nun nahet bald Gawanens Noth.


Der Knappe lief zu Fuß hindann.

Da sah sich Gawan näher an

Des Knappen Ross: mit Spat und Dampf

War es zu schwach für einen Kampf.

Der Knappe hatt es dort genommen,

Eh er den Berg herabgekommen,

Einem armen Vilan;

Nun sollt es aber Gawan

Für sein Ross behalten:

Solchen Tausches must er walten.
[37]

Sie sprach zu ihm mit Spott und Haß:

»Nun sagt mir, wollt ihr fürbaß?«

Da sprach mein Herr Gawan:

»Meine Fahrt von hinnen wird gethan

Wie es euer Mund mir räth.«

Sie sprach: »Mein Rath, der kommt euch spät.«

»Nun, so dien ich doch darum.«

»Daran thut ihr eben dumm.

Wollt ihr das nicht meiden,

Müßt ihr von Freude scheiden

Und euch zur Trübsal kehren,

Euer Kummer muß sich mehren.«

Da sprach der Minnegehrende:

»In euerm Dienst der währende

Bin ich, obs Freude bringt, ob Noth.

Seit eure Minne mir gebot,

Muß ich euch zu Gebote stehn,

Ich möge reiten, möge gehn.«


So stand er bei der Frauen

Sich das Ross zu beschauen.

Wohl schiens zu raschen Tjosten

Zu wenig Geld zu kosten:

Steigriemen hiengen dran von Bast;

Dieser herrliche Gast

War beßer Sattelzeug gewohnt.[38]

Mit Reiten hätt ers gern verschont,

Denn er sorgte, daß dabei

Riem und Sattel bräch entzwei.

Der Mähre war der Rücken jung;

Hätt er darauf gethan den Sprung,

Zerbrochen wär er sicherlich;

Darum enthielt er dessen sich.


Er hätt es sonst nicht leicht gethan:

Er zogs am Zaum und schritt voran,

Den Schildrand tragend und den Sper.

Seiner peinlichen Beschwer

Begann die Frau zu lachen,

Die ihm Kummer wollte machen.

Den Schild er auf die Mähre band.

Da sprach sie: »Führt ihr Kramgewand

Feil hier in meinem Lande?

Die Begleitung bringt mir Schande:

Ein Arzt und ein Krämer!

Bedenkt den Zolleinnehmer,

Daß euch nicht auf diesen Wegen

Das Handwerk meine Zöllner legen!«


Wie scharf ihm auch ihr Spotten schien,

So nahm er doch es willig hin

Und kehrte sich nicht weiter dran.[39]

Sah er sie dann wieder an,

So war verschwunden all sein Leid.

Sie war ihm eine Maienzeit,

Ein Blüthenflor vor seinen Blicken,

Ein herzenbittres Augerquicken.

Stäts war ein Fund hier beim Verlust,

Davon genas die kranke Lust:

So ward er immer wieder frei

Und blieb gebunden doch dabei.


Mich lehrte mancher Meister so:

Amor und Cupido

Und Venus, Mutter dieser zwein,

Pflegten Minne zu verleihn

Mit Geschoßen und mit Feuer.

Solche Minne dünkt mich nicht geheuer.

Hat ein Herz getreue Sinne,

So wird es nimmer frei von Minne,

Seis zur Wonne, seis zur Pein;

Wahre Minn ist Treu allein.


Cupido, nimmer trifft

Mich deines flüchtgen Pfeiles Gift;

Stäts verfehlt mich Amors Sper.

Seid ihr beiden über Minne hehr,

Und Venus mit der Fackel Brand,[40]

Solcher Kummer ist mir unbekannt.

Soll ich in wahrer Minne glühn,

So muß sie mir aus Treue blühn.


Könnt ich mit klugem Sinne

Wem helfen wider Minne,

Herrn Gawan wär ich wohl so hold,

Ich wollt ihm helfen ohne Sold.

