Achter Auftritt.

[207] Die Vorigen. Der Doge.


DOGE indem er Beide erblickt, bleibt plötzlich stehen; dann mit Aufwallung des Zorns, als Flodoardo ihm entgegen treten will.

Ritter, das geziemt Euch übel ...

Ihr vermeidet auf der Stelle,

Für die Zukunft, den Palast,

Und begebt Euch auf die Flotte!

Rosamunde, du mein Stolz einst,

Meine Schmach jetzt, – fort von hier!

Fort, in dein Gemach, und wenn du

Lieber willst, ins Nonnenkloster.

FLODOARDO bescheiden.

Eure Durchlaucht, ich gehorche. –

Mein Gebieter seid Ihr über

Thun und Lassen, Tod und Leben;

Nur drei Dinge bleiben dennoch

Auch dem ärmsten Sklaven frei;

Ueberzeugung und Gewissen,

Und des Herzens innre Neigung.

Wenn ich Eure edle Nichte

Tief und anspruchlos verehre ...[207]

DOGE bitter.

Wirklich? Auf den Knien sogar? –

Undankbarer, dafür will ich

Euch mit meinem Fluche danken!

FLODOARDO in bittender Stellung.

Euer Segen, Fürst und Vater,

Hat des Fluches Arm entwaffnet.

O, gedenket heut' der Stunde,

Als Ihr, mir zum Troste, sprachet:

»Ich bin Mensch, und kann verzeihn.«

DOGE zur Nichte gewandt.

Warum zögerst du? Was denkst du

Noch zu heucheln? Fort, von hinnen!

ROSAMUNDE mit ruhigem Stolz.

Ich gehorche, theurer Oheim;

Doch gestattet mir, in Demuth,

Euch mein Lebewohl zu sagen.

Binnen einer Stunde werd' ich

Fern von hier im Kloster wohnen.

Diesem Manne, der mich ehmals

Aus der Knechtschaft der Barbaren

Lösete mit seinem Blute,

Ihm gehört mein Herz zu eigen.

Meine Hand verschenk' ich nicht,

Und – sie läßt sich nicht verkaufen.

DOGE.

Still! Davon ist hier nicht Rede.

FLODOARDO.

Wenn Ihr mir ein Wort erlaubet,

Allerdings, durchlauchter Herzog.

Ihre Liebe macht nun ewig[208]

Meine höchste Seligkeit.

Ihre Hand darf ich nicht fordern.

Wäre sie um einen Preis

Zu erringen, o der schwerste

Würde mir ein Federspiel.

DOGE ärgerlich.

Wirklich? Nun, so rüstet Euch,

Hier gibt's etwas zu verdienen!

Geht, und sprenget die Verschwörung,

Eh' sie uns sprengt und den Staat.

FLODOARDO stürzt ihm freudig zu Füßen.

O, mein Herzog! viel zu wenig!

Viel zu wenig! – Könnte das schon

Euern Zorn mit uns versöhnen?

DOGE.

Geht, vollbringt's, und hintennach

Prahlt, es sei nur Spiel gewesen.

Geht, und schleppt den Abellino

Bei den Haaren mir hierher,

Mir lebendig hier zu Füßen ...

FLODOARDO.

O, zu niedrig ist der Preis! ...

ROSAMUNDE heftig.

Nimmermehr! Es ist zuviel.

Oheim, was hat er verbrochen,

Daß Ihr seinen Tod begehrt?

FLODOARDO aufspringend und Rosamunden sanft zurückhaltend.

Rosamunde, laßt mich walten!

Das, das ist die heiße Schlacht,

Die ich lief're! Laßt mich walten![209]

Ja, mein gnäd'ger Fürst und Herr,

Binnen vierundzwanzig Stunden

Ist's gethan, wie Ihr geboten,

Oder zählt mich zu den Todten.

DOGE stutzig.

Junger Mensch, Euch dreht der Schwindel!

FLODOARDO zieht Papiere hervor, die er ihm überreicht.

Wenn Ihr unbedingten Glauben

Mir zu würdigen geruht,

Wenn und was sich auch ereigne,

Und wenn Alles wider mich

Zeugend beide Hände aufstreckt,

Nichts in Euch die Zuversicht

Auf mein Wort und meine Treue

Wanken macht, dann wird's gelingen!

Ja, bei meiner ew'gen Liebe

Bei' der Unschuld dieser Heil'gen

Bei dem Throne der Vergeltung

In den Himmeln sei's geschworen:

Ich bin Euch und dieser Heil'gen

Und dem Vaterlande treu.

DOGE.

Die Papiere hier?

FLODOARDO.

