2126.

[1998] Mel. Die braut spricht zu dem etc.


1.

Dem Gott, und Herrn, und Manne, dem blutgen Marter-Lamme, das mich so absolvirt, daß ich vor schaam zerfliesse, dem küß ich seine füsse, daß er mich aus dem bann geführt.

2.

Ich war mir recht beschwerlich, bedenklich und gefährlich, ich wuste selber nicht, was lügen oder wahrheit; denn ich war aus der klarheit verrükt von JESU wunden-licht.

3.

Bald rührte mich die gnade, die eine solche made gern hätte aufgerafft; allein die herzens-tükke die zogen mich am strikke heraus aus meiner sünderschaft.

4.

Bald schien ich mich zu beugen, und vor dem creuz zu neigen; ja, öfters gings so weit, daß ich mit heissen thränen, mit herzens-weh und sehnen verlangte die erlösungs-zeit.

5.

Doch blieb mir etwas sitzen, das sich ins herz zu sitzen bequeme winkel sucht, und das bey aller regung und fühlbarer bewegung dem sünder-werden heimlich flucht.

6.

Ich wolt es gerne nennen, und öffentlich bekennen, wie man das übel nennt; allein es hilft doch keinen, als denen, dies mit weinen beym blutgen wunden-strahl erkennt.

7.

Der kan die herzen schmelzen, und alle höhen welzen, die um das herze stehn, die Satan mitgeführet, und die man approbiret, bis man sich selbst im netz gesehn.

8.

Der wunden rothe fluthen, die von dem Lämmlein bluten, die sind es ganz allein, die brechen durch die dämme mit ihrer gnaden-schwemme, als aufgehaltne ströhme, ein.

9.

Die rissen mir auch nieder, was dir in mir zuwieder und unanständig war, was hart und unempfindlich, was hoch war, was nicht kindlich sich beugte vor der creuzes-lahr.

10.

Nun fühl ich dein vergeben, ich spüre neues leben. Herr Jesu! mach mich ganz, hang alle eigenheiten auf zeit und ewigkeiten, an deinen spitzgen dornen-cranz.

11.

Die gruft, in der ich stekte, die fluth, die mich bedekte, seh ich noch neben mir; drum brauche ich dich stündlich gar fühlbar und[1998] empfindlich, sonst irr ich wieder weg von dir.

12.

Soll ich noch länger schweben, so laß mich künftig leben als wie ein sünderlein in deiner Creuz-Gemeine, der dir geweihten Eine, in deiner augen hellen schein.

13.

Dann sprich zu deinem weibe, daß sie mich einverleibe in derer sünder zahl, die die erlaubniß haben, sich seliglich zu laben an deinem heilgen abendmahl.

14.

Doch bin ich gerne stille, mein wehlen sey dein wille, ich habe kein recht, keins, ich bin ein schnöder sünder, doch aber auch der kinder vom kripplein Bethlehem so eins.

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 1998-1999.
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