Zwar bringt es ihm nicht Schande,

Halten ihn Minnebande,

Wenn ihn Minne überwindet,

Vor der die stärkste Wehr verschwindet.

Er war so wehrlich doch fürwahr,

Der Wehr so mächtig immerdar,

Daß nicht bezwingen sollt ein Weib

Seinen wehrlichen Leib.


Laßt euch beschaun, Herr Minnezwang!

Die Freude rauft ihr uns so lang

Bis dünn die Saat der Freude steht,

Und der Weg des Kummers drüber geht.

Allmählich geht da Kummers mehr;

Wenn sein Ziel ein andres wär

Als in des Herzens hohen Muth,

Das käm der Freude noch zu gut.[41]

Zu leichtfertgem Sinne

Dünkt mich zu alt die Minne.

Oder schiebt sie's auf die jungen Jahre,

Daß sie mit Unart gebahre?

Der Unart gönnt ich lieber Jugend,

Als wenn das Alter misste Tugend.

Uebels hat sie viel gethan;

Wem von beiden rechn ichs an?

Will sie mit jungen Streichen

Von den alten Sitten weichen,

Das wird ihren Preis nicht mehren;

Eines Beßern soll man sie belehren.

Nur lautre Minne preisen

Mag ich, und auch die Weisen:

Weib und Mann, insgemein

Stimmen alle mit mir ein:

Wo das Herz dem Herzen Minne giebt,

So lautre, daß kein Hauch sie trübt,

Und der Herzen keins verdrießt,

Wenn sie der Minne Schlüßel schließt

In unwandelbarem Sinne,

Die Minn ist über alle Minne.


So gern ich ihn befreite,

Herr Gawan kann doch heute

Der Minne nicht verwehren,[42]

Sie muß sein Herzleid mehren.

Was frommte mein Vermitteln dann

Und was ich drüber sprechen kann?

Es wehre sich kein Mann der Minne:

Sie hilft ihm erst zu rechtem Sinne.

Gawanen gab sie diese Buße;

Seine Herrin ritt, er gieng zu Fuße.


Orgeluse mit dem Degen kühn

Kam zu einem Walde grün.

Da zog der unberittne Mann

Sein Pferd zu einem Block heran:

Seinen Schild, den er darauf gelegt,

Des er kraft Schildesamtes pflegt,

Nahm er zu Hals und stieg zu Pferde;

Die Mähre trug ihn mit Beschwerde

Wieder auf gebautes Land.

Bald hatt er eine Burg erkannt,

So stattlich, daß er nie gesehn,

Wohl must es Aug und Herz gestehn,

Eine Veste, die ihr glich.

Ringsum war sie ritterlich.

Sie zählte manchen Saal, vor Sturm

Schützte sie manch fester Thurm;

Auch mocht er viel der Frauen

Sehn aus den Fenstern schauen,[43]

Wohl vierhundert oder mehr;

Vier schienen vor den andern hehr.


Eine vielbefahrne Straße trug

An ein Waßer, breit genug,

Schiffbar, mit raschen Wellen,

Die Frau und den Gesellen.

Eine blühnde Wiese lag daran;

Auf der ward mancher Sper verthan.

Jenseits ragte das Kastell.

Da sah Gawan, der Degen schnell,

Einen Ritter sich entgegen fahren,

Der Schild und Sper nicht wollte sparen.


Orgelus die Königin

Begann zu ihm mit stolzem Sinn:

»Ob es euer Mund auch spricht,

Ich breche meine Treue nicht:

Ich hab es euch voraus gesagt,

Daß ihr hier Schande nur erjagt.

Wehrt euch, wenn ihr euch wehren könnt,

Kein ander Heil ist euch vergönnt.

Der hier einhersprengt, in den Sand

Setzt euch unsanft seine Hand.

