Nacherinnerung

[2259] Ohnerachtet ein jedes Kind sehen kan, daß eine Sammlung von allerhand Carminibus kein Kirchen-Gesangbuch ist, wenn gleich auch Morgen- und Abend-Lieder drinne stünden; und ohnerachtet das schon in der Vorrede zum ersten Stük stehet: so muß ich doch der Schwachheit des Judicii meiner Gegner zu Liebe, nochmals erinnern, daß die 16. Stük Carmina, die man Anhänge und Zugaben[2259] nennt, eine Privat-Collection eines unter ihnen sey, der mit dieser Sammlung intendiret hat, die Elegantien unserer Poeten zu conserviren, die ihm von Zeit zu Zeit zu Handen gekommen.

So lange die Pilger-Gemeine noch in obscuro lebte, und auch die übrigen noch unter keinen kirchlichen Namen bekannt waren, so wurden diese Piecen zuweilen der ersten Gemeine dediciret: dieses ist 1742. im Monat Julio zum letztenmal geschehen. Nachdem aber verschiedene Potentaten inzwischen viele Gemein-Orte octroyiret, und diese also seitdem in Publico versiren: so hat man sich gänzlich enthalten, dieselben mit der Edition dieser Gedichte im geringsten zu bemengen; und ist das Argument, daß man dergleichen Bücher bey ihnen siehet, so schlecht als möglich, weil noch gar eine grosse Distanz zwischen der Æstimation einer Schrift und deren Einführung ist; auch daraus, daß eine Kirchfarth die Kirchen- und Fest-Cantaten besitzet, die ein Cantor oder Director Chori Musici an derselben Kirche, sammlet und Jahr-Gänge daraus formiret, wol nimmermehr zu erweisen ist, daß dergleichen Jahr-Gänge und musicalische Texte Glaubens-Bekenntnisse derselben Kirche oder Religion sind.

So wenig man nun gesonnen ist, diese Collection, um der Bosheit etlicher unbilliger Criticorum willen, zu supprimiren, obgleich bey deren Publication billig Vorsicht gebraucht wird; so findet man doch nöthig zu declariren, daß diejenigen Orts-Brüder, welche sich in einigem Lande mit Explicationen über diese Oden, Cantaten etc. bemühen, eine vergebliche Arbeit thun, und sich lieber mit nichts belegen sollten, was sie selbst nicht allemal schuldig sind zu verstehen, und gar leicht nicht mit erforderlicher Præcision defendiren würden.

Das allgemeine Gesangbuch, welches die Brüder-Kirche in allen Landen künftig gebrauchen wird, und alsdenn ihren Mit-Christen als ein reales, erbauliches und brauchbares Buch recommendiren kan, ist wirklich in der Arbeit. Es kan seyn, daß es eine authentique Approbation bekommt: aber unsere ehemalige Gesangbücher und Catechismi haben dergleichen auch sowol von fremden theolog. Facultäten, als ihren Censoribus ordinariis gehabt. Es wird darum doch nicht unangefochten bleiben; aber dergleichen Approbationen dienen doch dazu, daß man sich die Vertheidigung ad hominem erspahret; weil es freylich ridicul wäre, einem Manne, der ein Buch selber censirt hat, zu erweisen, daß es ein ehrlich Scriptum ist. Der Blut- und Wunden-Gnade empfohlen, 1748.[2260]

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 2259-2261.
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