1956.

[1868] 1.

Dem heiligen blut des Herren zu gefallen gehn wir mit andacht und mit liebe wallen. Die wunden frohn seyn unsre wonn.

2.

Gegrüsset seyst du in deinem blute! komm uns und allen sündern zu gute, wir ruffen dich an demüthiglich.

3.

O Jesu! dein blut für uns vergossen, und übern leib auf die erde geschossen, besprengt die ganze welt mildiglich.

4.

O blutger Heiland! ich möcht dich umfangen, an dem viel tausend bluts-tropfen hangen, auffassen den blutigen saft.

5.

Um all' seine blutige wunden will ich den preisen zu allen stunden, der uns durch sie erlöset hat.

6.

Ich werfe mich zu deinen füssen, die will ich umspannen, küssen und grüssen, ich weiß mir auch sonst nirgends hin.

7.

O heilige seit! in dir will ich liegen; wenn mein leib liegt in den letzten zügen, meine seel behend fährt in die lend.

8.

Das erste blut, so Jesus vergossen, nachdem acht tage[1868] zeit verflossen, schreyt zu Gott um barmherzigkeit. :l:

9.

Er ist als Gott vom himmel kommen, aber der menschheit hat ers gewonnen, daß ihr all'knie gebogen seyn.

10.

Einen Heiland bedenk mir dieser namen, so uns versprochen aus Davids samen, der uns mit blut erlösen soll.

11.

So edel und süß wir den namen funden, so schreklich ist er den höllischen hunden, geschrieben mit rosinfarben blut.

12.

Du sollst die klein und grossen knaben für deine erste wunde haben: jünglinge halten sich ihr in ehr: was wär die ehe, wenn sie nicht wär?

13.

Wo ist gefunden so unverdrossen ein gärtner, der seine blumen begossen mit eignem schweiß und theuren blut?

14.

Den gärtner hab ich am ölberg gefunden; eh er von Jüdischen händen gebunden, sprengt er durch alle schweiß-löcher blut.

15.

Sein schweiß mit theurem blut vermenget, ausm ganzen leib den garten besprenget, den er dem Vater zur lust gab.

16.

Draus viel bekenner und märtrer kommen, jungfrauen und witwen, als schöne blumen, mit welchen die kirch so schön geziert.

17.

All jammer, angst, schwitzen, all leiden und kämpfen will ich mit seinem schmerze dämpfen, der kömt mir nie aus meinem sinn.

18.

Dein schweiß und blut laß über uns regnen, uns kan auf erden nichts besser segnen, o theurer schweiß, o heilges blut!

19.

Mit geisseln, riemen, zerfleischt, zerschlagen, zerrissen, blutig, voll wunden und plagen war dein jungfräulich zarter leib.

20.

Wer hat doch, Herr! dein fleisch umfangen, und hat im geist kein gnad empfangen? Dein fleisch und blut mich speisen thut.

21.

Ein tröpflein laß herspritzen und springen von deinem leib, und mein herz durchdringen, so ist mein' arme seel getröst.

22.

Mehr als ein tröpflein von oben thut fliessen; dein blut-schatz ganz häuffig die erd begiessen, o was eine grosse gütigkeit!

23.

Wer kan, o Herr! deine lieb durchgründen? Wer kan[1869] durchforschen deine wunden? Ihr wunden, geht auf, und laßt mich ein!

24.

Von sohlen um scheitel kein gesunden fiekken find ich, da man eine nadel möcht stekken, so bist du überall zerpeitscht.

25.

Durch deine blutige striemen und beulen sind wir geheilet vom weinen und heulen; hast uns erhalten zur ewigkeit.

26.

Nachdem du geduldet strikk', ketten und riemen, zerfleisch mit geisseln, voll beulen und striemen, wardstu verhöhnt, mit dornen gecrönt.

27.

O beulen! o wunden! o plagen! o striemen! o geisseln! o wunden! strikk', haken und riemen, mit blut seyd ihr gefärbet roth.

28.

Meines herzens allerliebstes herze! dich will ich verehren in dörnern und schmerze. Du edle ros'! deine liebe ist groß.

29.

O blühende ros' mit dörnern durchstochen, wie lieblich hat dein leib gerochen! In deinem geruch ich lauffen will.

30.

Kein' müh und arbeit hast du gesparet, kein tröpflein blut im haupt verwahret, es must für mich vergossen seyn.

31.

Durch dieses blut muß himmel und erden, wollen sie frucht bringen, feucht gemacht werden, auch ich durch euch, ihr wunden frohn!

32.

Sein schweres creuz muß Jesus tragen, dadurch erneuert seine wunden und plagen, das blut über die schultern rollt.

33.

Aus grausamer geißlung ganz schmerzlich versehrt, auswechslung der kleider erfrischt und verzehrt, war sein fleisch stark daran gebakt.

34.

Den berg nauf trug ers, fiel oft zur erden demüthig, gedultig in allen gebärden, kroch er wohl auf die schädel-statt.

35.

Viel blutige fußtritt hat er uns verlassen auf dieser so schweren und schmerzlichen strassen; es schnaufft und schwitzt der kraftlose Herr.

36.

Unschuldigs Lämmlein! du must auf den schragen; man wird händ und füß mit nägeln durchschlagen; an der schlachtbank erstummen must.

37.

Nach bitterm labtrunk des eßigs und gallen zieht man ihn aus, das blut thut wallen übern versehrten schwürigen leib.

38.

Ganz bloß und nakkend ist er gestanden vor aller welt[1870] zu spott und schanden, sieht an das creuz, so vor ihm lag.

39.

Man warf ihn rüklings auf harten boden, ward an das schmählige creuz erhoben, mit nägeln an das holz geheft't.

40.

Der Herr genagelt und geschlagen, will uns kein blut im leib versagen, mit gewalt aus händen und füssen es fließt.

41.

Trink eins sein' heilige blutes-säfte, darin verborgen göttliche kräfte, die machen uns sein'm bilde gleich.

42.

Ein' wunde find ich in der seiten, durch die wir in den himmel schreiten, aus welcher fliesset öl und wein.

43.

Fürs heilige blut will ich mein herz verkauffen, so thue dich auf, und laß mich neinlauffen; o blutiger Jesu! laß mich nein.

44.

Virbirgst du mich in deiner Seiten tief werd ich in die Gottheit schreiten. In deine brust begrabe mich.

45.

Aus dieser seiten zum ewigen leben kömt leib und blut zum abendmahlgeben, ohne das ist kein sacrament.

46.

Herr! durch die fünf rosinfarbne wunden hast du sünd, teuffel und tod überwunden; bringst freud und wonn o gnaden-brunn!

47.

Dis heilige blut gibt Gottes-kräfte, den pilgern trost, und heils-geschäffte. So kommt nun wallen, jung und alt, zu ehr'n der heiligen bluts-gestalt.

48.

So sey gegrüßt, du heiliges blute, das uns ist gegeben vom höchsten Gute; mit deiner kraft uns balsamir, und bad und wasch, und salb und zier.

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 1868-1871.
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