Das Neunde Lied

[141] Fast nach eines andern Erfindung.


1.

Wes ist der rothe Mund/ das güldne Licht?

Das durch den späten Abend bricht?

Wes seyn die Rosen-Wangen?

Wes ist das lachen doch/

Das mich nun führt gefangen

Ans süße Liebes-Joch.


2.

Hastu gezeuget dann/ O schöner Berg/

Ein solches Licht und süßes Werck?

So kann ich warlich! sprechen/

Die Freundligkeit ist hier/

Den Spiegel mustu brechen/

O Venus selbsten Dier.[141]


3.

Hier hat sich Tugend selbst gepflantzet ein/

Hier ist das milde freundlich-seyn/

Was soll ich dann nun schließen

Aus ihrer Liebligkeit?

Die Gratien selbst fließen

und brechen durch den Neid.


4.

Das urtheil sprach Ich nun/ O schöne Zier/

Den güldnen Apffel geb' ich Dier/

Die Tugend/ die ich kaum gesehen/

Hat mich schon so entzückt/

Was wird dann wohl geschehen/

Wann ich dich recht erblickt.


Quelle:
Philipp von Zesen: Sämtliche Werke, 17 Bände, Band 1, Berlin/ New York 1970 ff., S. 141-142.
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