Platzt euch dabei das Niederkleid,

Das sei euch um die Frauen leid,[44]

Die droben sitzend niederspähn:

Wie wenn die eure Schande sähn?«


Ein Schiffmann fuhr von drüben her

Auf der Herzogin Begehr;

Daß der sie in den Nachen nahm,

Das war Gawanen neuer Gram.

Orgelus die Wohlgeborne

Sprach aus dem Kahn zu ihm mit Zorne:

»Ich nehm euch nicht zu mir hinein;

Ihr müßt zu Pfand hier hüben sein.«

Nach rief der Held ihr trauriglich:

»Frau, warum verlaßt ihr mich?

Soll ich euch nie mehr wiedersehn?«

Sie sprach: »Das könnte noch geschehn:

Wenn ihr siegt, sollt ihr mich schaun;

Doch das ist euch nicht zuzutraun.«


Sie schied von ihm der breite Fluß;

Da kam Lischois Giwellius.

Ich weiß wohl, daß ich löge,

Wenn ich sagte, daß er flöge;

Doch berührt' er kaum die Erde;

Ich rühm es an dem Pferde:

Das bewies Geschwindigkeit

Auf dem grünen Anger breit.[45]

Da gedachte Herr Gawan:

»Wie erharr ich diesen Mann?

Welches mag gerathner sein?

Zu Fuß oder auf dem Rösselein?

Will er sein Ross nicht sparen,

Kommt er spornstreichs angefahren,

Zu Boden stürz ich sicherlich:

Doch auch Sein Ross, wie hält es sich,

Daß es über meins nicht fällt?

Wenn er dann auf blumgem Feld

Mit mir kämpfen will zu Fuß,

Und erwürb ich nimmer ihren Gruß,

Die mich verlockt' in diesen Streit,

Ich biet ihm willig Kampf und Streit.«


Der Kampf war unvermeidlich:

Doch kämpft der Nahnde weidlich,

Wie auch der Harrende streitet;

Schon hat er sich zur Tjost bereitet.

Er setzte seiner Lanze Knauf

Dem Filzbesatz des Sattels auf;

So hatt er sich es ausgedacht.

Als ihre Tjost nun ward gebracht,

Die Spere brachen beid in Splitter,

Zu Boden fielen beide Ritter.

Der beßer berittne Mann[46]

Strauchelte, daß er mit Gawan

Auf die Blumen kam zu liegen.

Wie sollten sie nun kriegen?

Aufspringend, mit den Schwerten,

Die noch beide Kampf begehrten.

Die Schilde hatten viel zu leiden:

Zerschnitten wurden sie, daß beiden

Kaum ein Span blieb vor der Hand,

Denn der Schild ist stäts des Kampfes Pfand.


Da blitzt das Schwert, der Helm sprüht Feuer.

Er bestand ein glücklich Abenteuer,

Der den Sieg davon soll tragen;

Doch muß er erst sich weidlich schlagen.

Also lange währt' ihr Streit

Auf dem blumgen Anger breit,

Es würden wohl zwei Schmiede,

Wie stark sie wären, müde

Von all den mächtigen Schlägen:

So rangen um den Preis die Degen.


Wer aber wird sie preisen,

Daß die unweisen

Sich ohne Feindschaft schlagen

Nur um Preis zu erjagen?

Keiner hat am Andern Theil:[47]

Was boten sie ihr Leben feil?

Sie thaten nie sich was zu Leide:

Das musten sie gestehen beide.


Ein starker Ringer war Gawan,

Zu Boden warf er Jedermann,

Konnt er unters Schwert ihm springen:

Den seine Arme befiengen

Zwang er wozu er wollte.

Nun er sich wehren sollte,

Wollt er wehrlich gebahren.

Der Held, im Kampf erfahren,

Ergriff den Jüngling mit Gewalt,

Der auch mit Kraft die Kraft vergalt,

Und zwang ihn hurtig unter sich.

Er sprach zu ihm: »Held, nun versprich

Sicherheit, willst du noch leben.«

Doch wollte sich ihm nicht ergeben

Lischois noch; bis diese Zeit

Hatt er noch nie geboten Sicherheit.

Es däucht ihn wunderlich genug,

Daß ein Mann die Stärke trug,

Die ihn zwänge zu bedingen

Was er nie sich ließ entringen:

Sicherheit ihm abgedrungen,

Die er nur selbst im Kampf erzwungen.[48]

Hier wars ihm schlimm ergangen;

Oft hatt er selbst empfangen

Was er nicht weiter mochte geben:

Statt Sicherheit bot er sein Leben

Und sprach: Geschäh, was immer,

Fianze böt er nimmer:

Er hätt es auch nicht nöthig,

Er wär zum Tod erbötig.


Da sprach der Unterliegende:

»Bist Du nun, Held, der Siegende?

Ich wars, so lang Gott wollte,

Daß Preis mir bleiben sollte.

Nun hat mein Preis ein Ende

Durch die Kraft deiner Hände.

Hört nun Mann und Männin,

Daß ich überwunden bin,

Des Preis so siegreich strebt' empor,

Den Tod zu sterben zieh ich vor

Eh meine Freund und Lieben

Solche Botschaft soll betrüben.«

Ihm zu sichern, mahnte Gawan ihn;

Doch stand sein Will und all sein Sinn

Nur auf des Leibs Verderben

Oder ein jähes Sterben.

Da dachte mein Herr Gawan:[49]

»Was soll ich tödten diesen Mann?

Wollt er mir zu Gebote stehn,

Gern ließ' ich ihn gesund entgehn.«

Er macht' ihm solch Gedinge kund;

Doch nicht gelobt' es Jenes Mund.


Auf ließ er doch den Weigand

Ohne sichernde Hand.

Sie setzten beide sich aufs Gras.

Gawan des Leides nicht vergaß,

Daß sein Pferd so elend sei.

Da fiel ihm der Gedanke bei,

Mit Sporn und Schenkel zu erproben

Ob des Besiegten Ross zu loben.

Wohlgewappnet wars zum Streit;

Der Couvertüre Ueberkleid

War aus Sammt und Pfellel zugeschnitten.

Da ers im Kampfe hatt erstritten

Was sollt er es nicht reiten?

Sein Recht wer kanns bestreiten?

Der Held bestiegs: da gieng es so,

Seiner weiten Sprünge ward er froh.


»Gringuljet,« rief Gawan,

»Bist dus, das mit Verrath Urjan,

Er weiß wohl wie, von mir erwarb[50]

Und seinen Preis damit verdarb.

Wer hat dich nun gewappnet so?

Gewiss du bists, Gott macht mich froh,

Der mir so schön dich wiedersendet,

Wie er manchen Kummer wendet.«

Der Degen stieg herab und fand

Des Grales Wappen eingebrannt,

Eine Turteltaube, seinem Bug.

Lählein gewanns, denn er erschlug

Tjostierend Den von Prienlaskross.

Orilusen gab er dieses Ross,

Der es dann Gawanen gab

An des Plimizöls Gestad.


Darob gewann der Degen gut

Wieder fröhlichen Muth;

Doch zwang ihn Minne bald aufs Neue

Und die dienstbare Treue,

Die er zu seiner Herrin trug,

Nach der, that sie ihm gleich genug

Zu Leid, all sein Gedanke rang.

Lischois indes, der Stolze, sprang

Und hob vom Boden auf sein Schwert,

Das Gawan der Degen werth

Ihm entwunden. Viel der Frauen

Wollten ihr ander Kampfspiel schauen.
[51]

Die Schilde waren so zerschlagen,

Man ließ sie liegen wo sie lagen

Und eilte bloß in den Streit.

Jedweder drang bei guter Zeit

Heran zu herzhafter Wehr.

Ob ihnen saß ein Frauenheer

In den Fenstern auf dem Saal

Den Kampf zu schauen allzumal.

Da hob sich erst ein grimmer Zorn.

Jedweder war so hochgeborn,

Sein Preis es ungern litte,

Wenn ihn Jener niederstritte.

Da kamen Helm und Schwert in Noth,

Die allein sie schirmten vor dem Tod.

Wer da sah, wie sie die Hiebe schnellten,

Der ließ es gern für Arbeit gelten.


Lischois Giwelljus wehrte sich,

Der schöne Jüngling, ritterlich:

Kühnheit und vermeßne That

War seines hohen Herzens Rath.

Er schlug manch schnellen Schwertesschwang,

Indem er bald von Gawan sprang,

Balo wieder heftig ein auf ihn.

Gawan hielt es fest im Sinn,[52]

Er dachte: »Krieg ich dich zu faßen.

Ich will es dich schon büßen laßen.«


Da sah man Funken sprühen

Und geschwungne Schwerter glühen

In der starken Männer Hand.

Sie trieben sich von ihrem Stand

Vorwärts, rückwärts und zur Seite.

Rache rief sie nicht zum Streite,

Auch trieb sie keine Feindschaft an.

Da ergriff ihn Herr Gawan

Und warf ihn unter sich mit Kraft:

So möcht ich ungern Brüderschaft

Mit Umhalsung schließen;

Sie würd auch euch verdrießen.


Gawan heischte Sicherheit:

Dazu ist jetzt so unbereit

Lischois, den er niederhält,

Als da er ihn zuerst gefällt.

Er sprach: »Du säumst dich ohne Noth:

Satt Sicherheit biet ich den Tod.

Aller Preis, den je ich fand,

Nun tilg ihn deine werthe Hand.

Da ich in Gottes Haß verfiel,

Damit hat doch mein Preis ein Ziel.

Seit ich um Minne dienstbar bin[53]

Orgelus, der edeln Herzogin,

Muste mancher werthe Degen

Seinen Preis in meine Hände legen:

Kannst du mich nun ersterben,

Magst du viel Preis ererben.«


Da dachte König Lotens Kind:

»Nein, das bin ich nicht gesinnt,

Denn ich verlör des Preises Huld,

Erschlüg ich ohne seine Schuld

Den unverzagten Helden jetzt.

Sie hat ihn ja auf mich gehetzt,

Deren Minne mich auch zwingt

Und mir so viel Kummer bringt:

Ihr zu Lieb will ich ihn schonen.

Soll sie mir künftig lohnen,

Er kann es doch nicht wehren

Will mirs das Glück gewähren.

Hat sie unsern Kampf gesehn,

So muß sie mir wohl eingestehn,

Daß ich um Minne dienen kann.«

Da sprach mein Herr Gawan:

»Wohlan, der Herzogin zu Ehren,

Will ich dich nicht Sterben lehren.«


Sie waren müd, nicht wunderts mich.

Er ließ ihn auf; sie setzten sich[54]

Beide von einander fern.

Da sahen sie des Kahnes Herrn

Vom Waßer steigen auf das Land.

Er gieng und trug auf seiner Hand

Einen jährgen Falken grau.

Dieß Recht besaß er an der Au

Zu Lehn: wenn man da tiostierte,

Daß ihm dessen Ross gebührte,

Der da den Unsieg fände:

Und der ihn überwände,

Dem sollt er dankend neigen,

Seinen Preis nicht verschweigen.

Oft hatt er solchen Zins genommen:

Es war sein einzig Einkommen,

Wenn einer Lerche nicht etwa

Von seinem Falken Leid geschah.

Ihm gieng zu Feld kein andrer Pflug;

Doch däucht ihn dieß Besitz genug.

Er war zum Ritterstand geboren

Und früh zu edler Zucht erkoren.


Nun trat er hin zu Gawan:

Um den Zins von seinem Plan

Bat er mit Bescheidenheit.

Da sprach der Degen kühn im Streit:

»Herr, ich bin kein Kaufmann,[55]

Daß ich euch Zoll entrichten kann.«

Der Herr des Schiffs versetzte da:

»Herr, der Fraun so manche sah

Euch hier den Preis erlangen

Laßt auch Mich mein Recht empfangen:

Mein Recht nur sei mir zuerkannt.

In rechter Tjost hat eure Hand

Mir dieses Ross erworben.

Euer Preis ist nicht verdorben,

Denn eure Hand hat Ihn gefällt,

Dem den höchsten Preis die Welt

Mit Wahrheit gab bis diesen Tag.

Euer Preis und des Geschickes Schlag

Hat ihm des Sieges Lust genommen;

Doch Euch ist großes Heil gekommen.«


Gawan sprach: »Er stach mich nieder;

Erholt ich auch mich wieder.

Gebührt euch Zins von Tjosten,

Geh der Zins auf seine Kosten.

Hier seht ihr, Herr, die Mähre,

Die des Siegers billig wäre.

Nehmt sie, wenn es euch gefällt;

Der dieses Ross für sich behält,

Bin ich: es muß mich hinnen tragen,

Solltet ihr nie ein Ross erjagen.[56]

Ihr spracht von Recht; soll Recht entscheiden,

So dürft ihr selber es nicht leiden,

Daß Ich zu Fuß von hinnen geh.

Gewiss, es thäte mir zu weh,

Sollte Dieß Ross euer sein.

Es war ganz unbestritten mein

Noch heute Morgen in der Frühe.

Glaubt ihr, ihr nähmt es ohne Mühe,

Ihr rittet sanfter einen Stab.

Der mir dieß Ross zu eigen gab

War Orilus der Burgondois.

Urjan, der Fürst aus Punturtois,

Hat es mir dann gestohlen.

Eines Maulesels Fohlen

Möchtet ihr eh gewinnen.

Auf Ersatz doch will ich sinnen:

Ihr haltet jenen Mann so werth:

Statt des Pferds, das ihr begehrt,

Nehmt Ihn, der's ritt in diesem Streit.

Ob es ihm lieb ist oder leid,

Ich kehre wenig mich daran.«

Da freute sich der Schiffmann.


Er sprach mit lachendem Mund:

»Nie ward mir reichre Gabe kund,

Wenn das Glück nur wollte,[57]

Daß ich sie haben sollte.

Wenn Ihr sie, Herr, im Ernst gewährt,

Das ist weit mehr als ich begehrt.

Fürwahr, stäts klang sein Lob so hell,

Fünfhundert Rosse stark und schnell

Nähm ich sicher nicht für Ihn:

Auch wärs mein großer Ungewinn.

Ihr macht mich zum reichen Mann.

Nur um eins noch halt ich an,

Genügt euch anders die Kraft:

Daß Ihr in meinen Kahn ihn schafft;

So seid ihr mild und hochgesinnt.«

Da sprach König Lotens Kind:

»In den Kahn und hinaus

Und hinein in euer Haus

Schaff ich ihn euch gefangen.«

»So werdet Ihr wohl empfangen,«

Sprach der Schiffmann. Nicht verschweigen

Wollt er großen Dank mit Neigen.


Da sprach er: »Lieber Herre mein,

Geruht auch selbst mein Gast zu sein

In meinem Hause diese Nacht.

Größre Ehre zugedacht

Ward keinem Fergen je wie ich.

Glücklich preist mich männiglich,[58]

Bewirth ich solchen werthen Mann.«

Da sprach mein Herr Gawan:

»Ich wollt euch selber schon drum bitten.

So müde hab ich mich gestritten,

Daß mir wohl Ruhe wäre Noth.

Die mir dieß Ungemach gebot,

Weiß ihre Süße wohl zu säuern,

Dem Herzen Freude zu vertheuern;

An Sorgen macht ihr Dienst es reich:

So ist ihr Lohn sich selbst nicht gleich.

