Initialzündung

[313] Initialzündung. Während bisher fast ausschließlich Knallquecksilber oder dessen Gemische mit Kaliumchlorat, auch Schwefelantimon, Schwefel, Kalisalpeter u.s.w. als Initialzündstoff für Sprengkapseln, Zündhütchen oder Geschoßzünder angewandt wurde, ist diesem in dem von der Rheinisch-Westfälischen Sprengstoff-Aktiengesellschaft hergestelltem Bleiacid PbN6 ein gefährlicher Konkurrent erwachsen. Obwohl die Verwendbarkeit der Schwermetallsalze der Stickstoffwasserstoffsäure als Initialzündung schon seit Jahren erkannt war – es sei auf die Untersuchungen von Will und Lenze, von Berthelot und Vieille aus den 90 er Jahren und die Veröffentlichungen von Wöhler und Matter 1907 in der Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen hingewiesen – bedurfte es langer Jahre um die Scheu der Technik vor der fabrikatorischen Herstellung und Ausnutzung solcher explosibler Substanzen zu überwinden, nachdem es gelungen war, eine Gewinnungsmethode zu finden, welche die Handhabung von Bleiacid nicht gefährlicher macht als die von Knallquecksilber.

Bleiacid wird aus Natriumacid und Bleiacetat durch Umsetzung hergestellt und ist selbst nicht giftig, besitzt vor dem Knallquecksilber den außerordentlich großen Vorzug der Unempfindlichkeit gegen Feuchtigkeit, d.h. es ist nicht hygroskopisch, behält seine Brisanz bis zu 5% Wasser vollkommen und hält eine mehrjährige Feuchtlagerung ohne Nachlassen der Brisanz aus, während Knallquecksilber und die damit hergestellten Knallsatzgemische schon bei 1% Wasserzusatz und 30 tägiger Lagerung in feuchter Atmosphäre versagen. Bleiacid ist etwas weniger empfindlich gegen Schlag und Stoß als reines Knallquecksilber und hat die gleiche Empfindlichkeit wie die 80 prozentige Knallquecksilber-Kaliumchloratmischung. Die Verpuffungstemperatur des Bleiacids liegt bei 310–320° gegen 170–190° des Knallquecksilbers. Die unliebsame Eigenschaft des Knallquecksilbers und seiner Gemische, daß sie bei Anwendung höheren Preßdruckes die hohe Brisanz verlieren, die man als »Totpressen« bezeichnet, besitzt das Bleiacid nicht, sondern erlangt bei hohem Druck eine ganz ungewöhnlich hohe Brisanz. Die Initiierfähigkeit des Bleiacids ist der des Knallquecksilbers außerordentlich, etwa 10–15 fach, überlegen und würden schon sehr kleine Zündstoffmengen von 0,08 g für 1 g Trinitrotoluol und von 0,01 g für Tetryl als Grenzladung zur sicheren Detonation genügen, falls so geringe Zündstoffmengen praktisch dosiert und geladen werden könnten. Zumal mit Trinitrotoluol oder dem äußerst verdichtbaren Tetranitromethylanilin zusammen in den sogenannten Sicherheitssprengkapseln gibt es Sprengkapselfüllungen von allergrößter Wirkung. – Nach Literaturangasen wenig schlagempfindlich und vollkommen stabil ist das Nitropentaerythrit, welches sich zu Sprengkapselfüllungen und Zündladungen eignet, die wirksamer als die mit Tetryl hergestellten sind, wenn es anscheinend auch noch keinen Eingang in die Praxis gefunden hat. Seiner allgemeinen Anwendung steht seine hohe Empfindlichkeit beim Pressen entgegen.


Literatur: Stettbacher, Schieß- und Sprengstoffe, Leipzig 1919, S. 129; Zeitschr. für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen 1907.

E. Meyer.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 313.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: