Auf Herrn Magister Kunads Namens-Tag

[303] Den 26. Jenner 1734.


Bellonens stolz- und kühner Mund

Spricht oft mit Hochmuths-vollen Mienen:

Durch mich wird jedes Herz verwundt,

Mit Ehrfurcht sucht man mir zu dienen.

Sie ruft: Sophiens Kinder-Chor

Geht meinen Söhnen niemahls vor.

Bellona schweig! laß dieß nicht hören.

Ich rühme deiner Diener Schaar;

Und gleichwohl sag ich offenbar:

Man muß weit mehr Sophien hören.
[303]

Man kan den Namen, tapfrer Held,

Durch kühne Faust durch Stoß und Waffen,

In der Belagrung und im Feld,

Bey einer Schlacht sich leicht verschaffen;

Wie oft bringt die Verzweifelung,

Dem Herzen eine Aenderung:

Man eilet mit verwegnen Sinnen

Bellonens Opfer-Heerd zu sehn,

Und Andachts-voll davor zu stehn,

Den Helden-Namen zu gewinnen.


Verzweiflung mehrt der Helden-Zahl,

Ein böser Sinn macht viel Soldaten.

Man siehet ja unzehlich mahl,

Wie viel auf diesen Schluß gerathen:

Doch bey Sophien gehts nicht an,

Kein Mensch darf sich derselben nah'n,

Den die Verzweiflung eingenommen.

Was folgt? Sophiens treuer Knecht,

Muß überall das Vorzugs-Recht

Vor einen tapfern Held bekommen.


Trotz immer zu, du Helden-Geist,

Auf Müh und Schweiß und Streit und Wachen.

Ich schwöre, wer ein Weiser heist,

Der lächelt über diese Sachen.

Wie viele Jahre bringt man zu;

Wie oft verkürzt man seine Ruh;

Wie viele Bücher muß man wissen;

Wie mancher Wort-Streit stellt sich ein,

Bevor wir in dem Stande seyn,

Sophiens Purpur-Saum zu küssen?
[304]

Doch wird ihr schöner Hermelin

Oft durch das Stümper-Volk beflecket.

Viel wollen ihr den Ruhm entziehn,

Weil sie den Thorheits-Grund entdecket.

Ihr Lästrer der Philosophie,

Schweigt! geht und beuget eure Knie

Vor ihrem hoch-erhabnen Sitze;

Was nutzt das Lästern ohn Versuch;

Thut einen Blick ins Biebel-Buch,

Und merkt, worzu die Weisheit nütze.


Hier seht ihr, wie das Licht der Welt,

Wenn seine Gegner Sätze brachten,

(Die mancher Thor vor gründlich hält,)

Damit sie ihn zu Schanden machten;

Wie er sie, sag ich, überführt,

Mit Gottes Wort, das kräftig rührt,

Wie auch mit Philosophschen Gründen.

Seht nur des Heylands Vortrag an,

Wie er so bündig schliessen kan;

Wer mag wohl einen Fehler finden?


Der Heyden Lehrer Paulus zeugt,

Er habe bey des Geistes Gaben,

Die Weisheit, so die Herzen neigt,

Nicht ausgetilget, noch vergraben.

Wie mancher tolle Secten Schwarm

Fiel durch des klugen Lehrers Arm,

Der sich mit Weisheit ausgerüstet.

So, daß der Feind das Feld verließ,

So bald er seinen Satz bewieß,

So sehr er sich zuvor gebrüstet.
[305]

Wo gründliche Gelehrsamkeit

Der Kirchen-Väter Herz nicht führet,

Da glaubt der Feind zu jederzeit,

Daß seine Thorheit triumphiret.

Er meint, der falschen Lehren-Zahl,

Sey ihm noch nicht ein einzig mahl

Gezeigt, erklärt und aufgedecket.

So lang man nicht Beweise bringt,

Und seinen Feind dadurch bezwingt,

So wird er niemahls abgeschrecket.


Ruhm, Vortheil, Nutzen, Heil und Glück

Kan dieß der Kirch zu wege bringen!

Der böse Sinn, der Boßheit Strick,

Wird aufgelößt und muß zerspringen.

Hierdurch mehrt sich der Weisen Zunft.

Die edle Freyheit der Vernunft,

Giebt Anlaß vieles zuergründen.

Wer recht und gründlich schliesen kan

Nimt alles nach der Wahrheit an,

Und läßt sich nicht die Augen binden.


Es wird durch die Gelehrsamkeit

Das Wort des Höchsten rein erkläret,

Die Ordnung und Bescheidenheit,

Wird nimmermehr dadurch gestöhret.

Durch sie erliegt der Feinde Schaar;

Wo nicht, so wird doch offenbar,

Daß ihre Macht sehr abgenommen.

Wer sie mit reinen Herzen liebt,

Und sich in ihren Lehren übt,

Kan auf den höchsten Gipfel kommen.
[306]

Ihr Philosophen alter Zeit!

Wie nah kommt ihr der Christen Lehre?

Man kennet eure Würdigkeit

Und darum schmückt euch Ruhm und Ehre.