O weh dir, Fund, du bist Verlust:

Du senkest mir die Eine Brust,

Die sonst empor begehrte,

Da mir Freude Gott gewährte.

Da ward ein Herz gefunden:

Nun, fürcht ich, ists verschwunden.

Wie soll ich Trost nun finden,

Muß ich mich unterwinden

Solcher Sehnsucht nach Minne?

Folgt sie weiblichem Sinne,

Sie soll mir Freude schenken

Statt mich in Leid zu senken.«


Der Schiffmann hörte, daß er rang

Mit Sorg und daß ihn Minne zwang.

»Das ist hier Brauch, Herr,« hub er an,[59]

»In dem Forst und auf dem Plan,

Soweit Klinschor Gebieter ist.

Ob ihr Muth habt oder misst,

Anders geht es nicht als so,

Heute traurig, morgen froh.

Euch ists vielleicht noch unbekannt:

Nichts als Wunder ist dieß Land,

Das währt hier immer, Nacht und Tag;

Nur Glück bei Mannheit helfen mag.

Die Sonne seh ich niedrig stehn:

Laßt uns, Herr, zu Schiffe gehn.«

Also bat der Schiffmann.

Lischoisen führte Gawan

Mit sich an des Schiffes Bord.

Da folgte sonder Widerwort

Ihm der Held geduldiglich.

Der Schiffmann zog das Ross mit sich.


Sie fuhren über. Am Gestad

Der Fährmann Gawanen bat:

»Seid selber Wirth in meinem Haus.«

Das war so herrlich überaus,

Daß zu Nantes kaum, wo Artus saß,

Sich sein Haus mit diesem maß.

Lischoisen führte Gawan ein.

Der Wirth und das Gesinde sein[60]

Nahmen sich des Gastes an.

Zu seinem Töchterlein begann

Der Wirth und sprach zur holden Maid:

»Gut Gemach und frohe Zeit

Schaff meinem Herren, der hier steht;

Mir ist lieb, wenn ihr beisammen geht.

Nun so dien ihm unverdroßen:

Durch ihn ist Heil uns zugefloßen.«


Seinem Sohn befahl er Gringuljeten.

Was er das Mägdlein gebeten,

Das ward mit großer Zucht gethan.

Mit der Maid darauf Gawan

Zu einer Kemenaten gieng,

Wo den Estrich überfieng

Bins und Blumen frisch geschnitten

Als Gestreusel nach des Landes Sitten.

Da entwappnete sie ihn.

»Würd euch der Dank von Gott verliehn!«

Sprach Gawan. »Frau, es schafft mir Noth;

Es ist des Vaters Gebot,

Sonst dientet ihr mir allzusehr.«

Da sprach sie: »Ich dien euch mehr,

Daß ich eure Huld erringe,

Herr, als um andre Dinge.«
[61]

Des Wirthes Sohn, ein Knappe, trug

Weicher Betten genug

An die Wand der Thür entgegen,

Und gieng dann einen Teppich legen:

Da sollte sitzen Gawan.

Der Knappe gieng und brachte dann

Ein Kissen von lichtem Glanz,

Aus rothem Zindal war es ganz;

Auch ward dem Wirth ein Sitz gelegt.

Ein andrer Knappe kommt und trägt

Linnen auf den Tisch und Brot;

Beides nach des Wirths Gebot.

Die Hausfrau kam um nachzusehn:

Als sie den Gast sah vor sich stehn,

Herzlich willkommen hieß sie ihn.

Sie sprach: »Ihr habt uns viel verliehn;

Die Gabe hat uns reich gemacht:

Ich seh, daß unser Glück noch wacht.«


Da nun der Wirth war gekommen

Und das Waßer Gawan schon genommen,

Da that er eine Bitte kund

Seinem Wirth mit holdem Mund:

»Laßt mit mir eßen diese Magd.«

»Herr, es ist ihr untersagt,

Daß sie mit Herren äße[62]

Und so nah bei ihnen säße:

Sie überhebt sich sonst zu sehr.

Doch gilt mir euer Wunsch noch mehr:

Tochter, thu all sein Verlangen;

Es sei dir im Voraus verhangen.«


Wohl ward vor Scham die Süße roth;

Doch that sie was der Wirth gebot.

Da saß bei Gawan Bene.

Starker Söhne zweene

Hatt außer ihr der Wirth erzogen.

Sein jährger Falke hatt erflogen

Am Abend drei Galander:

Die ließ er miteinander

Gawanen bringen alle drei,

Und eine Brühe dabei

Mit Anstand legt' ihm vor die Maid.

Sie wust ihm auch mit Freundlichkeit

Gute Bißen auszusuchen,

Die sie auf weißem Kuchen

Ihm bot mit klaren Händen.

»Wollt ihr meiner Mutter senden

Der gebratnen Vögel einen?

Sie bekommt sonst heute keinen,«

Sprach die Jungfrau zu Gawan.

Er sprach zum Mägdlein wohlgethan,[63]

Daß er ihren Willen thäte

Hierin, und Was sie sonst ihn bäte.

Ein Galander ward gesandt

Der Wirthin. Seiner milden Hand

Ließ sie großen Dank vermelden,

Und Dank entbot der Wirth dem Helden.


Da wurde noch in Essig

Portulack und Lattich

Von einem Sohn des Wirths gebracht.

Nicht hilft zu großer Leibesmacht

Auf die Länge solche Nahrung;

Auch macht sie bleich, lehrt die Erfahrung.

Solche Farbe thut mit Wahrheit kund

Was genoßen hat der Mund;

Doch falsch sind aufgelegte Farben;

Die müßen alles Lobes darben.

Ergiebt der Treu ein Weib sich ganz,

Die, dünkt mich, trägt den schönsten Glanz.


Genügte Gawan guter Willen,

So mocht er hier den Hunger stillen:

Keine Mutter gönnt dem Kind das Brot

So gern, als ihm der Wirth es bot.

Die Tische wurden weggebracht;

Die Wirthin wünscht' ihm gute Nacht.[64]

Zur Stelle trug man manches Bette

Zu des Helden Ruhestätte:

Von Flaum das Eine ganz und gar,

Ein grüner Sammt die Zieche war;

Kein Sammt zwar von der höchsten Art,

Es war ein Sammet-Bastard.

Ein leichtes Kissen dient' als Decke,

Daß sich Gawan darunter strecke;

Der Ueberzug schien lautres Gold,

Fern aus der Heidenschaft geholt,

Gesteppt auf Palmenseide.

Jedoch zum Ueberkleide

Zog man zwei weiße Linnen auf.

Auch kam ein Ohrkissen drauf,

Und ein neuer Mantel, ihm geliehn

Von der Magd, aus reinem Härmelin.


Urlaub nahm von seinem Gast

Der Wirth, bevor er gieng zur Rast;

Gawan verblieb, ward mir gesagt,

Allein zurück, mit ihm die Magd.

Hätt er mehr von ihr begehrt,

Sie hätt es ihm vielleicht gewährt.

Doch schlaf auch Er, wenn ers vermag;

Gott hüte sein bis an den Tag.


Quelle:
Wolfram von Eschenbach: Parzival und Titurel. 2 Bände, Stuttgart 1862, Band 2, S. 4-65.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Parzival
Parzival. Text und Übersetzung. Mittelhochdeutscher Text: Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text Nach Der Sechsten Ausgabe Von Karl Lachmann. Mit ... Und in Probleme Der Parzival-interpretation
Parzival - Band 1: Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch
Parzival - Band 2: Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch
Parzival: Band 1 und 2
Parzival I und II (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch)

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon