1. Das erste Lied/ auf den sin- und wahl-spruch der Durchleuchtigen und Hochgebohrnen Fürstin/ und Fräulein/ Fräulein Julianen/ Fürstin zu Anhalt/ Gräfin von Askanien/ Fräulein zu Zerbst und Bernburg. uam

[266] Sçience sans consçience est vanité.

Wissenschaft ohne gewissen ist eitel.

gesetzet durch Johan Langen.[267]


1.

Ia freilich wird zu nichts das prangen hoher sinnen/

Und alle Wissenschaft/ die kein gewissen hägt;

Lebt gleich ein mensch alhier auf höchster klugheit zinnen/

Ists doch nur eitle frucht der tohrheit/ die er trägt.

Acht man schon für der welt als-göttlich seine kunst/

Neugt sie sich doch/ und bleibt für Gotte lauter dunst.[268]


2.

O mensch/ was trotzest du auf dein so eitles wissen/

da deiner werke bild dier niemahls ist bewust!

was bistdu nuhr auf kunst/ auf solche kunst/ beflissen/

da du sonst deiner selbst erkäntnüs missen must.

Viel kennen/ und sich selbst nicht kennen/ ist nur dunst;

viel wissen und sich selbst nicht wissen/ ist ümsunst.


3.

Doch wan ich etwas sol von eitlen dingen haben/

so wil ich wissenschaft/ die alles niedertrükt/

die mier erst redlich zeugt den preis der ädlen gaben/

und macht/ daß für mier selbst der hochmuht geht gebükt.

Wer wissenschaft nicht acht/ der stirbet wie ein vieh.

wer wissenschaft und kunst erlangt/ der stirbet nie.


Quelle:
Philipp von Zesen: Sämtliche Werke, 17 Bände, Band 1, Berlin/ New York 1970 ff., S. 266-269.
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