43. Auf Friedrichen, Herrn von Watteville, vor seiner Abschikkung an den Cardinal von Noailles

[128] 1725.


So wagt sich, theurer Freund! zu dir derselbe Kiel,

Der zwar nicht ganz und gar des Schreibens unerfahren,

Der aber auch ein Feind vom blossen Wörter-Spiel,

Und sonderlich den Ruhm der Freunde pflegt zu sparen.

Man siehet, daß er sich nun offenbarlich regt:

Nicht dein verdientes Lob der Erden kund zu machen,

Als welches Amt der Herr an jenem Tage trägt;

Er will nur itzt der Welt und ihrer Thorheit lachen.

Sobald man sich bekehrt, so ist es ausgemacht,

Und stammte man vorher aus Wittekindes Lenden,

Den man der Hoheit selbst zur Wurzel ausgedacht;

So wird sich unversehns das Blat der Ehren wenden.

Die ganze Welt erstaunt, wie herrlich jener Mann,

Bey aller Redlichkeit, an Geld und Gut geworden:

Kaum aber, daß er sich zu Gott bekehren kan;

So eilet sie mit ihm zum nächsten Bettel-Orden.[128]

Warum? Was ist der Welt? Sie läßt sich einerseits

Von einem Christenthum, bey eitler Welt-Lust, träumen:

Wie? kan die Thörin dann mit Christi hohem Creutz

Die Hoheit ihres Stuhls auf keine Weise reimen?

Wenn sich ein fremd Gesicht in ihren Grenzen zeigt,

So pflegt sies jedermann an Würde vorzuziehn:

Der Fremdling aber sey nur Christo zugeneigt;

So mag er nur fein bald aus ihrer Gegend fliehn.

Der wird geschwind ein Graf, aufs wenigste Baron,

Der in der Fremde nur das Seinige verbrauset;

Der aber scheint der Welt, wo nicht ein Huren-Sohn,

Doch nicht viel ehrlicher, dem vor der Welt-Lust grauset.

Wer sich der Eitelkeit der Welt gebrauchen kan,

Und weiß mit falschem Glanz sein Nichtsseyn auszumahlen,

Der trete nur getrost vor alle Welt heran,

Von Reichthum, Klugheit, Stand, von was er will, zu prahlen.

Die Erde ruht auf Wind, (vergönnt mir dieses Spiel,)

Drum klingt ihr nichts so groß, als solcherley Getöse,

Da wisse man nur nichts, nur rede man fein viel;

Man habe gleich kein Herz, man thue nur sehr böse.

Verzeih! dem Lauf der Welt, Erlauchtes Herren-Haus,

Du Kleinod Arelats, du Burg von Watteville!

Gehn gleich von deinem Stamm die höchsten Sprossen1 aus,

Doch schweigt der Vorwitz selbst von deiner Würde stille.

Warum, der edle Zweig, den Teutschland jüngst gesehn,

Und der nun unter uns in Wunder-Segen blühet,

Hat, Gott sey Dank! gelernt, dem Lamme nachzugehn,

Und um den Preis der Welt sich lange satt bemühet.

Das prächtige Paris bezaubert ihn nicht mehr;

Das schlechte Bertholdsdorf vergnüget seine Sinnen:[129]

Die Schätze von Papier gereuen ihn nicht sehr,

Nachdem es ihm geglükt die Perle zu gewinnen.

Es hält der Staat von Bern die grosse Standes-Pracht

Mit seiner Bürgerschaft kaum würdig zu vergleichen,

Daher er auch nicht viel von hohen Häusern macht;

Hier wird ein eitler Mensch nicht leicht den Zwek erreichen.

So bükt den äussern Stolz die tugendhafte Schweitz;

Doch aber kan sie ihn nicht aus dem Herzen bannen:

Die Kunst kan Jesus nur mit Seinem rauhen Creutz,

Kommt Der ins Herz hinein, so muß der Stolz von dannen.

Diß war die Wunder-Kraft, mein theurer Watteweil!

Die dich von Welt und Fleisch, und von dir selber trennte;

Dein Welt-Sinn bebete vor des Gesetzes Keil,

Indem sich deinem Geist der Freund mit Namen nennte

Wie selig bist du nun! Wie wenig liegt dir dran,

Ob dich die eitle Welt für Hochgeboren achtet:

Denn werden nur dereinst die Bücher aufgethan;

So wird dein wahrer Rang nur desto mehr betrachtet.

Was fragest du darnach, man denkt, du habest nichts,

Indessen, daß du selbst den Mammon von dir schiebest;

Dein zeitlich Gut erquikt schon manches Kind des Lichts,

Seitdem du äusserlich die Armuth Jesu liebest.

Ich bin ein Knecht des Herrn, ich darf des Lobes nicht,

Und mag den Brüdern selbst kein eitles Lob ertönen:

Ich weiß es auch im Herrn, wie wehe dir geschicht

Mit Lob beschämt zu seyn vor denen Menschen-Söhnen.

Ich breche willig ab, diß eine muß ich doch

Dem Herrn der Herrlichkeit zu Ehren frey bekennen:

Ich gehe deinen Weg, ich zieh an gleichem Joch;

Und darf mich gegen dir nur einen Schüler nennen.

Du hast, o Seelen-Freund! der wunder-schönen Eh'

Des Wattevillschen Paars nun einen Sohn gegeben;

Gib, daß die ganze Welt an diesem Hause seh:

Wie groß die Menschen seyn, die blos für Jesum leben.

Fußnoten

1 Das Haus derer des H.R.R. Erb-Schatzmeistere Grafen von Sinzendorf und Burggrafen zu Reinek ist eines von diesen Sprossen.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 128-130.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.

158 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon