[Widmung]

Der Allerdurchlauchtigsten/ Großmächtigsten und Unüberwindlichsten Kayserin,

Anna Joannowna, Der Grossen,

Souverainin aller Reussen, Mutter des Vaterlandes etc. etc. etc.

Meiner Allergnädigsten Kayserin.


Unüberwindlichste und Größte Kayserin!

Verzeihe, daß ich mich, so schlecht ich immer bin,

Zu Deinem Kaysers-Thron und höchsten Purpur wage,

Ich, die ich stets Dein Bild in meinem Herzen trage.[3]

Vergieb Großmächtigste! wenn dieses schwache Blat

Die Thaten Deines Arms zu seinen Inhalt hat.

Erlaube, daß ich Dir ein stilles Opfer bringen;

Die Großmuth Deiner Brust, die Majestät besingen,

Und Dich bewundern darf. Ihr Musen! steht mir bey,

Und führet Hand und Kiel; die Cyther ist noch neu,

Dieweil ihr mich jüngsthin zum Mitglied aufgenommen.


Kaum war ich dazumahl auf eurem Pindus kommen,

Von dessen steiler Höh, die fast dem Himmel gleich,

Mein Auge fähig war ein jedes Königreich

In einem schnellen Blick vergnügt zu übersehen,

Als eine Stimme rief: Triumph! es ist geschehen!

Die Ehrfurcht nahm mich ein; die Freude riß mich hin:

Denn ich erblickte hier Die Höchste Kayserin,[4]

Aus deren Angesicht ein himmlisch Feuer blitzte,

Und deren Helden-Arm so Volck als Land beschützte,

Ich stund, als wie entzückt. Nichts kam an Pracht und Zier

Der Tapfern Heldin bey. Sie gieng, ich folgte Ihr

Mit meinen Augen nach. Ihr Fuß betrat die Stuffen,

Wo man den Krieges-Gott um Beystand anzuruffen,

Und zu verehren pflegt. Die Ursach war der Sieg,

Den Ihre Völker jüngst in dem geführten Krieg,

Mit der beschnittnen Schaar beherzt erfochten hatten;

Drum eilte Sie den Dank dem Mavors abzustatten.

Sie zog recht prangend ein; ein jeder der Sie sah,

Blieb vor Verwundrung stehn und rief Victoria!

Der Feind, der Ihrem Schwerd sich unterwerffen müssen.

Lag dort und krümte sich beschämt zu Ihren Füssen

List, Untreu, Bosheit, Stolz, Betrug und Tyranney[5]

Erhielten ihren Lohn benebst der Barbarey,

Und musten voller Spott, und unter Furcht und Grämen

Mit Fesseln angethan, den Weg zum Tempel nehmen.

Nach ihnen kam der Ruf, zur linken Hand die Zeit;

Ihr Absehn vor der Welt die seltne Tapferkeit;

Die Macht Der Kayserin, und was in diesen Tagen

Durch Ihren Arm geschehn dem Erd-Kreyß vorzutragen.

Sie zeigten überall die grossen Wunder an,

Die das gezückte Schwerd Der Kayserin gethan.

Ihr Mund, der niemahls schwieg, ward weder mat noch müde.

Gleich vor Der Kayserin gieng Gnade Lieb und Friede,

Die Andacht, Gottesfurcht, die Sanftmuth, Freundlichkeit,

Die Großmuth, Wahrheit, Ernst, Huld und Gelassenheit,

Nebst andern Tugenden. Dann kam mit Gold umhangen,

Voll Glanz und Majestät, Die Kayserin gegangen.

Die Gröste Kayserin, so je die Welt gesehn,[6]

Und jemahls finden wird, so lang die Sterne stehn.

Die Klugheit muste Sie an Ihrer rechten Seiten,

So wie zur linken Hand die Tapferkeit begleiten,

Und zwar im schönsten Schmuck. Ihr folgte auf dem Fuß

Glück, Ehre, Freude, Sieg, Gehorsam, Uberfluß,

Und Treu und Ehrfurcht nach. So bald nun Diese Grosse

Und Tapfre Kayserin, Die Gott und Glück im Schooße

Und in den Armen ruht, in solchem Götter-Staat

Und höchster Majestät in Mavors Tempel trat;

Ließ sich der Krieges-Gott mit einer holden Miene,

Die tapfermüthig gnug und unerschrocken schiene,

Jedoch darneben auch sehr ehrerbietig war,

Vor Ihren Augen sehn, nicht ferne vom Altar,

Auf welchem nach Gebrauch der Weyhrauch brennen solte.

Es war bereits an dem, daß Sie ihm opfern wolte[7]

Vor dem erhaltnen Sieg: Gleich in dem Augenblick

Ergrief er Ihre Hand und hielte sie zurück

Wie? sprach er, Kayserin! wilst Du mich so beschämen?

Ich kan und darf von Dir kein solches Opfer nehmen;

Du bist der Opfer werth; ich danke Dir vielmehr,

Daß Du mir durch Dein Schwerd und tapfres Krieges-Heer

Gelegenheit ertheilt, mit meinen blanken Waffen

Dir Ehre, Ruhm und Sieg; dem Reiche Ruh zu schaffen.

Geht, rief er freudig aus, geht, bringt mir ohn Verzug

Die stärkste Rüstung her, die einst Achilles trug,

Und hier im Tempel hängt; ich will statt Gold und Seiden

Die Grosse Kayserin in diesen Harnisch kleiden.

Nun, fuhr er liebreich fort, o Höchste Kayserin!

Nim diesen Waffen-Schmuck von meinen Händen hin;

Es kan fast keiner nicht, ich muß es selber sagen,[8]

Mit grössrer Würdigkeit als Du die Rüstung tragen.

Kein Feind, so stolz er ist, und solt er Feuer speyn,

Wird Dir und Deinem Reich hinführo schädlich seyn.

So wenig als Dein Ruhm wird untergehn und sterben,

So wenig wirst Du auch in diesem Schmuck verderben.

Verfolge Deinen Feind, so, wie bisher geschehn,

Und glaube nur der Sieg wird Dir zur Seiten stehn.

Er schwieg; Die Kayserin ließ sich dadurch bewegen,

Achillens Helm und Schild und Harnisch anzulegen.

Nachdem Sie ihm gedankt, begab Sie Sich zurück.

Die Feinde, welche Sie gleich auf dem ersten Blick

In solcher Rüstung sahn, die noch mehr Glanz erhielte,

Weil nichts als Majestät aus Aug und Antlitz spielte,

Geriethen allesammt in Schrecken, Furcht und Graus,

Und ruften: Himmel hilf! nun ist es mit uns aus[9]

Ich selber weiß fast nicht wie mir dabey geschehen.

Als ich so viele Pracht und Herrlichkeit gesehen.

Die höchste Majestät von Dieser Kayserin

Verwirrte mein Gesicht entzückte meinen Sinn;

Ihr Bild war mir so tief und fest ins Herz gedrücket,

Daß ich, so bald ich nur den Musen-Gott erblicket,

Ihm fragte: O! wer ist dieß Götter gleiche Bild!

Die Grosse Kayserin, Die ich in Helm und Schild

Und Harnisch vor mir seh? Die stets so glücklich krieget?

Die Ihre Feinde schlägt, und unaufhörlich sieget?

Die voller Majestät aus Mavors Tempel gieng,

Und diesen Waffen-Schmuck von seiner Hand empfieng?

Es muß doch Anna seyn, die Rußlands Scepter führet,

Und diese Monarchie so klug und wohl regieret!

Apollo rief mir zu: ja! ja du schliessest recht:[10]

Sehr wenig Sterbliche aus Fürstlichem Geschlecht

Sind Annens Majestät und Hoheit zu vergleichen;

Vor Ihr muß Hercules, ja selbst auch Hector weichen.

So mancher Sieges-Kranz, der Haupt und Schläfe deckt,

Zeigt von der Tapferkeit, die Feind und Untreu schreckt.

Ihr Arm zückt kaum das Schwerd, und läßt den Sebel blinken,

So must der Feinde Stolz und frecher Hochmuth sinken.

Das Glücke pfleget stets mit Ihr im Krieg zu gehn;

Vor Ihr kan Hannibal und Cäsar nicht bestehn.

Ein Blick ist schon genung den Feind in Furcht zu setzen;

Ihr Ansehn kan so leicht erschrecken als ergötzen.

