Das Zehende Lied

[120] Auff vorige Melodey.


1.

Was mag ich mich unterfangen?

Ach was untersteh ich mich

Deine Rosen-rothe Wangen

Anzuschauen und auch Dich/

Schönes Bild/ herfür zu streichen/

Dem die Sterne selbsten weichen.[120]


2.

Könte gleich Apelles mahlen

Dich/ O wunderschönes Bild/

und der Augen helle Strahlen/

Dieser blancken Brüste Schild/

Kan doch nicht entworffen werden

Deine Tugend und Geberden.


3.

Solche Liebligkeit im sprechen/

Das so milde freundlich-seyn

Kann mir Muth und Sinnen brechen;

Wenn dein Antlitz bricht herein/

Wenn die braunen Augen funckeln

Kann mich keine Nacht verdunckeln.


4.

Deiner hohen Stirne prangen

schön und braunlecht anzusehn

Ist mein Hoffen und Verlangen/

Ach! wenn wird es wohl geschehn/

Daß da wird in meinen Armen

Dein so schlancker Leib erwarmen.


5.

Ich wil mich mit Macht bemühen

Zu erlangen deine Gunst/

Wil mit meinem singen zihen

Dich/ zu leschen meine Brunst:

Wenn ich dieses werd' erlangen/

Wil ich gerne seyn gefangen.


Quelle:
Philipp von Zesen: Sämtliche Werke, 17 Bände, Band 1, Berlin/ New York 1970 ff., S. 120-121.
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