Sechster Auftritt.

[111] Im Zimmer des Signor Parozzi. Auf dem Tische Weinflaschen und Gläser.

Parozzi und Memmo treten ein.


PAROZZI.

Seid verdammt, Ihr trägen Schnecken!

Einer heute, Einer morgen,

Und ist doch so viel zu thun!

MEMMO.

Ist dein Pförtner sicher drunten?

Kennt er unsre Leute wohl![111]

Daß kein ungebetner Gast

Uns im Besten überrumple?

PAROZZI.

Der ist wohlverwahrt. Sei ruhig

Brüderchen, was gibt es Neues?

MEMMO.

Höllenlärmen in der Stadt!

Unsre Bravo's sind gehangen.

PAROZZI.

Friede sei mit ihrer Asche.

MEMMO.

Und das Beste: In den Foltern

Sagte Keiner auf uns aus.

PAROZZI.

Ja, der Einz'ge, der uns kannte,

Fiel durch fremden Dolch zuerst,

Durch den Teufel Abellino.

MEMMO.

Richtig! Der mit Anschlagszetteln ...

PAROZZI.

Das ist weltbekannter Plunder!

Sonst nichts Neues?

MEMMO.

Die Geschichte

In dem Dolabella-Garten ...

PAROZZI.

Alte längstverlegne Waare!

MEMMO.

Brüderlein, hier unter uns:

Sage ehrlich, hast du wirklich

Den Matteo hingeschickt?[112]

PAROZZI.

Und wohin?

MEMMO.

Ei, du verstehst mich!

Um des Dogen spröde Nichte

Für das Körbchen abzustrafen,

Das sie, glaub' ich, dir gelieh'n.

PAROZZI auffahrend.

Mensch, wer hat dir das gelogen?

MEMMO.

Ei, ich dacht' es nur bei mir.

PAROZZI.

Du verdientest, in Gesellschaft

Deiner albernen Gedanken,

Einen Pfahl und einen Strick.

MEMMO.

Nun, man weiß ja doch, Parozzi,

Daß du ihr den Hof gemacht;

Daß ...

PAROZZI.

Nichts weißt du, sag' ich, nichts!

Aber willst du etwas wissen,

Mag ich's dir wohl anvertrau'n.

Doch sub rosa! Und ich hab' es

Aus unmittelbarer Quelle,

Vom Bandit Matteo selbst.

MEMMO.

So erzähl'; ich kann ja schweigen.

PAROZZI.

Früher oder später wird

Die Signora dennoch endlich[113]

In die bess're Welt verschickt.

Denn sie weiß um ein Geheimniß,

Welches, würd' es je verrathen,

Einen großen heil'gen Namen

An den Pranger schlägt. Nun ist

Weiberzungen nicht zu trau'n,

Wenn sie ein Geheimniß brennt.

MEMMO.

Weiter doch, ich bin ganz Ohr.

PAROZZI.

Unser frommer Herr Abbate,

Dessen andachtsvoller Wandel

Jedes Christenherz erbaut,

Dessen Wort und heil'ge Hand

Wunder unter uns verrichtet ...

Heil'ge haben Fleisch und Blut,

Haben ihre schwachen Stündchen,

Gleich uns Kindern dieser Welt! –

Ließ vom bösen Geist sich plagen,

Sich, als Seelenbräutigam,

Rosamunden anzutragen.

MEMMO hämisch lachend.

Ei verflucht!

PAROZZI.

Darauf begab's sich,

Beide waren jüngst beisammen,

Ob zum Beichten oder Beten

Ist mir wahrlich unbekannt; ...

Kurz, der Heil'ge kam in Flammen.[114]

Und vergaß sich so, daß er ...

Still! Mich dünkt, ich höre kommen.


Er geht gegen die Thür.


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 111-115.
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