Das erste Buch.

Der liebliche Liljenmohnd war nunmehr vorbei; die Sonnenwände durch den rükgångigen Kråbs geschehen: der Niel stieg immer höher und höher; und Osiris begunte sich dem Jungferschoße seiner himlischen Isis algemach zu nåhern / als der trübseelige Josef den Ort seines elendes erblikte. Memfis / die K \nigliche stadt / sahe er mit klåglichen augen an. Mit traurigem und beängstigtem hertzen zog er hinein. Das gantze volk fand er in angst: und diese angst beängstigte ihn noch mehr. Er h \rete lauter seufzer: und diese seufzer vermischete er mit den seinigen.

Aber das ängstliche seufzen der Egipter hatte viel ein anderes ziel. Diese abergleubische Leute seufzeten zu ihren so vielerlei falschen und leblosen Abgöttern: er aber zum einigen und wahrem lebendigem Gotte. Etliche båhteten den ohnmächtigen gehörneten Hammelgötzen / ihren gewähnten Schutzvater / an. Andere flöheten zu ihrem algemeinen Wohltähter / dem gühtigen Osiris: noch andere zu ihrer Ernährerin / der[1] mildreichen Isis. Etliche rieffen den hundeköpfichten Knef oder Anubis; und den kraftreichen Sotis / samt dem fruchtbahren Orus / zu hülfe. Andere schrien den dikbeuchichten Nielgötzen Kanopus / und dergleichen lächerliche Ungottheiten an. Die meisten aber wendeten sich bald zum schwartzen Fluhtgötzen Momft / dem verschaffer des wachsenden Niels; bald zum schlammichten Ebbegötzen Omft / dem gebieter des fallenden strohms. Beide bähteten sie an. Jener solte verschaffen / daß der steigende Niel ihre äkker durchwässerte / und fruchtbar machte. Dieser solte gebieten / daß er nicht alzuhoch aufstiege / und zu rechter zeit weder zurückträhte; damit er das land nicht verwüstete. Manche hefteten auch zugleich wächserne täflein / darauf geschrieben stund / was sie so ängstiglich begehreten / diesem und jenem Götzen an das bein: damit er ihrer bitte / wan sie weggingen / ja nicht vergeße. Und das alles tåhten sie / teils mit klopfen und stoßen vor die brust / teils mit bluhtrünstigem aufritzen ihrer schultern und ärme: dadurch sie vermeinten erhöret / und mit gewündschter fruchtbarkeit des gewåchses geseegnet zu werden. Ja darüm verfluchten und beschwuhren sie auch zugleich alle miteinander des boßhaftigen Tifons wühtende macht; damit er durch seine grausamkeit / den liebreichen seegen ihrer gühtigen Wahngötter nicht verhinderte /ober verderbete.

Hingegen demühtigte sich Josef / in seinem hertzen / vor dem ewigen almächtigem Gotte / dem Gotte seiner Väter / Abrahams / Issaks / und Jakobs. Ach! sprach er / und erseufzete hertzinniglich: ach Gott! ach barmherziger Gott! ach grundgühtiger Vater! ich bitte nicht für mich / daß du mich aus dieser leibeigenschaft errettest. Ich flöhe nicht für mich / daß du mich aus diesem jammer und elende reissest. Dis alles / ja mehr als dis / haben meine manchfältige sünden verdienet.Mein übermuht hat es verschuldet. Du tuhst wohl / daß du mich züchtigest. Es war dein Väterlicher wille / daß mich meine Brüder verkauften. Und darüm bitte ich für sie / daß du ihnen ihre missetaht vergebest / und ihre sünde nicht zurechnest. Ja ich /sol stehen / vor meinem Vater. Dan er ist trostloß /das weis ich. Erscheine ihm mit deinem göttlichen tröste: Ach! er ächtzet und gråhmet sich üm meinet willen. Er ist unruhig in seinem hertzen; ja betrübt ist er / betrübt bis in den tod: und darüm laß ihn deinen frieden befriedigen / und deine freude erfreuen. Ach! mich deucht / ich sehe ihn vor wehleiden zerschmeltzen; vor hertzlichen schmertzen in trähnen zerfliessen. Mich dünkt / ich höre ihn vor trauren wimmerleichen / und rufen: ach! mein Sohn / mein Sohn / mein lieber Sohn / wo bistu? Wie kan es auch anders sein? Er liebte mich / als seine seele. Ich war sein einiger trost. Ich war seine einige freude; der einige stab seines alters. Aber ach siehe! was hat er nun. Dieser stab ist ihm entrükket: diese freude ist ihm entzogen: dieser trost ist ihm geraubet. Ich bin nunmehr so weit von seinen augen entfernet. Ach! es jammert mich meines lieben Vaters / meines frommen Vaters / meines traurigen Vaters. Das hertz bricht mir / wan ich an ihn gedenke: ja es bricht mir in tausend stükke / wan mir in den sin kommet / daß dieses mein unglük sein graues haar in die grübe wird bringen.

Indem er also erseufzete / gelangte die Ismaelische Gespanschaft vor das haus / da sie ein zu kehren pflegte. Josef stieg vom Elefanten herunter. Die Kauf wahren warden abgel \set: die lasttiere in ihre ställe gebracht / und alles auf die seite geschaffet. Mitler weile versamlete sich üm die Ismaeler herüm eine große mänge volkes. Fast iederman / der in dieser gegend sich befand / vergaß! des Buß- und båht-tages. Alle Jungfrauen[4] lieffen herzu. Ja die alten Mütter selbsten vermochten nicht in den heusern zu bleiben. Die unvergleichliche schönheit des Ebreischen Leibeignen machte sie alle entzükt. Aller augen sahen auf ihn. Niemand konte / selbst mit tausend anblikken /sein gesichte genug sättigen. Je mehr sie ihn ansahen /ie schöner er schien.

Josef war auch in warheit so wunderschön / daß er zu der zeit vor das allersch \nste gesch \pfe / ja selbst vor das allervolkomneste meisterstükke der Zeugemutter aller dinge nicht unbillich geschätzet ward. Ja es ist kein wunder. Sara war seine Vorgroßmutter; und so überaus schön / daß sich zwee Könige / der von Egipten / und der von Gerar / in ihre schönheit verliebeten. Rebekka war seine Großmutter; und eben so wunderschön / daß es wenig fehlete / der letztgemelte König der Filister hette sich auch an ihr vernarret. Ja seine Mutter selbsten / die hold- und lieb-seelige Rahel / schien alle beide / durch ihre mehr als menschliche schönheit / weit zu übertreffen. Ihr gantzer leib befand sich so ausbündig zierlich gebildet / und so über die maße schön / daß der tadel selbsten keinen einigen fehler an ihr zu finden wuste. Ihre haut war so hochweis / so klahr / so zahrt / so rein / und so sanfte / als ein erst gefallener schnee. Durch diese so reinklare haut schimmerten hier und dar / gleich als im allerweissesten marmel / die zåhrtesten åderlein / so wohl roht / als blau: und auf den ahrtigen schneeberglein der wangen blühete eine recht anmuhtige rosenröhte / nicht zu hoch und nicht zu bleich. Alda hatte ihren eigenen sitz die Schaam /die eigne / wo nicht einige zier des Frauenzimmers. Uber dem allerzierlichsten schneehügel des kinnes erhub sich des mundes schlos / mit strahlrohten rubienwållen ümgeben. Hier wohnete die Liebe. Hier lächelte die freundligkeit. Hier spielete die wohlredenheit. Unter der stirne / der erhobenen sinnenburg /strahlete / ja blitzelte das zweifache[5] gestirne der allerliebseeligsten augen / wiewohl mit züchtigen blikken / so weit und mit solcher kraft herüm / daß sie durch aller anschauer hertzen straks hindrungen. Ja was wollen wir von ihrem sterblichen / wiewohl allerschönstem Leibe / und von den allerlieblichsten leibesgliedern viel sagen? Er war nur ein bloßes vergängliches bild / und hinfälliges haus ihrer unsterblichen noch tausendmahl schöneren Seele. Hieraus liessen sich / als aus einem spiegel / alle tugenden / die eines Frauenzimmers seele iemahls befessen / hauffenweise schauen. Hieraus brachen herfür / als mit einem hellen blitze / die recht himlische schönheiten. Hierdurch überwand sie die allerhårtesten hertzen. Hierdurch besänftigte sie die allerrauesten gemühter. Hierdurch begühtigte sie die allerboßhaftigsten geister. Ja hierdurch zog sie aller menschen gunst und gewogenheit auf ihre seite. Mit einem worte zu sagen / Rahel / die Mutter des schönen Josefs / war mit so fürtreflichen / so wohl in- als aus-wendigen schönheiten dermaßen ausgezieret / daß Jakob sich nicht verdriessen lies vierzehen gantzer jahre / wie verdrieslich auch sonsten sein dienst immermehr war / um solch-einen köstlichen schatz zu dienen. Ja er bekante es selbsten / daß ihm alle diese jahre anders nicht als einzele tage gedeuchtet.

Weil nun Josefs Mutter / Großmutter / und Vorgroßmutter / die alle drei aus einem und eben demselben geschlechte entsprossen / welches zu der zeit den preis der sch \nheit vor andern verdienete / so gar schöne gewesen: warüm wolte man sich dan viel verwundern / daß der zweig seinem baume nachgeahrtet /und die frucht nicht weit vom stamme gefallen; indem dieser schöne Ebreer von seinen drei schönen Müttern solche wunderwürdige schönheit gewonnen?

