87. Auf des Jenaischen Theologi, D. Buddei Hingang

[237] 1729.


Fleuch, Vater! fleuch! die Stätte hält nicht Stand.

Das Kedars-Zelt läßt deinen Fuß nicht ruhen;

Bemühe dich ihn hurtig auszuschuhen:

Die Stätte, da man ruht, ist heilig Land.

Komm, Eiferer! um unsers Gottes Haus:

Egypten ist zurük, die Wüsten aus.


Die Lection ist stark für einen Mann,

Der sich nicht gut in Gottes Wege schikket,

Warum der Herr dich itzt dahin gerükket?

Es war ja nicht mehr weit nach Canaan.

Allein ich bin gewiß, der Herr hat recht:

Spricht Er zum Knechte: Komm! so kommt der Knecht.


Ihr Hauffen, die ihr unsern König kennt,

Läßt Juda sich nach allen seinen Stämmen,

Durch Asahel im Lauf auf einmal hemmen,

Weil er sich ihres Herzogs Bruder nennt;[237]

Gewiß! Ihr hört so bald nicht das Getön:

Buddeus ist dahin! so bleibt ihr stehn.


Du sehend Aug, auf Christi Creutz gericht't,

Geöffnet und verklärt im Niederknien,

Du am Altar vom heissen Kohlen sprühen,

Gerührt, geheiligt, und entflammtes Licht!

Dein Demuths-Blik gewann der Liebe Sinn,

Der Rükken bükte sich zum Creutze hin.


Wer um den Unterschied der Glieder weiß,

Die sich an Christi Leibe brauchen lassen,

Der kan dich bald in größter Liebe fassen.

Die Treu in deinem Theil treibt ihren Schweiß:

Und daß du mit an Christi Creutz gehört'st,

Zeigt, was du aus dem Herzen schriebst und lehrt'st.


Ihr alle, die ihr von ihm hergestammt,

Auf! Jena! auf! erhöht durch grosse Siege,

Auf! auf! Ihr Streiter in des Herren Kriege,

Erkennet dieses euers Fürsten Amt.

Ihr, die ihr Babel schleifen könnt und sollt,

Wenn ihr nur Hirten-Knaben werden wolt't!


Hat nicht der Mann, den euer Seufzen nennt,

An einem Ort ein doppelt Gut vereinet,

Das dieser Zeit kaum zu verbinden scheinet,

Die so gar wenig Guts beysammen kennt,

Den Ruhm der orthodoxen Reinigkeit,

Das Zeugnis, daß die Kirch um Beßrung schreyt.


Das eben ists, was mich mit ihm verband,

Der ich ganz kein Geheimnis daraus mache,

Daß eine Kirch-Verwandlung keine Sache,

Denn ohne Glieder hat sie nicht Bestand;

Daß aber auch in jeglicher Gemein

Ein Muster von der Kirche solte seyn.
[238]

Wenn ein Student den Kopf mit Bildern füllt,

Wie eine Kirchen-Republic zu tichten,

Und will dereinst sein Kirchspiel darnach richten,

Ists eben wie mit Doctor Luthers Bild:1

Doch wehe dem, der davon nichts versteht,

Was mitten im Verderben gleichwol geht.


Wer Luthern nennt, der hat den Rükken frey.

Nun hat uns Doctor Luther hinterlassen,

Und zwar im Büchlein, das die Kinder fassen,

Daß dieses erst die rechte Kirche sey:

Wo man das Wort der Wahrheit lauter lehrt,

Und wo sich auch das Volk dadurch bekehrt.


Die Lehre halt ich über Hof und Haus.

Zwar wagts die Welt mit unsers Meisters Lehren,

Sie hin und her zu wenden und zu kehren;

Wo aber die verkehrt wird, so ists aus:

Und bleibet sie, (wie billig,) ewig wahr,

Was fehlt uns noch am Attischen Altar?


Der selge Mann wars völlig überzeugt.

Er hoffte zwar, es solte sich noch geben,

Es würde sich die Hütte Gottes heben,

Zu der er sein Geschenk mit dargereicht.

Doch, langes Thun, und eine kurze Zeit,

Erfordert bey dem Fleiß Geschwindigkeit.


Und hielte gleich des Mannes kluger Geist

Nicht allzuviel auf weitgesuchte Dinge,

Damits dem Reich des Herrn nicht mißgelinge,

(Gedanken, die ein andrer übrig heißt!)

So bleibt doch mir bey allem Sonnen-klar,

Daß er des Reichs der Kraft Gehülfe war.
[239]

Ein grosser Mann erfordert sonderlich

Den Ursprung aller Sachen auszufragen;

Ist diß, so kan man wohl mit Wahrheit sagen,

Daß dieser nicht mehr einem Neuling glich:

Denn Franke ist nur erst von Erfurt weg,

So wird auch schon der Selige sein Zwek.


In Gotha wars, da kam der Musen-Sohn,

Um Frankens schon bekanten Geist zu prüfen,

Er gab ihm was von den gelehrten Briefen,

(Man nennet sie sonst Disputation,)

Da war ein Satz von Plato angeregt,

Und Zweifels-frey gehörig widerlegt.


Herr Franke liest: von des Platonis Satz:

Wie daß in Gott kein Intellect vorhanden,

Auch werde Er von niemanden verstanden,

Recht! dieses hat auf hohen Schulen Platz,

Spricht Franke, daß ihr nichts von Gott begreifft:

Buddeus denkt, daß ihn der Donner streift.


Er eilt zurük nach seinem Saal-Athen,

Läuft aber gleich dem Schützen2 vor den Bogen,

Der in der Zeit, dem Bräutigam gewogen,

Sich Mühe gab Ihm Seelen zu bestehn;

Und als er auch von dar nach Coburg wich,

Rief Hasselt schon: Was Friede: wende dich!


Ein so gehetzt und umgetriebnes Reh

Sucht Ruh und Rast, und eine Wasser-Quelle.

In Halle war das Wasser gut und helle.

Das Gnaden-Licht entdekt ihm diese Höh,

Da ward sein Geist von einem Mann erquikt,

Der immer denkt, daß er nur Netze flikt.


Hier brach er aus, und zeigte munter an,

Er mache sich nunmehr das Creutz zur Ehre,[240]

Drum brachte er der Böhmen Märtrer-Heere,

Und ihre Zucht, gleich Luthern, auf die Bahn.

Er sagte frey: So wars, und so wars gut,

Und selig ist (beschloß er,) wer es thut.


So gehe, sprach der heilge Wächter-Rath,

Und thue nun an deinem Ort deßgleichen,

Nach Jena hin: Du wirst den Zwek erreichen,

Du wünschest viel, bereite dich zur That.

Du kömst zurecht; denn der getreue Stolt

Ist bald vorbey: Nim seinen Dienst und Sold.


Buddeus trat, auf seines Meisters Wort,

In Jena auf, und zeugte vom Catheder.

Der Stolte war, in seinem Theil, nicht blöder,

Nur band er sich an keine Zeit und Ort:

Und da er sah', man wäre seiner satt,

So ging er dann in eine andre Stadt.


Buddeus blieb des Himmelreichs Agent

Bey einem Volk, dem unsers Königs Fahnen

Nicht anders sind, als Feindes Unterthanen,

Da ist man gern nicht sonderlich gekennt,

Man öffnet sich den Wohlgesinnten blos,

Und wirkt indeß aufs Königs Nutzen los.


Hört Cramern nur, (den treu-Gesinnten an,

Herr Rambach mag sich ebenfalls erklären,

Den dritten Mann kan uns Herr Christ gewähren,

Die Lieben: Hildebrand und Zimmermann,

Die zeugen ja dem selgen Manne frey,

Daß er ein Freund des Herrn gewesen sey.


Wer giebet doch den Thoren Unterricht?

Ich meyne hier dieselbigen Gelehrten,

Die Christi Stuhl gern überall zerstörten,

Und krümmen ihm doch keinen Nagel nicht;

Daß ihre Einigkeit sich gerne zankt,

Und unsre sich des Widerspruchs bedankt.
[241]

Begreifft ihrs nicht, ihr Academici!

Ihr, da der Spruch des Plato eingetroffen,

Daß ich noch was kan von Buddeo hoffen.

Ja, daß ich ihn nicht ins Gerichte zieh,

Noch mehr! daß mich des Mannes Tüchtigkeit

Am Dienst des Herrn, noch diesen Tag erfreut.


So sag ich euch von Dem, der alles kennt,

Ich kan ihn nicht aus meinem Herzen schliessen,

Mich kan es nur allein auf die verdriessen,

Die mein getreuer Heiland Feinde nennt.

Blieb Petro nicht der Apostolsche Grund,

Ob Paulus ihm; Er Paulo widerstund?


Der Richter-Spruch war zwar nicht wohl gefällt,

Der, was vom Herrn, und was vom Teufel stammte

In einer Schrift zur Nachbarschaft verdammte:3

Allein, es sey der Liebe heimgestellt.

Sein Nam ist da: Ich kenne seinen Sinn,

Sein letzter Brief4 nimt allen Zweifel hin.


Geh hin, du Knecht des Herrn in deiner Art,

Darinnen du nicht deines gleichen hattest!

Geh hin! daß du dich mit den Seelen gattest,

Für welche du ein treues Herz bewahrt!

Ich weiß, wenn einst mein Geist zur Ruhe zieht,

Daß ihn dein Herz mit Freuden kommen sieht!


Du aber steh, du göttlicher Pallast,

Ich meyne dich, du Jenische Gemeine,

Dein Grund ist auch der Bau-Herr deiner Steine,

Laß sehen, wen du bey dir drinnen hast,

Denn fällst du hin, so spricht man: Das war Bel,

Und stehest du: Hier ist Immanuel!

Fußnoten

1 Der einen Pfarrer mahlen ließ, wie ihn die Leute haben wolten.


2 Sagittario.


3 In der famösen Ablehnung der Jenaischen Facultät, darinnen auch unter Herrn D. Buddei Namen der Autor dieser Gedichte ziemlich gemißhandelt worden.


4 Der sel. Mann suchte kurz vor seinem Ende in einem sehr herzlichen Schreiben diese Sache gut zu machen.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 237-242.
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