Der Rosemund Klage-lied im abwesen ihres Liebsten

[352] 1.

Wo such' ich den Liebsten/ wo sol ich ihn finden?

ihr bleichen Masinnen/ weis keine mein Licht?

bei welchem gewässer und lieblichen gründen

enthält sich mein Trauter/ wie? saget ihrs nicht?

Ihr beliebten Amstelinnen/

und ihr höflichen Lechinnen/

kündigt meinem Schönsten an/

daß ich nicht mehr leben kan.


2.

Verweilet sich länger mein einiges Leben/

so mus ich für schmertzen und ängsten vergehn;

ich wolt' es nicht achten bei fremden zu schweben/

so fern ich nur höhrte sein liebes getöhn.

Meine Schwestern wil ich missen/

die bei Pades sieben flüssen

üm die schwartzen tannen sein

und begehr Ihn nur allein.[352]


3.

Die blanken Etschinnen verlaß' ich auch gerne/

wan meine begierde sich nährende stillt/

die lieben Ihninnen beseuftz' ich von ferne/

jedennoch vergess' ich ihr liebliches bild/

wan ich nur den Mahrhold habe/

und mein krankes hertze labe/

welches sein belobtes bild

mit dem schönsten glantz erfüllt.

Quelle:
Philipp von Zesen: Sämtliche Werke, 17 Bände, Band 1, Berlin/ New York 1970 ff., S. 352-353.
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