Daß aber des Tahre / oder / wie ihn die Araber nennen / Asars / Abrahams vaters / Nachkommen vor[6] allen andern damaligen Menschen mit so wunderwürdiger sch \nheit beseeliget gewesen; davon wollen wir der Arabischen / Persischen / und Kaldeischen Weisemeister urteil vernehmen. Diese bezeugen / daß des Josefs Uhranherr oder übervorgroßvater Tahre ein fürtreflicher Bildhauer / und zugleich ein Verpfleger der Götzenheuser des Nimrots gewesen: welcher seinen bildern eine so überaus schöne gestalt geben können / daß sich viele / die sie gesehen / straks im ersten anblikke darein verliebet. Weil nun Abrahams Mutter solche so künstlichschön ausgearbeiteten bilder fort und fort angesehen / und ihr derselben sch \nheit dermaßen tief eingebildet / daß alle ihre Kinder ihnen gantz ähnlich geworden; so habe sie solche sch \nheit ihren nachkommen bis in das vierde Glied gleichsam erblich und eigen gemacht. Und durch diese erbeigenschaft hetten sie sämtlich eine solche wundersch \nheit gewonnen: wiewohl sie an der Lea etlicher maßen verdorben worden. Unter allen aber were Josef / Jakobs sohn / als das höchste Meisterstükke der sch \nheit / der allerschöneste / ja so unaussprechlich schön gewesen / daß er dadurch die höchste sch \nheit der Engel selbsten übertroffen. Im übrigen stehen auch viel Geschichtschreiber und andere in der meinung: daß Labans Götzenbilder / die ihm Rahel / ohne zweiffel ihrer fürtreflichen schönheit wegen / entführet / und Jakob nach der zeit zu Sichem unter einer eiche begraben / ein sonderliches kunststůkke des Tahre / und die meiste ursache der schönen gestalt so wohl des Josefs / als der Rahel /gewesen; weil beide Mütter / der Rahel und des Josefs / sie ohn unterlaß vor augen gehabt / und ihre schöne gestalt einen so tieffen und festen eindruk in ihre einbildung getahn / daß ihre Kinder denselben gantz ähnlich geworden.

Und also schien es / daß die Zeugemutter aller dinge nicht allein alle ausbündigste schönheiten der Mutter /[7] sondern auch alle schönste schönheiten seiner Groß- und Vorgroßmütter / so wohl von der Mutter / als des Vaters selten zusammengesamlet / und dem einigen Josef mitgeteilet / ein gantz volkommenes meisterstükke der allerschönsten schönheit herfür zu bringen. Fast eben auf diesen schlag verfuhr nach der zeit Apelles / als er das Götzenbild der Schönheit und Liebe volkömlich schön zu mahlen gesonnen. Er erwehlete aus allen Krotonischen Jungfrauen die allerschönsten zu einem so fürtreflichen kunststükke. Von einer ieden nahm er die schönste schönheit / die an ihr vor andern zu finden. Alle diese schönste schönheiten brachte er zusammen / und bildete sie ab in dem einigen bilde. Und daher war dieses bild oder gemålde so überaus schön / daß es mehr durch eine göttliche / als menschliche hand entworfen zu sein schien.

Als nun der tag der nacht zu weichen / und die Sonne dem Mohne das gebiet über die oberste helfte der erdkugel ein zu reumen begunte; da begab sich Josef / mehr vom schweermuhte / als von der reise ermüdet / ungegessen zur nachtruhe. Aber es war umsonst / daß er zu ruhen gedachte. Es war vergebens /daß er zu schlafen vermeinte. Hier war weder ruhe /noch schlaf zu finden. Seine gedanken schweiften von einem orte zum andern. Doch nirgend hielten sie sich länger auf / als bei seinem Vater: dessen bekümmernüs ihn weit mehr bekümmerte / als sein eigenes unglük. Ach! sprach er / wan ich nur meinem Vater /meinem lieben Vater die unruhe seines hertzens benehmen könte; so wolte ich alles meines elendes gern vergessen. Aber hier ist kein raht. Mein unglük / das uns beide voneinander gerissen / gehet ihn so wohl an / als mich. Was ich leide / das fühlet er. Was ich fühle / das drükket ihn / das schmertzet ihn / das kränket ihn. Und was noch das schlimmeste ist / ich sehe dessen kein ende. Morgen werde ich[8] dem Könige geschenket werden. Aus dessen hand wird mich niemand erretten. Meine leibeigenschaft wird währen / so lange ich lebe. Wo seind nun meine treume / die mir so viel glükkes und ehre bedeuten sollen? Ach! wie ist ihre bedeutung verschwunden? Meine einbildung hat mich betrogen. Meine hofnung ist nun zerrunnen. Ich gedachte zu herrschen: aber nun sehe ich / daß ich ewig werde dienen müssen. Ach weh mir! daß sich das blat also verkehret. Möchte ich doch nur ewig dienstbar sein in meines Vaters hause! Möchten doch nur meine Brüder ewig über mich herschen! Ach! wie wohl solte mir sein. Aber nun mus ich dienen in der fremde. Fremde werden ihre grausamkeit über mich ausschütten. Ach weh mir! ach weh mir! ach weh /und immer weh!

In solchen trübseeligen gedanken brachte er die gantze nacht zu. Er stund zwar auf / so bald der tag angebrochen / in willens / im garten hinter dem hause / seinen unmuht ein wenig zu vertreiben. Aber die schweermuht / und die angst seines hertzens folgeten ihm überal nach. Nirgend fand er ruhe. Nirgend wuste er trost zu suchen. Alle uhrwesen schienen ihm zuwider. Alle geschöpfe schienen ihn verlaßen zu haben. Nur allein die Beume stelleten sich mitleidendlich an. Also lies er sich bedünken. Also schlos er aus ihren abhangenden blättern. Also urteilete er aus ihren niedergebogenen zweigen. Was er alhier ferner vor gedanken hatte / ist eher zu errahten / als aus zu sprechen. Zuletzt begunte ihm dieser lustort seine unlust noch mehr zu heuffen. Und darüm eilete er wieder hinaus. Aber im ausgehen kahm ihm einer von den Ismaelern entgegen. Auf! sprach er mit harter stimme /auf! und mache dich flugs fårtig. Itzund soltu dem Könige übergeben werden. Dieses wort König war ihm als ein donner zu hören. Es gieng ihm als ein donnerkeul durchs hertze. Ja es[9] erschrökte ihn dermaßen / daß er böbete und zitterte / als das espenlaub.

Nachdem nun Josef ein zierliches sommerkleid /welches ihm die Kaufleute zu dem ende gegeben / angeleget; ward er / samt den Königlichen geschenken /straks auf die Burg geführet. Alda lag die Königin /mit ihrem gantzen Frauenzimmer / schon in den fenstern / und wartete mit großem verlangen auf seine ankunft. Dan der ruf war albereit den abend zuvor /aus der stadt / bis in das königliche Schlos erschollen / daß ein überaus schöner Ebreer angelanget / und heute dem Könige solte verehret werden. Es ist mit keiner feder aus zu drükken / wie heftig diese neugierigen durch den ersten anblik des schönen Leibeignen entzükt warden. Man hatte ihn beschrieben / als einen Engel: aber sie sahen ihn gar vor eine Gottheit an. Hatte man gestern seine schönheit so überlaut gepriesen; so ward sie heute / mit bestürtztem stilschweigen des gantzen Frauenzimmers / betrachtet. Alle Jungfrauen stunden als erstummet. Alle Fürstinnen erstarreten. Ja die Königin selbsten war fast gantz aus ihr selbsten. Doch gleichwohl behielten ihre Sinnen noch so viel kraft / daß eine iede bei ihr selbst zu wündschen vermochte einen so schönen Engel / in ihrer schlafkammer / zum stätigen leibwächter zu haben. Eine guhte weile währete dieses stilschweigen. Die Königin war die erste / welche zu reden begunte. Ha! sagte sie / sol dieses ein Leibeigner sein? Sol dieses ein verkaufter Ebreer sein? Das kan ich mir nimmermehr einbilden. Vielmehr ist er ein Ebreischer Gott; oder aber ein Fürst: und ist er keines von beiden / so ist er doch zum wenigsten würdig solches zu sein; ja würdig ist er über die gantze weit zu herschen; wie er dan schon in der taht beginnet.

Diese reden hörete Nefrem: und märkte schon /was die glokke geschlagen. Seine Freulein Tochter sahe er[10] bestürtzt: die andern Fürstinnen erstarret: die Stahtsjungfrauen vernarret. Ja alles Frauenzimmer kahm ihm anders nicht vor / als über die maße verliebt. Auch betrog ihn diese einbildung nicht. Er war ein alter abgelebter Fürst. Er war ein eifersüchtiger /und was geitziger Herr. Daher hassete er die fürtrefliche schönheit des Ebreers. Daher liebere er die kostbarkeit der angebohtenen schätze. Ja er hassete den Josef üm so viel mehr; weil er ihm leichtlich einbilden konte / daß ein alter und nunmehr aus gemärgelter König bei seinem Frauenzimmer / durch ihn / in die euserste verachtung kommen würde. Zum wenigsten /gedachte er / wird eine unlust unter dem Weibesvolke entstehen. Die göttliche schönheit dieses Ebreers wird sie zur liebe / die liebe zur schählsichtigkeit / die schählsichtigkeit zur unterlichen feindschaft / und diese endlich gar zu einer rasenden tolsinnigkeit bewegen. Alsdan wird alles bunt durcheinander gehen. Alles wird in unordnung / und mein Hof in gefahr schweben. Ja wan sich schon dieses unheil nicht erregen oder eusern möchte; so wird doch eine so übermäßige hertzentzükkenden schönheit meine Gemahlin und Tochter / wo nicht in der taht selbsten / doch gewislich in den gedanken / an ihrer keuscheit verletzen. Wolte ich ihn auch schon münchen laßen; so würde es mich zwar ein wenig / sie aber nichts helfen. Vielmehr schmertzen würde man ihnen zuziehen; weil man ihm dadurch die mittel / sie würklich zu vergnügen / entzöge / und sie dannoch in der brunst verzappeln liesse. Aus diesen wüchtigen ursachen (schlos er seine gedanken) mus ich mich nohtdrünglich entschlüßen / den schönen Leibeignen nicht an zu nehmen. Sein erster / ja kaum halber anblik hat mir mein Frauenzimmer schon gantz in ruhr gesetzt. Was würde wohl geschehen / wan ich ihn gar auf das schlos nehmen solte. Nein! nein! man mus ihn aus dem wege schaffen.[11] Ich mus mir selbsten keine laus in den rok setzen. Er mus fort! er mus fort!

Hierauf begab sich Nefrem in den königlichen Verhörsaal: darinnen alles von golde und edelen steinen flinkerte. Sonderlich vermochte kein auge den prächtigen Reichsstuhl / ohne entzükkung und ohne verblendung / an zu schauen. Dieser war ein rechtes meisterstükke aus dichtem golde: dem die demanten /perlen / rubienen / saffiere / und andere köstliche steine seinen glantz gleich als mit helleuchtenden feuerstrahlen vermehreten. Rund herüm / ja oben und unten war er mit allerhand künstlichen bildwerken gezieret. Dieses alles hatte / nach der geheimen Egiptischen bilderschrift / seine sonderliche bedeutung. Unter allen aber deutete der große güldene Krokodil / der gerade über des Königes heupte schwebete / auf den König selbsten / als alter Egiptischen Könige sinbild. Daher ward auch so wohl dieser Nefrem / als viel andere Egiptische Könige vor und nach ihm eine lange zeit / Farao / welches auf Arabisch ein Krokodil heisset / gemeiniglich genennet.