Ich bitte,

Daß es Euch gefallen wolle,

Was darin bezeichnet ist,

Wegen Truppen und Galeeren,

Wegen Wachten und Verhaftung

Einzelner Venetianer,[210]

Alles auf das Pünktlichste

In der vorgeschrieb'nen Stunde,

Nicht zu früh, und nicht zu spät,

Ohne Fehl vollziehn zu lassen.

Morgen dann, zur achten Stunde,

Wenn, zum großen Feiermahle,

In dem glanzerfüllten Saale

Herrn lind Frau'n versammelt sind,

Werd' ich wiederum erscheinen.

Mein Erscheinen gilt als Botschaft

Unsers Sieges, unserer Freiheit!

DOGE ihn durchforschend.

Ihr mit dieser Zuversicht

Der Entwürfe solltet Ihr

Mehr schon, als ich selber, wissen

Von dem Werk der Finsterniß?

Warum wenn's in Eurer Macht steht,

Hebet Ihr nicht pflichtgemäß

Ganz die Decke vom Geheimniß?

FLODOARDO.

Laßt mich schweigen, gnäd'ger Fürst.

Hinter seinem Garn verborgen,

Liegt der Vogelsteller lauernd,

Athmet kaum. Ein unvorsicht'ger

Laut entführet ihm die Beute.

Was ich Euch in diesen Blättern,

Was ich mündlich Euch vertraute,

Darf kein Sterblicher vernehmen,

Bis die That es ihm verräth.

Lautlos fällt der Blitz vom Himmel,

Und zermalmt die Felsenburgen;[211]

Dann verkünden erst die Donner

Seine Macht.

DOGE.

Es sei darum.

Wohl, ich darf Euch trau'n; Ihr redet

Mit der Zuverlässigkeit

Eines Mannes, der sein Spiel kennt.

Aber bauet nicht zu viel

Auf die eigene Berechnung!

FLODOARDO.

O ich weiß! es rechnet freilich

Noch ein And'rer im Verborg'nen!

Unser Spiel wird von dem Spiele

Jener fremden Hand durchkreuzt,

Welche mit dem Staub der Wüste,

Mit dem Frost der Winternacht

Niebezwungne Heere schlägt;

Mit dem Blasen eines Windes

Unbewegliche Armaden

In den nahen Abgrund legt.

Doch auch dann... mein Herr und Vater,

Gönnt mir Euer fürstlich Wort,

Zu vollziehn, was ich gebeten.

DOGE.

Auch nach einem Strohhalm, sagt man,

Hascht in banger Todesnoth

Der Ertrinkende voll Hoffnung.

Hier mein Wort, und hier die Hand!

FLODOARDO.

Morgen um die achte Stunde ...

Wenn ich nicht erscheinen würde ...[212]

Wenn die neunte Stunde schlägt,

Und ich nicht erschienen wäre ...


Er überreicht einen versiegelten Brief.


Dann erbrecht dies schwarze Siegel,

Und vollstreckt des Inhalts Winke.

Nun die Stunde ruft zum Werke;

Laßt mich an die Arbeit eilen.

Lebet wohl! Ich muß von hinnen.

Rosamunde lebet wohl! – –

O du auserwähltes Licht

Meiner Laufbahn, leuchte mir,

Hin durch Stürm' und Finsternisse

Wie dem Schiffenden sein Nordstern ...

Bete! – hoffe! – traure nicht!

ROSAMUNDE mit Begeisterung.

Soll Venedigs Tochter trauern,

Wenn für Recht und ew'ge Ordnung,

Für des Vaterlandes Ruhm,

Helden in die Schranken treten?

Sind denn meine Wangen bleich?

Sind in diesen Augen Thränen? –

Fahre wohl, du edler Streiter.

Wer, den Gott in seiner Brust,

Nicht vor Schicksalstücken zittert,

Hat den Sieg schon halb errungen,

Hat das Stärkste schon bezwungen.

Fahre wohl; ich weine nicht!

Ueberwind', ich will dich kränzen;

Stirb, ich sterbe freudig nach.

Wenn für Heil'ges Waffen glänzen,

Ist der ganze Himmel wach.[213]

FLODOARDO UND ROSAMUNDE reichen sich die Hände zum Abschiede; – heften die Blicke stumm auf einander – trennen sich schweigend, und gehen langsam auf verschiedenen Seiten ab.


DOGE nach einer Pause.

Ist's das Alter? Sind's die Zeiten?

Alles dünkt mich irr' und wirre;

Und der Geist schwebt dumpf und stumpf

Ueber'm Chaos wüster Händel. –

That ich recht, all' meine Macht

Und das Schicksal von Venedig

In des Jünglings Hand zu werfen?

Selbst die Frag' ist schon zu spät.


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 207-214.
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