Nitragin

[636] Nitragin, ein von Nobbe und Hiltner, Tharandt, angegebenes Präparat, von der Aktiengesellschaft »Höchster Farbwerke«, früher Meister, Lucius und Brüning, in Höchst in den Handel gebracht, sollte der Gründüngung als Hilfsmittel dienen.

Gewisse Pflanzen (Leguminosen) können bei genügender Kali-Phosphatdüngung Stickstoffdüngung entbehren, weil sie imstande sind, den zu ihrer Ernährung notwendigen Stickstoff aus der atmosphärischen Luft zu entnehmen. Die Erklärung für diese Aufnahme von freiem Stickstoff durch die Pflanze gab Hellriegel Anfang der neunziger Jahre. Er wies nach, daß jene Pflanzen (Erbsen, Wicken, Lupinen, Esparsette u.s.w.) an den Wurzeln Knöllchen bilden, in welchen sich Bakterien befinden. Diese sind es, welche den Stickstoff aus der Atmosphäre[636] aufnehmen und in Salpetersäure umsetzen, welche nunmehr in Gestalt irgend eines ihrer Salze der Pflanze als Nahrung dient. Bei der Gründüngung nun pflanzt man derartige Stickstoffsammler, wie sie im Gegensatz zu den Stickstoffzehrern genannt werden, erntet sie aber nicht, sondern pflügt sie wieder unter und gibt damit dem Acker den für die nächsten zu bauenden Früchten notwendigen Stickstoff, welcher auf diese Weise der Atmosphäre entnommen worden ist. Hierbei hat man aber gefunden, daß die Leguminosen nicht auf allen Feldern ohne Stickstoffdüngung wachsen, und entdeckte sehr bald, daß diesen Feldern jene obenerwähnten Bakterien fehlten, und ferner, daß jede Leguminosenart such eine ihr eigentümliche Bakterienart beansprucht. In solchen Fällen schaffte man Ackererde von Feldern, auf welchen die betreffende Leguminosenart bereits gewachsen war, nach jenen Feldern, wo sie wachsen sollte, erzielte hiermit recht gute Resultate und nannte diese Methode Impfung des Ackers. Um nun das Dislozieren größerer Mengen Ackererde zu umgehen, züchteten Nobbe und Hiltner Reinkulturen jener Bakterienarten, welche nun von den Höchster Farbwerken im großen dargestellt werden und den Namen Nitragin erhalten haben. Der Inhalt eines kleinen Fläschchens soll für eine Fläche von 0,25 ha genügen, wird bei Verwendung mit ca. 0,75 l Wasser gemischt, womit dann das Saatgut übergossen und gut durchgearbeitet wird. Auch kann man 25 kg der Erde des betreffenden Ackers direkt mit dem mit einer entsprechend größeren Menge Wassers gemischten Nitragin befeuchten, welche dann auf dem Acker gleichmäßig verteilt werden müssen. Jahrelang durchgeführte Versuche haben in ungefähr der Hälfte derselben die gewünschten Resultate erzielt, in der andern Hälfte aber vollständig versagt. Gerlach-Bromberg erklärt das damit, daß in den allermeisten Fällen jene Bakterien überhaupt (also auch ohne Zuführung von Nitragin) vorhanden sind, aber die Bedingungen zu ihrer Entwicklung fehlen.

Weitz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 636-637.
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