Alhier war es / da der König der Ismaeler geschenke empfing. Zu allererst ward ihm Josef / als das alleredleste und allerköstlichste / überreichet. Darnach folgeten die andern. Hierunter war das Königliche überaus künstlich mit golde durchwürkte Stahtskleid das fürnehmste. Die güldene Krohne schätzte man nicht viel geringer. Auch waren die anderen schatzstükke eines so hohen währtes / daß sie vor königliche geschenke wohl bestehen mochten. Musai /ein gebohrner und vieler sprachen kündiger Elamiet /führete / als der gantzen Gespanschaft heupt / das wort.

Gnädigster König / sagte er / alhier erscheinen Seiner Majestäht untertänigste knechte vor Seinem gnädigsten angesichte / unsere schuldigkeit demühtigst abzulegen. Wir bringen ausunserem armen vermögen etliche geringschätzige geschenke / Seine gnade zu erwerben. Sie seind zwar genüge: iedoch verhoffen Seiner Majestäht knechte / gleichwie sie bitten / daß Er dieselben eben so gnädigst / als wir sie untertähnigst einreichen / an zu nehmen geruhen werde. Solten sie auch sonsten über verhoffen unangenehm sein; so dürfen wir doch das vertrauen schöpfen / daß sie dem Könige dieser schöne Jüngling gleichwohl angenehm machen werde. Dan er wird mit unter unsere geschenke gezehlet. Und solches geschiehet darüm / daß durch seine so seltene schönheit die geringschätzigkeit der andern ein ansehen der kostbarkeit bekomme. Hiermit haben wir untertähnigst anzeigen wollen /daß wir Seiner Majestäht gehorsamste knechte seind: auch Dieselbe zugleich demühtigst anflöhen / daß Sie unseren Kaufhandel / wie bisher geschehen / also auch hinfort / in Ihren ländern frei und ungehindert zu treiben gnädigst vergönnen wolle.

Nefrem bedankte sich der geschenke wegen sehr freundlich. Er gewährte sie auch ihrer bitte: und gelobte ihnen bei der gottheit des Osiris / daß er nimmermehr zulaßen wolte / ihren freien Kaufhandel auf einigerlei weise zu kränken. Aber den Josef schenkte er ihnen wieder / mit angehängter versicherung / daß sie gleichwohl deswegen an seiner gnade nicht würden zu zweifeln haben. Er wolte seinem Königlichen worte dannoch folge leisten.

Sehr fremde kahm dieses des Königes beginnen den Kaufleuten vor. Es war ein wunderseltzames ding in ihren augen / ein so überaus köstliches geschenke verschmähet zu sehen. Keiner konte errahten / woher es rührete. Keiner konte begreiffen / warüm der König[14] eine so wunderseltene schönheit verwürfe. Dan niemand von ihnen hatte achtung gegeben / was sich im ersten eintritte mit dem Frauenzimmer zugetragen. Niemand wuste des Königes argwahn. Auch hatte er sich dessen weder mit worten / noch gebehrden märken laßen.

In diesen wunderlichen gedanken begaben sich die Ismaeler / mit dem verschmäheten Leibeignen / wieder nach ihrem würtshause zu: und ließen also das gantze Königliche Frauenzimmer in der eusersten betrübnüs. Es war keine Fraue / die nicht seuftzete: kein Freulein / das nicht weinete: keine Hofjungfer / die es nicht hertzlich schmertzete / daß sich ein so klahres /so fürtrefliches / so schönes licht aus ihren augen so uhrplötzlich verlohren. Ja die Königin selbsten / wel che Nefrems schlus den schönen Leibeignen nicht an zu nehmen allein wuste / wündschte dem Könige tausend und abermahl tausend / ja hundertmahl tausend flüche aus den hals. Er allein / sagte sie / hat verursachet / daß diese wunderschöne Gottheit uns mit ihrer gegenwart nicht allezeit beseeliget. Er allein ist es /der uns den anblik dieser himlischen schönheit misgönnet. Er / der neidsüchtige unmensch / ist es / der uns diese lust entzogen / seine viehische lust / uns unlust an zu tuhn / rechtschaffen zu büssen. Itzt mus ich schweigen: aber mit der zeit sol es gedacht werden. Wir meineten / die Sonne were m unserem schlosse auf gegangen / und würde uns nimmermehr verlaßen. Ach! sie war auch aufgegangen in dem schönen Leibeignen. Aber plötzlich ist sie wieder verschwunden. Osiris hatte sich in menschlicher / was sage ich? in göttlicher gestalt zu uns gesellet. Aber seiner geselschaft hat uns unser Wühterich verlustig gemacht. Dem allein haben wir zu dancken / daß wir ohne licht leben. Dem allein müssen wir die schuld geben / daß uns / an stat des hellen lichtes / eine dunkele nachtdömmerung geblieben. Fast eben so kläglich lies sich auch[15] die königliche Fürstin Nitokris vernehmen. Diese wolte vor unmuht bårsten / vor hertzweh verschmachten / ja vor heftiger schmertzempfindligkeit gar sterben. Aber wir wollen diese traurigen auf der königlichen burg lassen / und uns zum Josef begeben / zu sehen / was sich mit ihm in seinem Würtshause zutråget.

Die Ismaelischen Kaufleute hatten nunmehr das mittagsmahl gehalten / und sich albereit zur reise nach Nubien färtig gemacht. Die Kamehle stunden schon gantz beladen / und warden eben vor das tohr geführet / als Musai seine mitgefåhrten folgender gestalt anredete. Liebe Gespanschafter / sagte er / weil wir itzund nach Nubien zu ziehen gedenken / da uns der schöne Leibeigne nichts nütze sein wird / so bedünkt mich / daß es das beste sei / ihn alhier / bis zu unserer wiederkunft / bei einem Kaufmanne zu laßen. Dan in Egipten wird er uns mehr gelten / als dort. Die Nubier kauffen ihre Leibeignen nur üm einen geringen preis. Warüm sollen wir ihn dan mitschleppen: Indem er also redete / erboht sich ein Egiptischer Kaufman / welcher eben darzu kahm und zu Memfis wohnete / alsobald / ihn so lange zu sich zu nehmen. Weil nun Musai diesen Kaufman viel jahre gekant /und wohl wüste / daß ihr Leibeigner bei ihm am besten verwahret sein würde; so ward er ihm / mit aller bewilligung / übergeben. Und also nahm der Kaufman den trübseeligen Josef mit sich in sein haus: da ihm iederman / sonderlich seine Frau und Töchter sehr freundseelig begegneten.

Vierzehen tage hatte Josef bei diesem neuen würte zugebracht / als eine Hofjungfrau desselben Töchter besuchte. Diese war überaus verwundert / daß sie den schönen Leibeigenen alhier fand. Ja sie wuste zuerst nicht / ob sie ihren augen gleuben dürfte. Darüm saß sie eine guhte weile fast als stum; und eben als iemand / der den wunderstein Bet angesehen. Nährlich wolte[16] ein wort aus ihrem munde. Kaum gab sie antwort denen / die sie ansprachen: und antwortete sie /so war die antwort zu weilen anders / als man fragte. Sie redete sehr wenig und wan sie redete / so schweifte sie vielmahls vom zwekke so gar ab / daß es alle märkten. Weil sie nun des Kaufmans Töchtern sehr nahe befreundet war; so trugen sie keine scheu / ihre Verwantin zu fragen: warüm sie so stille sei? warüm sie so wenig redete? und wan sie redete / warüm ihre reden vom wege so abschweiffeten? Ja sie setzten hinzu / ob sie irgend verliebt sei / weil sie in so tieffer entzükkung säße? Auf alle diese fragen bekante die Hofjungfrau die runte wahrheit. Ja sie scheuere sich nicht einmahl in Josefs gegenwart sich gantz offenhertzig heraus zu laßen. Ach! sagte sie / solte ich nicht entzükt sein? Solte ich nicht andere worte führen / als man von mir gewohnet? Diesen augenblik ist mir ein glük aufgestoßen / das ich nimmermehr hoffen dürfen. Hierauf wendete sie sich zum Josef / der eben am fenster saß. Ist er nicht / fragte sie / der schöne Jüngling / den die Ismaeler vor vierzehen tagen unserm Könige verehren / er aber ihn nicht annehmen wollen? Als sie Josef mit ja beantwortet; so fuhr sie weiter fort: weis er dan wohl / warüm der König solches getahn? Josef antwortete / nein: und sie begunte alles zu erzehlen / was sich bei seiner ankunft auf der Burg begeben.

Den abend zuvor / sagte sie / ehe das königliche Frauenzimmer das glük hatte ihn zu sehen / kahm Sefira / Fürst Potifars / des obersten Küchenmeisters und Halsrichters / jüngste Gemahlin / der Königlischen Fürst in Nitokris / der ich bedient bin / auf zu warten. Nach wenigen wortgeprängen / fing sie straks an zu erzehlen / daß sie / im fahren durch die stadt /eines überaus schönen Leibeigenen sei ansichtig worden. Derselbe / sagte sie / sei so schön gebildet / so lieblich vom wesen / so ahrtig von gebehrden / daß sie zweifelte / ob die welt iemahls[17] eine so volkommene schönheit an einigem Jünglinge erblikket. Und eben dasselbe verursachte sie zu muhtmaßen / daß er irgend eines Fürsten Sohn sei; den die Ismaeler seinem Vater gestohlen. Sie k \nte nimmermehr gleuben /daß er ihnen / ihrem vorgeben nach / verkauft worden. Auch hette sie fragen laßen: ob sie ihn wieder verkauffen wolten / und wie teuer? Darauf sei ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld / aber wohl vor des Königes gnade zu kauffe were: dem er auch morgen früh solte verehret werden. Nach diesem bescheide habe sie sich von stunden an nach der Königlichen burg zu begeben / meinem gnädigsten Freulein solche zeitung zu bringen.

Kaum waren diese worte aus ihrem munde / als sie schon der gantze Hof wüste. Ein Edelknabe der Königin / der meiner Fürstin eben etwas andienen solte /hatte alles mit angeh \ret. Dieser brachte es vor seine gnädigste Frau / in gegenwart anderer: welche es wieder andern erzehleten. Es ist kaum zu gleuben / wie behände diese recht neue / ja wohl recht seltzame zeitung von zimmer zu zimmer / und endlich gar durch das gantze schlos lief. Wo zween oder drei Höflinge /oder Hofjungfrauen / ja selbst Schüsselwåscherinnen beieinander stunden; da redete man von nichts / als von diesem schönen Leibeigenen. Jederman war begierig ihn zu sehen. Jederman verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich halte gäntzlich darvor / daß schweerlich eine / es sei Frau oder Jungfrau / im Königlichen Frauenzimmer war / die sich nicht schon /vom bloßen hören sagen / in ihn verliebet. Auch darf ich wohl melden / daß das meiste Frauenzimmer / aus alzuheftigem verlangen / dieselbe nacht schlafloß verschlossen. Kaum war der tag angebrochen / als sie schon alle in dem fenstern lagen. Die meisten hatten sich auch so aufgebutzt / und so ausgezieret / als wan sie denselben tag / als Breute / solten zur traue gehen.[18] Gleichwohl hat keine von allen das glük gehabt denselben / den sie zum Breutigam wündschten / in der nähe zu sehen / viel weniger zusprechen. Mir alle in hat itzund das glük so günstig sein wollen / daß mir beides widerfåhret. Und darüm darf man sich nicht verwundern / daß ich im ersten anblikke schier aus mir selbst gewesen.

Drei stunden waren vom tage schon verlauffen / als der ruf in das schlos drang: der schöne Leibeigne sei itzt auf dem wege. Da ward vollend alles rege. Die Küchenmägde selbst lieffen / von ihrer arbeit / auf den schlosplatz. Ich wolte dan auch die letzte nicht sein. Bisher war ich noch mit den kleidern meiner Fürstin geschäftig gewesen. Aber nun trieb mich die neugierigkeit auch ans fenster. Kaum war ich / wiewohl etwas unachtsam / hinzugeträhten / als ich desselben / den iederman zu sehen so sehr verlangte /schon von ferne gewahr ward. Mich deucht / ich fühle noch itzt die wunde / die sein allererster anblik meinem hertzen gegeben. Wie dem andern Frauenzimmer zu muhte gewesen / laße ich ungesagt. Allein dieses kan ich sagen / daß ich sie alle / teils bestürtzt / teils erstumt / teils erstarret / ja wohl gar vernarret / daß ich so reden mag / gesehen. Zu ihrer aller glükke war der König eben bei der Königin. Auch blieb er alda noch eine guhte weile stehen. Indessen musten die Kaufleute / mit dem schönen Leibeignen / auf dem schlosplatze / vor unserem gesichte / warten. Ja ich gleube / daß das meiste / wo nicht gantze Frauenzimmer wündschete / daß solches warten etliche tage lang gewähret: solch- eine ergetzung schöpften sie in dieser schönheit. Aber der Königin was zu freimühtig ausgelaßene worte von diesem schönen Wunder verursachten endlich den König sich in den Verhörsaal zu verfügen / ja gar zu entschliessen / das so schöne Geschenke zurük zu senden. Und also ward er / vor unsern augen / wiewohl alzugeschwinde vorüber /wieder in die stadt geführet.[19]

Hatte uns kurtz zuvor seine ankunft bestürtzt gemacht / so machte uns sein so jähligen entstandenes scheiden noch tausendmahl bestürtzter. Uns war eben zu muhte / als wan wir nur einen flüchtigen schatten gesehen. Es war auch in der taht ein schatte. Dan als wir vermeinten ihn in den hånden zu haben / flohe er darvon; und wir hatten weniger / als nichts. Niemand war mehr betrogen / als wir. Wir alle hatten gehoffet /wir würden nunmehr seiner geselschaft lange zeit geniessen. Aber diese Hofnung ward uns zu wasser. Kein schnee kan von der sonnenhitze schneller zerschmeltzen / als dieselbe zerschmaltz. Ja mit ihr zerschmaltz auch / und ward vereitelt alle unsere lust /alle unsere freude: darauf sich das gantze Frauenzimmer gespitzet. Hiervor hatte es nun nichts anders / als unlust und trauren. Wan ich an meine Fürstin gedenke / wie sie über seinen verlust so jämmerlich kärmete /so hertzlich erseufzete; so deucht mich / ich werde noch itzund / aus erbärmnüs / mit wehleiden geschlagen. Von andern wil ich nicht sagen: die immer eine die andere / durch wehklagen / zum wehleiden anreitzeten.

Josef hatte diese reden halb mit verdrusse / halb mit vergnügung angehöret. Es verdros ihn / daß man sich alzuviel an seiner so nichtigen schönheit vergaffete / ja gar vernarrete. Hingegen vergnügte ihn zugleich / daß man dadurch gleichsam ein hertzliches mitleiden / seines elendes wegen / und ein so guhtes gemühte / ihm dasselbe zu benehmen / oder zum wenigsten zu erleichtern / spühren liesse. Die Jungfrau wolte noch mehr erzehlen: aber Josef fing ihr das wort auf. Ach! sagte er / was kan doch schönes sein an einem so elenden und verstoßenem menschen / als ich bin? Es ist eine bloße höfligkeit / ja übermäßige guhtahrtigkeit des Egiptischen Frauenzimmers / daß es einen armen fremdling / einen sonst verachteten Leibeignen so gar hoch erhöbet. Wiewohl[20] ich sehr ungern von einer schönheit / die man an mir zu sein wähnet / reden höre; so mus ich dannoch auf ihre so offenhertzige reden / eben so offenhertzig bekennen /daß mir dieselben nicht übel gefallen. Ich habe daraus ihr guhtes gemühte erblikket; ja ihre hertzliche zuneugung zu mir. Und daß sie mir nicht etwan eine blaue dunst / sich mir gefällig zu machen / vor die augen mahlen wollen / kan ich ihr an ihren augen wohl ansehen. Sie hat aus dem grunde des hertzens geredet. Ihre gedanken hat sie mir nakt und bloß / und ohne einigen falschen überzug oder schmünke eröfnet. Ja sie hat anders nichts geredet / als was sie gemeinet. Das weis ich. Das stehet vor ihrer stirne geschrieben. Das zeiget das unfalsche wesen der reinen und züchtigen blikke ihrer liebseeligen Augen an. Ja der ümzug / die bildung / die züge / und das sämtliche wesen ihres gantzen angesichtes seind mir dessen gewisse zeugen. Die sitzamen gebehrden ihres übrigen gantzen leibes bekräftigen eben dasselbe. Aus einem munde / der sich mit solcher schaamhaftigen bewegung eröfnet /kan kein falsches wort gehen. Und eben darüm können mir ihr reden anders nicht als angenehm sein.

Josef hatte ihm vorgenommen die Jungfrau von seinem eigenen selbstande gantz ab zu lenken. Dan es war ihm zuwider / so viel von sich selbst zu hören. Und aus diesen Ursachen hatte er sich / ihre sinnen und gedanken auf sie zurükke zu wenden / bisher bemühet; damit sie sich in ihr selbsten zu spiegeln anlaß bekåhmen. Ja nun trachtete er sie gar aus ihrer gantzen geselschaft zu entfernen / und an einen solchen ort zu führen / da sie noch weniger gelegenheit hetten auf ihn zurükke zu prallen. Die Jungfrau / sagte er /hat im begin ihrer rede Fürst Potifars gedacht. Von dem habe ich auch in meinem Vaterlande gehöret. Er mus gewis ein großer man sein / und bei dem Könige in hohem ansehen.[21]

Ja freilich ist er / nahm sie ihm das wort auf / so groß / daß er nach dem Könige die dritte stelle besitzet. Er ist nicht allein der oberste königliche Küchenmeister / und der oberste Halsrichter / den der König über alle gefängnüsse / ja über leben und tod aller seiner untertahnen zu walten und zu schalten gesetzt; wie ich zum teile schon gesagt: sondern er ist / auch ein Fürst aller fürsten aus dem Rahte des Königes. Er ist der oberste Hauptman der gantzen Ritterschaft /und des gantzen Reichs Mahrschalk. Zu allen diesen hohen würden hat ihn seine fürtrefliche geschikligkeit erhoben Dan ausser dem / daß ihn seine angebohrenheit mit den allerherrlichsten gaben / die ein solcher tapferer Fürst iemahls besitzen mag / mildiglich ausgezieret / ist er auch so gelehrt und erfahren in allen dingen / daß seine weisheit fast unvergleichlich. Diese so wohl göttliche als weltweisheit hat er in seinen jugendjahren von den Priestern zu Heliopel eingesogen. Da ist er gebohren. Unter denen ist er erzogen. Von denen hat er die kunde der Göttlichen geheimnüsse /der verborgenheiten der Natur / und alle fürtrefliche wissenschaften erlanget. Mit denen hat er sich in ihrer heiligen Sprache geübet: welches sonst keinem ausserhalb der Priesterschaft vergönnet wird. Und eben darüm ist er auch bestimmet / nach des hochbejahrten Heliopolischen Ertzbischofs ableiben / diese hohe und heilige würde zu betråhten: zumahl weil er ein gebohrner und selbst aus Königlichem bluhte entsprossener Fürst ist. Hierzu kommet auch noch dieses / daß er / wiewohl er im ehestande lebet / itzund vor unfruchtbar geurteilet wird.

So hat er dan keine Leibeserben gezeuget? fiel ihr Josef in die rede. Er hat zwar / fuhr die Jungfrau fort /bei der einen seiner Gemahlinnen zwei Kinder / ein Freulein / und ein junges Herrlein gehabt; davon dieses erst neulich gestorben: aber nach der zeit ist er /wie[22] man saget / unfruchtbar worden. Das Freulein /welches noch lebet / heisset Assenat: die der hochfürstliche Vater nicht lange nach ihrer gebuhrt den Göttern geheiliget; wie ihm der göttliche Ausspruch befohlen. Woher und wie / fragte Josef abermahl / hat man diesen Ausspruch bekommen; und was hielt er eigendlich in sich? Ich wil ihm alles / antwortete die Jungfrau / vom begin an erzehlen.

Potifar war schon etliche jahr verehligt gewesen: aber die Götter hatten seine Gemahlin noch nie mit Leibes früchten geseegnet: welches ihn sehr schmertzete. Als sie nun endlich / im fünften jahre ihrer ehe / mit einem sehr schönen Freulein / nähmlich der unvergleichlichen Assenat / niederkahm; da war der hochfürstliche Vater so froh / daß er vor großen freuden nicht wuste / was er beginnen solte. Erstlich richtete er ein großes und sehr köstliches Kindermahl an. Darauf erschien der König / mit seiner Gemahlin /selbsten: welche dieses neugebohrne Freulein / dem Vater zu liebe / vor ein Königliches Kind und eine Tochter des Reichs erklähreten. Die fürnehmste Reichsfürsten / samt des Königes hohen Beamten /stelleten sich gleicher gestalt ein. Dieser tag war der fröhlichste / den ich meine lebetage gesehen. Alle freude / die man erdenken kan / war alda zu finden. Die schällenspiele klungen. Die seiten sprungen. Die sänger sungen. Die trompeter bliesen. Die pfeiffer pfiffen. Die reientäntze warden geschwungen. Ja alles / was beweglich war / begunte vor freuden zu hüpfen. Und diese überschwängliche Lust währete vom mittage bis in die sinkende nacht.

Acht tage nach solchem Fürstenmahle stellete der fröhliche Vater auch ein Priestermahl an. Hierzu warden die fürnehmsten Priester von Heliopel / samt dem Ertzbischoffe / geladen. Dieser gab der jungen Assenat / nach so viel tausend glükwündschungen / die[23] man innerhalb zwölf tagen dem Herrn Vater getahn /auch endlich den seegen. Er legte die hände kreutzweise über des Freuleins heupt / und sprach: Der allergühtigste Gott Osiris seegne dich / und laße dich wachsen. Die allerliebseeligste Isis / die zweifache Gottheit / gebe dir langes leben / gesundheit / wohllust und freude. Ja alle Götter des Himmels und der erde wollen alle wündsche / die deinem Vater / dir zu liebe / geschehen / aufs beste erfüllen. Du heissest Assenat. Ja schöne heistu. Schöne wirstu sein an deinem leibe: darüm werden dich lieben die Fürsten. die Gewaltigen werden dich ehren. Schöne wirstu sein an deiner seelen: darüm werden dich lieben die Götter. Der Himmel wird dich ehren. Nach volziehung dieses seegens setzte sich der Ertzbischof / samt der anwesenden Priesterschaft / zur tafel: welche schon gedekt / und mit köstlichen speisen besetzt stund. Dieses Priestermahl ward eben so fröhlich / als jenes / volzogen.

Nachdem nun solche algemeine freude vorbei war /entschlos sich Potifar die Götter zu fragen: wie man dieses Freulein am besten erziehen / und was es endlich vor ein glük haben solte? Die Götter waren über vier jahr mit der Assenat / sie im mutterleibe zu bilden / geschäftig gewesen / ehe sie dieselbe zur ausgebuhrt kommen laßen. Darüm war der frohe Vater in alwege neugierig zu wissen / was doch aus einem solchen Kinde werden würde. Und diese neugierigkeit trieb ihn so an / daß er sich / straks nach der entschliessung / samt der Assenat / wiewohl sie nur drei wochen alt war / als auch ihrer Amme / nach Heliopel begab. So bald er in dieser heiligen stadt /dem Ertzbischoflichen sitze des gantzen Königreichs /angelanget / konte er kaum so lange warten / bis der Ertzbischof sich angekleidet / mit ihm in das Heiligtuhm der Sonne zu gehen.[24]

Alhier war es / da man das Freulein Assenat vor dem Sonnenbilde niederlegte. Der Ertzbischof tåht erst sein gebeht. Darnach traht er zu einem Betten; welches vor dem Sonnenbilde mit Nielwasser gefüllet stund. Alda sprach er etliche beschw \rungsworte: und Potifar selbst täht seine itztgemeldte zweifache frage. Straks hierauf begunte sich das wasser zu bewegen. Es sprang wållen- oder vielmehr hügel-weise in die höhe. Das war ein zeichen / daß die Gottheit sich / die frage zu beantworten / hinein begeben. Darnach drehete sich das wasser / als in einem kreuse / herüm. Endlich hörete man ein dunkeles zischen / mit einer gleichsam lispelnden stimme: daraus man diese worte gantz eigendlich vernehmen konte.


Imfal man dieses Kind mir heiligt straks itzund:

so wird es / wan der Niel ist zwanzig mahl gestiegen /

in eines Fremden arm' aufs höchst' erhöhet liegen.

Egipten / schikke dich zu ehren beider mund.


Weil nun Potifar diese des Sonnengottes Aussprache nicht eigendlich verstehen konte; so ging er mit dem Ertzbischoffe eine guhte weile darüber zu rahte. Im ersten reimbande war seiner frage vörderstes teil zwar deutlich genug beantwortet: nähmlich daß er seine Freulein tochter alsobald dem Sonnengotte heiligen solte. Aber wie und auf wasserlei weise solches begehret würde / war nicht angedeutet. Doch machte er diesen schlus. Weil er selbst gefraget / wie man das Freulein Assenat am besten erziehen solte? daß des Sonnengottes meinung sei / daß sie zu Heliopel / in der Sonnenstadt / weil er alda sein Heiligtuhm und wohnung hette / müste erzogen / und in solcher erziehung / gleichsam von der Welt abgesondert werden.

Schwerlich konte Potifar sich hierzu entschliessen. Schweerlich konte er so gar bald von seiner lieben Tochter[26] scheiden: darüm er die Götter / ehe er sie erlanget / mit so viel tausend seufzern / so lange zeit angeflöhet. Doch weil der Sonnengott selbst / der das Auge der gantzen welt ist / welches all es siehet / ein väterliches auge auf sie zu haben sich gleichsam erklähret; so gab er sich endlich willig darein / sie aus seinen augen zu lassen. Ja solches täht er üm so viel williger; weil er hofnung hatte in kurtzer zeit selbst zu Heliopel zu wohnen. Dan der Ertzbischof / sprach er bei sich selbst / ist schon so hoch bealtert / daß er nicht lange mehr leben kan. So bald er stirbet /komme ich in sein Ertzbischoftuhm / und dan zugleich wieder zu meiner Tochter. Hierauf fragte er den Ertzbischof: wo / oder wem er seine Tochter / damit sie den Göttern gebührender maßen möchte geheiliget werden / hinterlaßen solte? Dieser gab ihm zur antwort: Er kan sie auf der Sonnenburg laßen / welche alda gerade gegen meinem schlosse über lieget. Und hiermit täht er das Fenster auf / und zeigte sie dem Potifar. Sie stehet doch / fuhr er fort / ohne das ledig. Assenat kan sie / mit ihrem Frauenzimmer / wohl bewohnen.

Wer war froher als Potifar / als er von der Sonnenburg hörete. Diese war vor seine Tochter die rechte wohnung: welche die Götter durch den nahmen selbst darzu bestimmet / und eben unbewohnet gelaßen zu haben schienen. Alda konte sie überaus wohl von der welt abgesondert leben / und wan sie erwachsen / ungehindert den Göttern dienen. Dan sie ist rund herüm mit zimlich großen gärten und vorhöfen ümgeben: und diese seind mit einer hohen und starken mauer ümzogen; durch welche vier tohre / mit eisernen tohrflügeln / nach der Burg zu gehen. Und also kan Assenat von keinem menschen in ihrer Gottesfurcht gestöhret werden; weil niemand einiger zugang vergönnet.[27]

Auf diese Burg ward dan Assenat / mit ihrer Amme / von stunden angebracht. Auch lies man starks alle zimmer mit köstlichen prunktüchern auszieren / und mit andrem haus- und zier-rahte überfliessig versehen. Potifar hatte beschlossen / daß kein einiges mansbild / so lange sich Assenat alda aufhalten würde / auf diese heilige Burg / kommen solte. Darüm muste sie von lauter weibesbildern bedienet werden. Zur küche /zum keller / und andern dergleichen dingen / ja selbst zum anbau und wartung der Gärte / bestellen man niemand anders / als weibesvolk. Nur allein die tohre warden / ein iedes / achtzehen geharnschten Kriegsknechten zu bewachen anvertrauet. Doch solte keiner das hertz haben durch diese tohre hinein zu trähten. Und solches alles geboht und verboht er bei leibesstrafe. Damit aber die nunmehr geheiligte Assenat auch einige geheiligte Spielgeselschaft haben möchte / so lies Fürst Potifar sieben Töchterlein / welche mit seiner Freulein tochter in einer nacht gebohren / und aus ansehnlichen geschlechtern entsprossen / hier und dar aufsuchen. Diese alle warden / mit ihren Ammen /ebenmäßig auf die Sonnenburg gebracht. Alda solten sie mit der Assenat erzogen / und künftig / wan sie erwachsen / zu ihren Stahtsjungfrauen gebraucht werden.

Nunmehr haben sie alle / die Fürstin / und ihre sieben Spiel- oder Kammer-jungfrauen / beinahe daß neunde jahr erreichet. Und eben so lange seind sie auf dieser heiligen Burg gewesen. Vor ohngefåhr vier jahren hat man ihnen eine Lehr- und Hofmeisterin zugeordnet. Diese ist eine sehr verständige und tugendvolkommene Frau / aus einem vornehmen adlichem geschlechte. In ihrer jugend hat man sie in aller Egiptischen weisheit / sonderlich die den Gottesdienst angehet / unterwiesen: und hierinnen unterweiset sie wieder die junge Fürstin Assenat / mit ihren sieben Gespielen.[28]

Es seind keine sechs wochen verlauffen / da sie die Königliche Fürstin Nitokris / als der Assenat nahe Bluhtsverwantin / die ich selbsten begleitet habe / besuchte. Ich hatte viel von dieser jungen Fürstin unvergleichlicher schönheit und wunderwürdigen geschikligkeit gehöret. Darüm war ich so lüstern sie zu sehen / daß ich meine gnädigste Fürstin inständig anflöhete / mich vor andern mit zu nehmen. Und also sahe ich das schöne Wunder / das Bild aller tugend und zierligkeit. Ich hatte mir zuvor niemahls einbilden können / daß sie so gar schöne sei / als der gemeine ruf ging. Aber nun befand ich in der taht / daß man ihr nicht zuviel / aber wohl viel zuwenig Schönheit zugeschrieben. Darauf starks im ersten anblikke mein auge fiel /das waren ihre Augen. Darinnen vergafte und vertiefte / ja verirrete sich mein auge dermaßen / daß es sich daraus so bald keines weges zurükfinden / noch daran sat genug sehen konte. Diese allerschönsten åugelein /diese kleine sonnen verursachten / so waren meine blikke in ihren blitzlenden flämmelein verwürret / daß ich meiner augen eine lange weile nicht so viel mächtig sein konte / die übrigen leibesglieder dieses unvergleichlichen Engelbildes an zu schauen. Ja es waren /durch dis liebeflinkern / selbst alle meine sinnen so gar aus mir herausgerükt / und so tief in dis karfunkellicht entzükket / daß ich anfangs ihre so klahre / so reine / so lieb- und hold seelige sprache nicht hörete. Je länger ich der schönsten Assenat äuglein betrachtete / ie mehr ich veränderungen ihrer blikke fand. Und ein blik war immer schöner / als der andere: einer war immer lieblicher / als der andere: einer war immer sanfter / als der andere. Endlich kahmen die hertzentzükkenden hauffenweise herausgedrungen / ja geschossen. Diese waren so überaus scharf / und so mächtig / ja so durch alles hindringende / daß das stärkste hertz selbsten sich ihrer nicht zu erwehren vermochte.[29] Ja ich laße mich leichtlich bereden / daß sich der allerschlaueste und allerbehändeste vor solchen so tausenterlei bewegungen nicht genug hühten solte. Doch was wil ich viel sagen / eine einige bewegung ihrer süßen englischen Euglein bewog mehr / als tausend anderer auch wohl der schönsten menschlichen augen. Ja sie hatte nicht nöhtig / iemandes gunst zu gewinnen / den Limischen Bilderstein Hajaracht zu tragen.

Als ich mich nun endlich aus den strahlen oder vielmehr schleifstrükken und dohnen dieser wunderschönen Eugelein loß gemacht: da lies ich meine durch jene entzündeten blikke auf das allerlieblichste Röselein ihres zahrten Mundes fliegen / sie durch dessen zukkersüßen honigtau / wieder ab zu kühlen. Alda ward nicht nur mein auge / sondern auch mein ohr entzükt. Ja mein mund schlos sich vor ihrem zu: und meine zunge machte die ihrige verstummet. Ich sähe die lieblich- und lebendig- ja hoch-rohten Lippen: die als ein anmuhtiges Zukkerröselein / zwischen dem angenehmen hochweissem schnee ihrer liljenhaut herfürblinkten. Ich schauete mit verwunderung an / wie sie dieselben so ahrtig / so zierlich zu bewegen wuste. Ich hörete / man sie sich / in solcher wohlanständigen bewegung / auftähten / eine recht Englische stimme. Ja / worüber ich gar bestürtzt ward / ich vernahm /aus ihren süßen und zugleich majestähtischen reden /einen hohen verstand / eine gantz durchdringende kraft der vernunft und sinnen. Ich wuste nicht / ob ich einen Menschen / ein Frauenzimmer / oder einen Halbengel sprechen hörete: oder aber ob es gar ein volkommener Engel sei / der seinen himmel verlaßen /uns gebrechlichen menschen seine himlische volkommenheit blikken zu laßen. Ich sahe die Wunderfürstin zwar euserlich vor ein Freulein von acht jahren an. Und das war sie auch. Mehr jahre hatte sie nicht. Aber wan ich sie innerlich betrachtete / wan ich ihren fürtreflichen[30] verstand / in ihrer rede / hörete / und in ihren so überaus hertzentzükkenden gebehrden erblikte; so wuste ich nicht / was ich von ihr urteilen solte. Ich muste gestehen / daß ihre achtjährige jugend so manches zwanzig- ja dreissig jähriges alter übertraf. Ich muste bekennen / daß sie / so jung als sie war /eben so reif am verstande sei: und daß sie dadurch ein volwachsenes Frauenzimmer beschähmete. Ich muste / dan anders konte ich nicht urteilen / so hochvernünftig führete sie ihre reden / daß in der galten welt kein Frauenzimmer zu finden / das weiser sei / oder nur an weisheit ihr gliche. Es war mit lust an zu sehen / es war mit ergetzligkeit an zu hören; wie sie meine Fürstin so gar höflich / so überausliebseelig / und mit so sehr füglich angebrachten worten empfing. Ein iedes wort hatte einen sonderlichen nachdruk. Kein einiges ward leer ausgesprochen. Nicht eines war überflüßig. Alle miteinander ziereten ihre rede aus der maßen / ja so / daß nicht eines konte entbehret werden. Und es schien / daß sie zuvor alle und iede auf der goldwage ihres verstandes abgewogen / ehe sie eines darvon über die behände zunge heraus schiessen lies.

Wir verharreten bei ihr drei tage. Diese drei tage kahmen uns kürtzer vor / als drei vierteilstunden an unserm hofe. Dan diese zeit über hielt sie uns / so lange der tag währete / auch wohl zu weilen schier eine halbe nacht / fort und fort geselschaft. Der tag war kaum angebrochen / verlangte meine Fürstin schon die schöne Assenat zu sehen: welche auch ihr zu liebe früher aufstund / als sie sonst gewohnet. Dan diese zwo Fürstinnen liebsten einander dermaßen /daß keine der andern in der liebe nachgab. Und ob sie schon so ungleiches alter hatten / indem Nitokris bei sechs jahren älter war / als Assenat; so schienen sie gleichwohl eine seele zu sein; Ihre hertzen hatten sich gleichsam so zusammenverbunden / daß eine ohne die andere kaum leben konte.

[31] Nitokris wündschte wohl tausendmahl / daß Assenat an unserem hofe / und in ihrem zimmer wohnen möchte. Und Assenat wündschte / daß Nitokris auf der Sonnenburg bleiben müste. Aber alle diese wündsche waren vergebens. Es muste doch endlich geschieden sein. Wir musten wieder nach Memfis: und Assenat muste zu Heliopel bleiben. So hatte es das unümgängliche verhängnüs der Götter versehen. So wolte es Nefrem / und Potifar haben. Jener schrieb alle tage / daß wir wieder nach hofe kommen solten: dan er konte kaum einen tag ohne die Königliche Fürstin leben / so hertzlich lieb war ihm seine Tochter. Dieser hatte ein unveränderliches gelübde getahn / daß Assenat nicht eher von der Sonnenburg kommen solte / als bis es den Göttern selbst beliebte /sie / durch den Fremdling / in dessen armen sie liegen solte / von dannen abhohlen zu laßen. Und darüm durfte sie nicht von dannen. Sie muste bleiben / wohin sie ihr Herr Vater gleichsam verschlossen.

Alhier bei diesen letzten worten / erkühnete sich Josef / der Hofjungfrau in die rede zu fallen. Aber /fragte er / was vor eine deutung schlos Potifar aus dem andern teile des Göttlichen Ausspruches? Davon hat die Jungfrau noch keine meldung getahn. Ich zweifele nicht / Potifar / der in der Egiptischen so wohl göttlichen / als weltlichen weisheit / wie sie vorhin selbst sagte / erfahren ist / werde desselben auslegung auch eben so nahe / als des ersten / getroffen haben. Und was ihm darinnen gemangelt / hat vielleicht der Ertzbischof selbsten / als ein alter / in dergleichen dingen lange geübter und hocherfahrner Herr / ohne sonderliche mühe / die wahrheit errahten können.

Auf diese reden gab die Hofjungfrau zur antwort: sie hette von ihrem gnädigsten Fräulein gehöret / daß so wohl der Ertzbischof / als Fürst Potifar selbsten /die[32] letzten drei reimbände also ausgeleget. Nähmlich /daß auf eine gewisse zeit / welche die Götter ihrer alwissenheit allem vorbehalten / und also nicht nennen wollen / da der Niel zwanzig ellen hoch / das ist auf das höchste / gewachsen / ein Fremder ausländischer Herr der Assenat würde vermählet werden. Und dieser Herr solte / üm der Assenat willen / von den Egiptern / weil sie aus ihnen entsprossen / und er selbsten sie mit seiner beredsamkeit an sich ziehen würde / so wohl / als Assenat / sehr hoch geehret werden.

Wie verhelt es sich eigendlich / fragte Josef abermahl / mit dem anwachse des Niels? Ich habe viel darvon / aber noch nie die rechte beschaffenheit gehöret. Man hat mich berichtet / daß es im Egipten / sonderlich üm Memfis herüm / niemahls regnet: daher das erdreich so austruknete / daß es an vielen enden sich einer manslänge tief voneinander spaltete; und wo es von menschen oder vieh betråhten würde / vielmahls einen so dikken staub von sich gebe / daß er schier die gantze luft verfünsterte / und den reisenden sehr beschwerlich fiele. Aber die Göttliche vorsehung were diesem unheile / damit es das gantze Egipten nicht als zu eines staubsee machte / zuvorkommen. Sie hette den mangel des regens / durch den auf- und über- lauf des Niels / reichlich erstattet. Sie hette verschaffet / daß dieser flus alle jahr einmahl / und zwar in der dürresten zeit / überlauffen / und also das erdreich befeuchten / ja durch den aufgeführten fetten schlam gleichsam misten / und zum akkerbaue geschikt machen müste. Wie es nun mit diesem auf- und über-lauffe des Niels eigendlich zugehet / ist mir nicht erzehlet. Darüm verhoffe ich so bittseelig zu sein /daß ich solches aus ihrem leutseeligen und verständigen reden schöpfen möge. Und dasselbe verlange ich üm so viel mehr zu wissen; damit ich gründlich urteilen[33] könne / ob die erzehlte auslegung des Göttlichen ausspruches in allen stükken / dem eigendlichen verstande nach / getroffen sei. Dan ich laße mich bedünken / daß gemelte Erklährung vom dem wahren und rechtem grundziele zimlich weit abweichet / und es nur seitwärts und nebenhin berühret.

Die Jungfrau war über diesen reden sehr erfreuet. Ja sie verlangte gleichsam mit schmertzen / eine neue und nähere Erklährung der dunkelen worte des Göttlichen ausspruches zu vernehmen. Was vor einen angenehmen dienst / dachte sie bei sich selbst / werde ich der Königlichen Fürstin tuhn / wan sie dieselbe aus meinem munde wird erzehlen hören. Was vor einen lieben dank werde ich bei der liebreichen Assenat erwerben / wan meine feder ihr solches offenbahren wird. Ja mit was vor gnädigen anblikken wird Fürst Potifar selbsten mir begegnen: und was vor eine gnädige Frau werde ich wohl an der Fürstin Toote / des Freuleins Assenat Frau Mutter / bekommen; wan ich ihnen dieses werde erzehlen müssen. Dan ich weis /die Königliche Fürstin wird nicht lange schweigen können. Sie wird es der Fürstin Toote bald offenbahren; sonderlich wan dieses schönen Jünglings neue Erklährung der Assenat ein grösseres glük / wie ich verhoffe / als die erste / verheisset. Ohne zweifel wird sie es tuhn. Ohne zweifel stekt was großes darhinter. Ich sehe es diesem schönen Jünglinge an den augen an. Und darüm wil ich ihm üm so viel lieber wilfahren. Darüm wil ich ihm alles eröfnen / was ich weis; und solches bald bald.

Wohlan dan / sagte sie zum Josef / weil er das vertrauen zu meiner wenigen wissenheit träget / daß sie ihm mehr als ihm bewust ist / wiewohl ich aus seinen reden sehe / daß er schon viel weis / zu offenbahren geschikt sei; so wil ich seine bitte vor einen befehl annehmen /[34] und diesem zur stunde gehohrsamlich nachleben. Ich bin nur eine einfältige Jungfrau. Ich bin nicht geschikt meine reden ordentlich vor zubringen. Darzu weis ich sehr wenig. Doch was ich weis / wil ich alles entdekken: und geschiehet solches schon durcheinander verworfen; so laße ich mich doch damit vergnügen / daß ich seinem befehle so guht / als ich kan / gehorche. Sein verstand wird das verworfene schon ordentlicher entwerfen. Seine geschikligkeit wird das verworrene schon auseinander entwürren. Und seine scharfsinnigkeit wird aus meiner undeutlichen rede gleichwohl den rechten sin und die rechte bedeutung zu ziehen wissen.

So bald der liebliche Mei- oder Rosen-mohnd vorbei ist / und der rükgängige Kräbs / im Liljenmohnde / die Sonne von ihrer höchsten straße / wieder nach unten zu / gleichsam kräbs- oder rük-gängig gemacht: dan fället in der nacht über das Erdreich alhier ein fruchtbahrer Tau. Dieser wird zwar des tages / der großen dürre wegen / nicht vermärket: doch gleichwohl ist er ein gewisses zeichen und ein unfehlbarer vorbohte des im wachstuhme begriffenen Nieles. Auf den sechs oder sieben und zwanzigsten tag des Kräbs- oder Liljen-mohndes fänget sich dieses wachsen bei uns gemeiniglich an. So lange die Sonne im Kräbse bleibet / wird der anwachs zwar noch wenig gespühret. Etwan zwee oder drei finger breit hoch erhöbet sich der Niel auf ieden tag. Wan sie aber in den Leuen trit / und der Hundesstern aufgegangen / dan steiget er immer höher und höher. Dan wächset er erst einen halben fuß / darnach eine spanne: endlich gar eine elle / und so fort zu zwölf / vierzehen / sechzehn / ta aufs höchste zu zwanzig ellen zu: welches aber gar selten /und nur zu unsrem schaden / sonderlich wan er solche zwanzig ellen noch überschreitet / geschiehet. Wan er nicht höher als zwölf ellen wächset / wie es zu weilen sich zuträgt; dan hat man ein mis- und hungersjahr[35] zu gewarten. Wächset er dreizehn ellen hoch / dan bringet er wohl etwas / aber noch wenig fruchtbarkeit mit sich. Wan er aber vierzehen ellen erreichet / macht er das gantze Egipten / durch die hofnung einer reichen ärnte / fröhlich. Komt er auf funfzehen ellen in die höhe / so verheisset er uns getreidigs volauf. Ja wan er noch eine elle höher steiget / dan haben wir aus einer mehr als reichen ärnte / allerlei wohllust / und einen milden überflus aller dinge zu gewarten. Seine höchste höhe hat er gemeiniglich / wan die Sonne mitten im Leuen ist. Alsdan stehen alle lånder und äkker mit wasser überschwämmet. Und also tränket er das erdreich / wan es am durstigsten ist. Also machet er es fet / wan es am magersten ist. Ja er tränket es so wohl / und macht es so fet / daß es ein gantzes jahr genug hat. Von dieser zeit an beginnet er wieder zu fallen: aber viel viel langsamer / als er gestiegen. Dan er bleibet fast in derselben höhe / bis die Sonne in die Jungfrau gehet. Da sinket er algemach / und lauffet von den ländern mehr und mehr ab. Um das ende des herbstmohndes / wan die Sonne in der Wage stehet /ist er erst volkömlich von den äkkern abgelauffen /und wieder in sein eigenes ufer gefallen. Und also pfleget der Niel / wie er nach dem längsten tage zu steigen begonnen / erst recht von den feldern in seinem busem gefallen zu sein / wan man im herbste tag und nacht gleich gesehen. Alsdan wird / nicht lange darnach / in den feuchten schlam / damit er das erdreich gleichsam übertünchet / und alle aufgespaltene ritzen gefüllet / der samen ausgesået. Nach dieser saarzeit / die gemeiniglich mit dem weinmohnde zu ende leuft / stehet gleichwohl der Niel in seinem busen noch sehr hoch; und verharret in solchem stande fast den gantzen winter durch. Darnach beginnet er immer mehr und mehr zu fallen. Und dieses fallen währet bis zum ausgange des Rosenmohndes im folgenden jahre / ja oftmahls[36] noch länger / nähmlich so lange / bis der neue anwachs seinen anfang gewinnet.

Aber woher entspringet der Niel? fragte Josef noch weiter: und wie komt es / daß er eben mitten im sommer / da man die gröste hitze hat / da es / in den meisten ländern / am wenigsten regnet / und die luft /samt dem erdreiche / sonderlich in Egipten / am dürresten und truknesten ist / so hoch / ja selbst oftmahls zu zwanzig ellen zu / und drüber / in die höhe steiget /und viel ümliegende länder weit und breit überschwämmet? Es müssen ohne zweifel üm diese zeit daselbsten / da er seinen uhrsprung gewinnet / nach der sonderlichen beschaffenheit desselben luftstriches / große schlag- und platz-regen sich niederstürtzen. Auch kan es wohl sein / daß alda große und hohe gebürge / mit schnee überdekket liegen: welcher schnee von der großen sonnenhitze üm diese jahrszeit schmältzet / und den Niel / sonderlich wan gemelte stürtzregen darzu kommen / so jähligen und so über die mäße schwängert. Sonsten kan ich nicht begreiffen / wo eine solche mänge wassers so eilend und so gar plötzlich herkommen solte: sonderlich weil es hier zu lande das gantze jahr durch gar nicht / als nur nahe bei der see sehr wenig zu regnen pfleget.

Hierauf gab die Jungfrau zur antwort: diese beide fragen zu erörtern befindet sich meine wissenschaft zu klein / meine kündigkeit zu schlecht. Sie handeln von solchen dingen / die sich ausserhalb Egipten begeben. Die seind meinem verstande fremde. Gleichwohl wil ich ihm auch von diesen fremden dingen etwas / ja so viel als mir bewust ist / entdekken.

Ich weis mich noch wohl zu besinnen / was der Ertzbischof von Heliopel / als er mit der Königlichen Fürstin / dieser sache wegen / vor etlichen Wochen sprache hielt / hiervon geurteilet. Nähmlich daß der Niel aus dem abendteile des Königreichs Gojam / im Reiche[37] der Abissiner ober weissen Mohren gelegen /seinen uhrsprung hette. Alda liessen sich / im lande Sakela / auf einem sehr breiten hügel eines tahles /welches rund herüm mit hohen bergen ümgeben /zwee Brunnen einen steinwurf voneinander erblikken: welche man gemeiniglich des Niels augen zu nennen pflegte. Diese Brunnen / wiewohl der gantze hügel inwendig vol wassers were / davon auch seine gantze fläche vielmahls überaus zitterte und böbete / lieffen gleichwohl nicht über. Aber ihr wasser stürtzte sich mit großer gewalt unten am fuße des berges heraus. Alda würde er zu einem flusse: welcher mit vielen anderen flüssen hier und dar vermehret / durch unterschiedliche länder und Königreiche / mit vielen krummen buchten herüm schweiffete / und endlich nach Egipten zu seinen strohm fortsetzete.

Woher aber dieses Wasser / fuhr der Bischof fort /davon das eingeweide des berges / samt seinem gantzen bauche / vol ist / und unser Vater Niel entspringet / in gemelte zwee brunnen komme; hiervon walten unter den Naturkündigern unterschiedliche meinungen. Ich wil allein die meinige beibringen. Weil dieselbige gegend / da man sagt / daß sich des Niels brunnen befinden / überal mit sehr hohen bergen ümringet ist; so halte ich darfür / daß vom hange solcher berge das regenwasser so wohl / als der zerschmoltzene schnee / in das tahl herunter schiesset / und unter der gemelten breiten hügelfläche solches gewaltiggroße gewisser verursachet. Zudem kan es auch wohl sein / weil fast das meiste Mohrenland vol dergleichen verborgener wasserhöhlen sein sol /daß einer oder mehr flüsse / unter der erde hin / von den Mohnbergen oder anderswoher / da sich vom gebürge viel wassers samlet / in mehr berührten Sakelischen berg geflossen kommen / und sein eigenes wasser dermaßen heuffen / daß der mächtige Vater Niel daraus entstehet.[38]

Daß aber Flüsse unter der erde gefunden werden /ist nichts neues. Helikon / ein fllus in Mazedonien /nachdem er einen guten strich über der erde hin geflossen / stielet sich gleichsam / oder kreucht in dieselbe hinein / und schiesset so lange unter ihr hin / bis er / über zwanzig Griechische meilen / sich wieder heraus begiebet. Mehr dergleichen beispiele beizubringen ist unnöhtig. Dis einige sey uns vor dieses mahl genug.

Wan nun auf dem Sakelischen gebürge / als auch auf den Mohnd- und anderen bergen / in den heissen sommertagen / da zugleich auch in selbigen gegenden überaus große schlagregen fallen / der schnee von der hitze der sonne zerschmeltzet / und das schneewasser / samt dem platzregenwasser hauffenweise nach den Nielsbrunnen zugeschossen kommet; so kan daraus anders nichts folgen / als daß er Niel steigen / und endlich überlauffen mus. Hierzu kommen auch die Hundeswinde / welche seinen strohm / sonderlich bei uns / zurükhalten / und auftreiben; ja zugleich mit veruhrsachen / daß der Niel in unserem Reiche etliche tage später steiget und überleuft / als an denen örtern /da er seinen uhrsprung / aus so vielem herzufliessendem gewisser / gewinnet.

