2123. Zur Ordination

[1994] Mel. Christi blut und gerechtigk.


1.

Ach Mutter! seit ich deine hand zuerst auf meinem haupt empfand, die mich zum wunden-pfärrelein mit Gottes macht geweihet ein;

2.

So bin ich noch als wie betäubt; wie einer, der so stehen bleibt, und dem mans an den augen liest, daß ihm was wiederfahren ist.

3.

So etwas zitterhaftiges, so etwas sacramentliches, so eine flamme aus der höh, so eine tieffe Gottes-näh,

4.

Erwartete ich wahrlich[1994] kaum; drum war ich auch wie halb im traum: ich fühlte nur, und wenn ich mich noch itzt besinn, so weine ich.

5.

Ich fühlte, daß was auf mich kam, ob ich gleich sonst kein wort vernahm, als das: Nun geh und löse dann, was los seyn will, von seinem bann.

6.

Des bindens wurde nicht gedacht, weils lösen sich weit besser macht, was sich nur in die blutge füll als ein sünder verkriechen will.

7.

Das haupt-stük vom departement, das wir von unserm HERRN empfahn, so lange wir öconomi mysteriorum bleiben hie.

8.

So, herzen! war mir da zu muth; es regete sich geist und blut: Mann, Mutter, Abba, Jehovah, und ihre Rhille fühlt ich da.

9.

Und nun kömt heute noch dazu in blik auf das so selge nu, da ich der Jesus-gnaden-schaar zuerst mit einverleibet war.

10.

Da wein ich, und ich zittre hin zu meinem Mann, ich seh, ich bin ein theilgen der election des proper-guts vom Gottes Sohn.

11.

Ich fühl zur demonstration kein bißgen inclination: mein herze thränt und rühret sich, wenns hört: Gott ward ein mensch wie ich.

12.

Ich weiß von keiner fuga mehr vorm erceßivsten von der lehr, und von der wunden-mahlerey; mein ganzes herze fällt ihr bey.

13.

Doch ist mir auch der kirchen-leib, des blutgen mannes ehe-weib, ein solches venerabile, daß wenn ich denke, hör und seh,

14.

Da bist du ein partikelchen, so möcht ich wol vor schaam vergehn; und denk: Wie kömst doch du hieher? so heists: Durchs kalte loch vom speer.

15.

So steh ich, liebe Herz-Mama! mit einer zarten neigung da, fürs Lamm, sein volk, und personell für dich, das fühlet deine seel.

16.

Drum bitt ich dich, spar' keine müh an mir, nach meines Mannes vüe, die er und du von mir gefaßt, bis daß Euchs und dem Vater paßt.

17.

Ich leg mich auf dein Mutter-herz; bey Jesu, dem ich so viel schmerz gekostet, bin ich itzt zu haus, und übers ewige hinaus.[1995]

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 1994-1996.
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