Auf das Absterben Sr. Hochwürdigen Magnificenz Herrn Doctor Jochs, Professoris, Probstens und Consistorial-Assessoris zu Wittenberg

[153] den 19. Weinmon. 1731.


Ach ungerechter Tod! der nur die Menschen plaget;

Du quälest sie mit Angst, mit Jammer, Weh und Noth;

Du raubst uns alle Lust; die Freude wird verjaget.

Ach Schreckens-voller Gast! Ach ungerechter Tod!


Ist das nicht ungereimt, daß Joch durch dich erblasset,

Ein solcher Theurer Mann, der keine Zeit versäumt,

In der er nicht gelehrt, wie man Gott brünstig fasset,

Und ihn im Glauben küßt: Ist das nicht ungereimt?


Ach Schmerz! der fällt dahin, der harte Herzen schreckte,

Und Sünder niederschlug; doch auch den blöden Sinn,

Und den betrübten Geist durchs Wort des Trosts erweckte,

Und ihnen Labsal gab. Ach Schmerz! Der stirbt dahin.
[153]

O ungerechter Tod! der keinen Menschen achtet;

Er sey gelehrt und fromm, er blühe weis und roth;

Der nichts nach Schönheit fragt, der keinen Stand betrachtet,

Der keines Weisen schont; o ungerechter Tod!


Heist das wohl recht gethan die Priester hinzureisen,

So uns nach Hirten-Art zu schönen Himmels-Bahn

Und zur Gerechtigkeit die rechten Wege weisen,

Und klug und weise sind? Heist das wohl recht gethan.


Ein Doctor liegt erblaßt und muß sich vor dir schmiegen;

Der, dessen güldner Mund fast sonder Ruh und Rast

Nur stets bemühet war die Herzen zu vergnügen,

Muß jetzo sprachloß seyn. Ein Doctor liegt erblaßt!


Drum klagt auch Elb-Athen: Ach! daß der Mann gestorben,

Der mich gelehrt, genehrt und auf mein Glück gesehn,

Der mir durch seinen Mund viel Glanz und Ruhm erworben,

Und mich gestützet hat! drum klagt auch Elb-Athen.


Viel weisen sind betrübt, weil man ins Grab getragen,

Den, der sie sonst geehrt; und brüderlich geliebt,

Sie können nun nicht mehr wie vormahls Bruder! sagen.

Der grosse Joch ist todt. Viel Weisen sind betrübt.
[154]

Es weint die Geistlichkeit, dieweil ihr Schmuck gesunken,

Ihr Demant ist hinweg; ihr Gold mit Sand bestreut,

Drum werden sie vom Leid, als wie vom Weine trunken.

Es weint bey seinem Tod die ganze Geistlichkeit.


Sieh, wie der Tempel klagt! darinnen du gelehret,

Und jedermann getrost und ohne Scheu gesagt,

Was heilig und gerecht, und was dem Herrn gehöret,

Ach dein Verlust ist groß! Sieh, wie der Tempel klagt!


Die Hörer sind bestürzt, dieweil sie nicht mehr hören

Das Honig süsse Wort, und doch mit Salz gewürzt.

Sie können dich nicht mehr als ihren Hirten ehren.

Ach allzuharter Riß! die Hörer sind bestürzt.


Hört Zion heult und schreyt, daß dieser muß erliegen,

Der sie genehrt, gepflegt. Sie wußte oft ihr Leid,

Und ihre Feind' durch Ihn nachdrücklich zubesiegen.

Sie ward durch Ihn gebaut. Hört! Zion heult und schreyt.


Das ganze Lutherthum erhebet Klage-Lieder,

Weil eine Stütze fällt. Joch kämpfte stets mit Ruhm

Vor Kirche, Lehr und Wort, und vor die Glaubens-Brüder.

Drum weint bey Jochens Gruft das ganze Lutherthum.
[155]

Zwey Töchter, und Gemahl benetzen ihre Wangen,

Und sagen: Siehst du nicht Geliebter unsre Quaal!

Ach! warum bist du denn so früh von uns gegangen?

So sehr beklagen dich zwey Töchter und Gemahl.


Mein Vater Israel! so such ich nachzurufen:

Wie? eilest du so bald zur schwarzen Grabes-Höhl?

Man stellet dich zufrüh auf schwarz bedeckte Stufen,

Gewiß der Schmerz ist groß! mein Vater Israel!


Doch halt! Was klagt mein Mund, den Tod so zu verdammen?

Er führt und bringt uns ja zur ewgen Freuden-Stund.

Der Tod verlöscht und tilgt die starken Sünden-Flammen,

Und zieht uns zu den Herrn: Drum halt was klagt mein Mund?


Herr, und gerechter Gott, du kanst den Tod versüssen.

Der Himmel bringt uns Ruhm, die Welt zeigt Hohn und Spott.

O wunderschöner Tausch! dort können wir geniessen,

Der größten Herrlichkeit! Herr, und gerechter Gott!


Gott ist ein kluger Mann, der alles weis zu machen,

Wie es ersprießlich ist, und wie es nützen kan.

Ja selbst der kalte Tod befördert uns ein Lachen.

Drum kans nicht anders seyn, Gott ist ein kluger Mann
[156]

Gott macht das Sterben gut. Ein jeder wird gestehn:

Daß nun Herr Doctor Joch in stolzem Frieden ruht,

Er kan nun Gott den Herrn in seiner Klarheit sehen,

Er weis von nichts als Luft: Gott macht sein Sterben gut.


Er steht vor Gottes Thron und hört die Engel singen,

Wo alle Seeligen nach überstandnen Hohn

Und Trübsaal dieser Welt, das Halleluja bringen,

Er stimmt es auch mit an, und steht vor Gottes Thron.


Drum klaget nun nicht mehr! Schweigt! höret auf zu weinen!

Und wünscht Ihm tausend Glück zu dieser Himmels-Ehr;

Er wird nun als ein Stern von erster Größ erscheinen;

Er ist den Englen gleich: Drum klaget nun nicht mehr!

Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 153-157.
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