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[8] Der Vater ist zurückgekommen, liebe Bertha. Es ist gleich ein andres Leben, es giebt zu schaffen, zu sorgen. Wie gern thue ich das für den, den ich ehre! Als ich ihn den Berg heran reiten sah, wallte ihm mein Herz entgegen. Nach kurzer Entfernung ist's uns, als träte das ganze Wesen derer die wir lieben, klarer und höher vor unsre Seele. Edel und stattlich saß er auf seinem stolzen Rappen, und sein aufschauendes, glänzendes Auge, suchte unsre Liebe an den Burgfenstern. Ich wollte ihm entgegen fliegen, als ich bemerkte, daß ein fremder Ritter hinter ihm herritt, und ich erwartete ihn mit der Mutter an den Burgpforten. Herzlich schloß uns der Vater in seine[8] Arme, und hieß uns den Begleiter, den Ritter von Plankenfels, gastlich zu empfangen. Es ist ein feiner, eben nicht häßlicher Mann, der Manches zu erzählen weiß von den welschen Kriegen, von den Ritterthaten unsres Kaisers Maximilian: aber seine Worte sind nicht wie die des Vaters, gerade zum Herzen dringend, und eine neue Welt lebendiger Bilder vor die Seele führend, so daß einem wird, als wäre man selbst dabei gewesen, im Gewühl der Schlacht, bei der Feier des Sieges.

Er warf neugierige Blicke auf mich, das mißfiel mir gleich am ersten Abend. Ach, ich kenne ja andere – sie stehen mir immer vor dem innern Seelenauge! –

Der Ritter sprach auch zuviel von seinen Burgen am Rhein; möge er bald wieder dorthin ziehen!

Auch sprach er mit Härte, beschränkter, gefühlloser Strenge von dem Wesen Luthers, von Erregen und den Ansprüchen des Landvolks.[9] Wie ganz anders spricht der Vater! Ernst mißbilligend, aber die Gerechtigkeit und helle Einsicht wohnt auf seiner offnen Stirn, und der Muth, den diese geben, in der befreiten Brust. Kleinliche Furcht macht hart und grausam. Wer allen Gestalten des Lebens zu begegnen weiß, beherrscht sie. Nie hat mein Vater fremdes Recht gekränkt, und wird fest auf dem seinen beharren, aber sein edles Herz ist fremder Noth empfänglich, und sein offnes Auge schaut wolkenlos wie ein blauer Frühlingshimmel in das Treiben der Eigensucht und menschlicher Eitelkeit hernieder. Gar nicht gefiel es mir an diesem Ritter, daß er lang und breit vom Hoflager des Kaisers sprach, von seiner Gunst – über die er im Hinterhalt seines Lächelns mehr zu verbergen schien, als er sagte. Wie warm hängt mein Vater an dem edlen ritterlichen Max! er würde Gut und Leben für ihn opfern – für ihn – nicht für seine Gunst, als Ritter, nicht als Höfling. Ja, mein Vater ist ein Mann, Franz von Sickingen und noch Einer.[10] – Thörigtes Mädchen, wirst Du sprechen, das haben Dich wenige Stunden gelehrt!

Quelle:
Caroline von Wolzogen: Erzählungen. 2 Bände, Band 2, Stuttgart und Tübingen 1826, S. 8-11.
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