Hat eure Rede nicht mit Macht,

Die Beßrung derer Sitten bracht?

Ihr Stoicker gebt ein Exempel

Der Herzen, die kein irdisch Gut

Bezwingt. O fest gesetzter Muth!

Ihr unterstützt den Weisheits-Tempel.


Laß Pittacus, laß Seneca,

Laß Socrates dich klärlich sehen.

Ihr kommt den Lehren oft sehr nah,

Die in dem heilgen Buche stehen.

Cratippi werthes Garten-Werk,

War des Pompeji Augenmerk,

Und ward durch jenes süsse Worte

Fast in ein Paradieß verkehrt;

Ihr Weisen, was ihr sonst gelehrt,

Das liebt man noch an jedem Orte.


Durch eure Weisheit forschet ihr

Nach dem, der was aus nichts bereitet.

Ihr Morgen-Länder kommt herfür,

Und saget, was der Stern bedeutet,

Den ihr in eurem Land gesehn!

Ihr müßt darauf nach Salem gehn,

Ihr kommt und fragt, wo in der Wiege,

Der Griechen und der Heyden Heil,

Der Sünder Trost, der Frommen Theil,

Der neugebohrne König liege?
[307]

O Dioniß! dein Herze schloß

Als du den Nebel wahrgenommen,

(Da Blut aus Christi Seite floß,

Und er ans Kreutzes-Stamm gekommen:)

Es müsse bey dem duncklen Schein

Der höchste Gott beängstget seyn,

Und jetzt den Tod mit Schmerzen leiden.

Du ruftest deiner Weisen Schaar,

Du sprachst: baut einen Beth-Altar,

Gott stirbt: er muß von hinnen scheiden.


Kein Fall, kein Unglück, Angst, noch Noth

Macht weiser Leute Herzen mürbe.

Wenn das Verhängniß schmäht und droht,

So wünscht doch keiner, daß er stürbe;

Ihr steht und lacht zu aller Pein,

Nehmt Schierlings-Saft mit Freuden ein.

Liegt Socrates in Todes-Zügen,

So lehrt er noch, wie man mit Macht

Den Tod und seine Faust veracht.

Die Furcht kunt über ihn nicht siegen.


Schaut, wie Philippens Lust sich mehrt,

Dieweil sein Prinz zu solchen Stunden,

Da Aristotels Zunge lehrt,

Sich auf der Erden eingefunden.

Dieß macht uns Alexanders Mund

Durch seinen eignen Ausspruch kund.

Er ehrte ihn, wie sichs gebührte.

Er war ihm fast noch mehr geneigt,

Als dem, der ihn vorher gezeugt,

Dieweil er ihn zur Weisheit führte.
[308]

Gedenke Crösus! doch nur nicht

Den Philosophen hönsch zu fluchen.

Ihr Sinn, Verstand und Geistes-Licht,

Läßt sich mit Rätzeln nicht versuchen.

Halt Alexander! halt nur ein!

Die Weisen möchten stärker seyn;

Erkühn dich nicht mit deinen Fragen:

Die Gordschen Knoten können sie

Mit ihrer Weisheit, ohne Müh,

Zergliedern und gar leicht zerschlagen.


Euch Klugen hat das Alterthum,

Viel Ehren-Säulen aufgebauet;

So, daß man eures Namens Ruhm

Nach euren Moder noch geschauet.

Recht so! ihr seyd dergleichen werth,

Man thut was Billigkeit begehrt.

Allein ihr Weisen unsrer Zeiten:

Euch hat so manche schöne Schrift,

Ein größres Ehren-Maal gestift:

Dieß kan euch höhern Ruhm bereiten.


Brich an erwünschtes Tages-Licht!

Willkommen angenehmer Morgen!

An dem Sophiens Zunge spricht;

Jetzt weis ich nichts von Angst und Sorgen:

Denn Kunad, der mich nie verläßt,

Erblicket heut sein Namens-Fest.

Mein Sohn, von dem die klügsten Männer

Mit Wahrheit sagen: Dieser lehrt,

Wie man mich würdiglich verehrt.

Er ist ein grosser Weisheits-Kenner.
[309]

Wie labt mich die Philosophie!

Wie reitzet mich dein künstlich Reimen!

Wohlan! so soll die Poesie,

Die zwar noch roh, sich doch nicht säumen:

Wenn sie auf deinen Nahmens-Tag.

Dir ein Gedichte bringen mag,

Gelehrter Freund! laß dirs belieben,

Komm, sieh mit gütgen Augen an,

Was ich aus Schuldigkeit gethan,

Und dir anjetzo zugeschrieben.


Was wünsch ich? nein ich wünsche nicht!

Denn, wer wie du die Weisheit liebet,

Der schaut des Glückes Angesicht:

Sich durch sich selbst die Wohlfarth giebet.

Zum Schlusse setzt Sidonia:

Weil deines Namens Feyer da;

So wird mein Geist mit Lust umgeben:

Sophia und das Musen-Chor

Geht mir in Lustbarkeiten vor:

Man ruft: Dein Name müsse leben!


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 303-310.
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