Thema und Reime,

[498] Thema, Die jungen Aerzte wissen so wohl denen Jungfern an den Puls zu greifen, und verstehen deren Heimlichkeiten so wohl, als die Alten


Den Gott der Arzeney verehrt ein Silber – – Haar;

Er widersteht durch Kunst der drohenden – – Gefahr,

Die manches zartes Reis zur schwarzen Erde – – drücken,

Und der Verwesungs-Macht zum Opfer könte – – schicken.

Jedoch du alter Arzt, was blehet sich dein – – Bauch?

Was runzelst du die Haut und machst die Stirne – – rauh?

Laß Zorn, laß Neid und Zank, und kröne den mit – – Liebe,

Der deine Wissenschaft nach Art der klugen – – Diebe[498]

Erhascht, erlauscht und stiehlt; ergieb dich jetzt nur – – drein,

Der junge Mevius fällt dir ins Handwerk – – ein,

Er will mit munterm Geist Gallenens Witz er – – greifen,

Und auch die kleine Welt mit seinem Sinn durch – – streifen.

Bricht die Gesundheit gleich und kriegt ein grosses – – Loch,

So lebt doch Mevius mit seiner Weisheit – – noch,

Der hält ihr Sinken auf. Schreyt Lorgen: ich er – – warme,

Das hitzge Fieber wächst, so faßt er sie beym – – Arme,

Und schickt nach ihrem Puls den schärfsten Augen – – Blick,

Er kennt, und merkt genau, wie er den Schmerzens – – Strick

Durch seinen Rath zerschneid. Was alte Aerzte – – naschen,

Kan auch ein junger Arzt erforschen und – – erhaschen.

Ach Lorgen! Mevius weis wohl, was vor Ge – – stank

Und Krankheit in dir ist, drum ordnet er den – – Trank

Davor, und hilft dir auf. Ich muß die Wahrheit – – geigen:

Es ist dem jungen Arzt des alten Klugheit – – eigen.


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 498-499.
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