So viel und mehr nicht habe ich von des Ertzbischofs reden / die er gantz weitleuftig ausführete / behalten. Es waren dinge / darüm sich das Frauenzimmer sonst wenig bekümmert. Es waren sachen /die wir den gelehrten an zu märken / und zu erörtern befehlen. Sie gehen über unsern verstand / über unsern beruf / über unsere geflissenheit; die sich so hoch nicht versteigen. Darüm habe ich sie bloß mit einer überhinfliegenden achtloßheit angehöret. Ist mir nun im nacherzehlen einiger irtuhm entschossen / so wird er es mir verhoffendlich nicht verübeln.

Aber wir schweiffen von unserem hauptziele zu weit ab. Ich trage verlangen sein urteil über obgedachte Erklährung[40] des Göttlichen ausspruches / oder vielmehr seine eigene neue zu vernehmen. Die zeit entschießt uns unvermärkt: und die stunde ist schon da / die mir zu scheiden gebietet. Mich deucht / ich sehe meine Fürstin mir einen wink geben. Mich dünkt / ich höre / daß sie nach mir fraget. Darüm / kan ich bei ihm auch so bitseelig sein / wie er bisher bei mir gewesen; so laße er ihm doch bald belieben / mein kühnes anmuhten zu vergnügen.

Josef / der lieber reden hörete / als selbst redete /fing endlich solcher gestalt an. Ich bin der Jungfer einen nicht geringen dank schuldig. Die schuld /damit sie mich ihr verhaftet gemacht / kan ich schweerlich bezahlen. Mein vermögen ist zu schlecht. Alles ist arm / was an mir ist. Die armuht ist mein reichtuhm. Aber damit ist niemand gedienet. Damit kan ich nicht bezahlen / was ich ihr vor ihre gehabte mühe / die ich ihr selbsten gemacht / zu bezahlen verpflichtet bin. Doch gleichwohl wil ich das hällerlein meiner armuht gegen ihren dargereichten goldgülden setzen. Ja ich wil das sandkörnlein meines verstandes gegen den berg ihrer scharfsinnigkeit auf die wage legen. Sie wil es doch nicht anders haben. Sie gebietet: ich mus gehorchen. Und so rede ich dan / was meine schwache vernunft zu ergründen / meine leere sinnen zu besinnen / und mein unreiffer verstand zu verstehen sich erkühnen.

Fürst Potifar hat die Erklärung über das erste Reimband der Göttersprache sehr wohl getroffen. Besser würde niemahls Osiris selbsten seinen eigenen sin erklähren. So viel vermag mein schwacher verstand noch wohl zu fassen. Aber die übrige erklärung kan er nicht begreiffen. Die scheinet ihm was zu uneigendlich. Nach meinem schlechten urteile / müssen in der andern reimzeile / durch die worte zwanzig mahl / nicht zwanzig ellen / die der Niel zuweilen auf ein mahl[41] und in einem jahre steiget / sondern zwanzig jahre verstanden werden. Und also wird die vermählung der Fürstin Assenat nicht auf eine ungewisse /sondern aus eine gantz gewisse zeit angedeutet. Nähmlich nach dem zwanzigsten jahre ihres alters sol sie sich mit einem Ausländer vermählen. Mit dem wird sie / in Egipten selbsten / zugleich m den höchsten Ehrenstand erhoben werden. Ja das gantze Egipten wird ihm und ihr müssen nach dem Munde sehen /ihr gebot zu erwarten: welches durch das wort mund /in der Göttersprache / ausdrüklich angedeutet wird.

So wird dan der Ausländer / fiel ihm die Hofjungfrau in die rede / in Egipten zum Könige / und das Freulein Assenat / mit ihm / zur Königin erhoben werden; weil ihnen beiden das gantze Egipten wird müssen nach dem munde sehen / ihr gebot zu empfangen? Anders kan ich / redete Josef weiter / aus den worten des Götterspruches nicht schliessen. Zum wenigsten wird er der nächste nach dem Könige sein. Und der König selbsten wird ihn über alle maße ehren. Er wird ihm alle Königliche macht in seine hände geben. Ihm wird er so wohl / als seine untertahnen / selbsten nach dem munde sehen / seinen weisen raht zu empfangen. Dem wird er folgen. Nach dem wird er sich richten. Seinen worten wird er gehorchen. Er wird tuhn und laßen / was der Ausländer guht findet. Ja er wird sich gleichsam gantz und gar nach seinem winke richten. Und also wird der König nur dem nahmen nach König sein: der Fremdling aber in der taht selbsten. Dieser wird herschen an des Königes stat / ja als ein volmächtiger und freier König selbsten. Er wird sorge tragen vor des gantzen Reichs wohlfahrt. Alsdan wird Egipten blühen. Alsdan wird die Königliche macht / die nun noch zimlich gebunden ist / gantz frei und über alles erhoben werden.[42] Und diese freiheit wird ihr der fremde Herr / durch seine große weisheit / durch seine väterliche vorsorge vor das gantze Volk / zu wege bringen. Willig werden ihm alle Völker zu fuße fallen. Willig werden sie alle ihre freiheit seiner macht übergeben. Ja die Fürsten selbsten werden sich ihm unterwerfen. Ihm werden die Gewaltigsten des Reichs dienen. Auch nur seinem winke werden sie gehorchen. Kein einiger wird ihm widersprechen. Nicht einer wird sich ihm widersetzen / auch nicht einmahl muksen dürfen. Ja was noch mehr ist / ohne seinen willen wird sich niemand im gantzen Egipten unterstehen dürfen auch nur seinen fuß zu bewegen. So groß / so mächtig / und so fürtreflich wird seine herligkeit sein.

Mit großer verwunderung hörete die Jungfrau alle diese reden an. Ein iedes wörtlein schien ihr die Fürst in Assenat zur mächtigsten Königin zu machen. Wer war froher / als sie? Wer war zufriedener / als sie? Wer war vergnügter / als sie? Ihre geschöpfte hofnung hatte sie nicht betrogen. Mehr guhtes hatte sie gehöret / als sie gehoffet. Sie sahe den Josef mit freundlichen augen an. Mit den allerliebseeligsten blikken winkte sie nach ihm zu. Vielmahls öfnete sie den mund / ihm / der Fürstin wegen / zu danken. Aber ihre große freude zog diese dankworte immer zurük. Ihre übermäßige verwunderung drükke die lippen straks wieder zu. Und also saß sie eine guhte weile / in solcher freudigen gemühtsbewegung / gleich als stum. Ach! sprach sie in ihrem hertzen / welcher guhte Gott hat diesen guhten Engel zu uns geschikt / uns eine so fröhliche bohtschaft zu verkündigen? Wir haben gestern den Josef vor einen Engel angesehen. Nun befinde ich in der taht / daß er warhaftig ein Engel ist. Egipten mus ihn ehren. Egipten mus ihn anbähten. Egipten mus ihm danken / vor eine so angenehme zeitung / die er bringet. Was sol aber Assenat[43] tuhn? Die ist ihm am allermeisten verpflichtet. Die ist ihm am allernächsten verbunden. Kan sie ihm ihren dank nicht straks itzund blikken laßen / wird sie es doch zu gelegener zeit üm so viel hertzbrünstiger tuhn. Mit der zeit wird es sich alles wohl schikken. Inzwischen wil ich / wiewohl ich dessen unwürdig bin / ihre stelle verträhten. Ihrentwegen wil ich ihm danken. Ich wil / ja mus es tuhn: straks straks.

Hiermit erhub sich diese holdseelige Jungfrau von ihrem stuhle. Itzt stehe ich auf / sagte sie / meinen abschied zu nehmen. Ich mus gehen / dahin mich meine Gebieterin bestellet. Aber mein hertz wird hier bleiben. Meine gedanken mus ich hier laßen / ihm / o allerleutseeligster Engel / vor seine so. freudenreiche bohtschaft hertzinniglich zu danken. Ich meine die neue / die nähere Erklährung des Ausspruchs der Götter. Seine so klahre Erklährung meine ich / die mir das Hertz gerühret: seine so wahre Erklährung / die mich aus mir selbst entführet: seine so schöne / so herzliche / so erfreuliche Erklährung / davor ihm der allerersinlichste dank gebühret. Darf ich elendes Erdgeschöpfe ihm / o himlischer Engel / der Fürstin Assenat wegen danken; so gebe er mir selbsten anlaß /daß ich ihm mein dankbahres gemühte rechtschaffen und in der taht kan blikken laßen. Meine dienste stehen bereit. Sie warten auf seinen wink. Ich werde froh sein / wan ich gelegenheit bekomme / an stat lediger dankworte / ihm aus dankgesintem hertzen zu dienen. Worte seind bald ausgesprochen. Bald verschwinden sie auch. Ja sie nützen weniger / als nichts. Sie fliegen / mit der warmen ahtemsluft / in die kalte und weite weltluft. Alda zertreibet sie der wind. Alda ergreiffet und vereitelt sie der sturm. Zum wenigsten macht er sie zu sonnensteublein. Aber was können diese zu einem würklichen danke helfen. Wie können diese eines tähtigen dankes nahmen verdienen? weil sie[44] nur staub seind / ja weniger als staub. Den staub kan man noch fühlen. Den kan auch ein grobes / ein dunkeles auge sehen. Aber solche steublein entschlüpfen uns aus den händen / aus dem gesichte / auch den allerbehändesten / den allerscharfsichtigsten. Und eben darüm wil ich nicht viel worte machen / ihm mit leeren worten zu danken: die keines gegendankes / ja keiner bohne währt seind. Ich wil keine unnütze wortgepränge / viel weniger hochfliegende prahlworte gebrauchen: die uns nur einen hohlen und leeren tohn /wie scharf / ja süße er auch klinget / ins ohr / und keinen / als einen ledigen dank in die hand geben. Ich wolte ihm gern in der taht danken / daß er meinen dank nicht nur hören / sondern auch wahrhaftig sehen / fühlen und empfinden könte. Und darüm bitte ich ihn zu guhter letzte noch einmahl / mir gelegenheit zu einem solchen danke an die hand zu geben. Hiesige meine bitte kan sein befehl vergnügen. Nach volendung dieser worte nahm sie abschied vom Josef / von ihren Bluhtsverwanten / ja von allen im hause / welche sie sämtlich hertzlich seegnete; und begab sich also von stunden an wieder nach hofe.

Quelle:
Philipp von Zesen: Assenat, Amsterdam 1670, S. 1-45.
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