Wer sucht Ihr Bündniß nicht? welch Volk und welcher Staat

Begehrt nicht Ihre Gunst und wohlbedachten Rath?

Den Feinden ist Ihr Nam ein Donner, Blitz und Schauer;

Dem Freund und Unterthan ein Schatten, Schutz und Mauer.[11]

Was sich nur Menschlich nennt verehrt und liebet Sie,

Man bethet Sie fast an, und beuget Haupt und Knie.

Drum auf Sidonia! Du must vor allen Dingen

Auch Dieser Kayserin ein Demuths-Opfer bringen.

So schwer und fürchterlich Ihr Arm den Feinden ist;

So gnädig werden die empfangen und begrüßt,

Die sich vor Ihrem Thron in tiefster Demuth beugen,

Und ein verlangend Herz nach Ihrem Schutz bezeigen.

Sie liebt die Wissenschaft, und ist darauf bedacht,

Daß Sie Ihr grosses Reich zu einem Garten macht,

Wo Sitten, Weisheit, Kunst, Gelehrsamkeit und Wissen

Im schönsten Flore stehn. Sie ist mit Ernst befliessen,

Mir Tempel aufzubaun; Ihr Purpur schützet mich

Und meine Musen Schaar; Getrost! und fasse dich.

Hier schwieg Apollo still, und setzte mein Gemüthe,[12]

Das vor Verwunderung ganz auser sich geriethe,

In tausend Kümmerniß. Wie? sprach ich: Grosser Fürst!

Ich hoffe daß du jetzt mich nicht betrüben wirst;

Was meinst du solt ich mich so frey und kühne wagen,

Der Grösten Kayserin die Gaben vorzutragen,

Die keine Kostbarkeit in ihren Umfang sehn;

Die nur in Wort und Reim und in Papier bestehn?

Nur Rosen, welche noch in ihren Knospen stecken,

Sind was ich bringen kan. Soll dieß nicht Zorn erwecken,

Wenn ich Die Kayserin, Die selbst das Ruder faßt,

Das Schwerd in Händen führt, und die Regierungs-Last

Gleich einen Atlas trägt, durch mein Geschenk verstöhre?

Nein Phöbus! es sey fern, daß ich so kühne wäre!

Apollo fiel mir drein: o fürchte dieses nicht,

Der Russen Kayserin verklärtes Angesicht,

Und Großmuthsvolles Herz, wird dieß dein Unternehmen[13]

Das lauter Ehrfurcht hegt warhaftig nicht beschämen.

Trieb, Ehrerbietung, Furcht bestritten mein Gemüth;

Zuletzt erwehlt ich doch, was mir Apollo rieth.


Unüberwindlichste! Großmächtigste der Erden!

Monarchin! Die an Ruhm nicht kan gefunden werden,

Ich wage mich zu Dir in Unterthänigkeit;

Ich komm und werffe mich jetzt vor Dein Purpur-Kleid

Und höchsten Kaysers-Thron zu Deinen Füssen nieder,

Und bitte demuthsvoll, nimm meine schlechte Lieder,

Die Rosen welche noch in ihren Knospen sind,

An denen man noch nicht die rechte Schönheit findt,

So gern und gnädig an, als jetzo ehrerbietig

Sie meine Hand Dir giebt. Dein Herz ist edelmüthig.

Die Hoffnung schmeichelt mir, Du werdest auf mich sehn,

Und diesen Rosen-Strauß aus Gnaden nicht verschmähn.[14]

Die Allmacht lasse Dir statt schlechter Rosen-Blätter,

Den Palm- und Lorbeer-Baum, den nie ein Donner-Wetter

So leicht zersplittern kan, um Deine Schläfe blühn,

Und Deine Lebens-Zeit in güldnen Faden ziehn.

So wird die späte Welt einst aus der Asche lesen,

Du seyst auf Rußlands Thron die mächtigste gewesen.


Erfurt den 28ten April 1738


Sidonia Hedwig Zäunemannin.[15]

Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. III3-XVI16.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Poetische Rosen in Knospen
Das Ilmenauische Bergwerk: aus

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Der historische Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges erzählt die Geschichte des protestantischen Pastors Jürg Jenatsch, der sich gegen die Spanier erhebt und nach dem Mord an seiner Frau von Hass und Rache getrieben Oberst des Heeres wird.

188 Seiten, 6.40 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon