Taylorsystem

[609] Taylorsystem, ein von dem Amerikaner Frederic W. Taylor ersonnenes und eingeführtes, auf wissenschaftlicher Grundlage aufgebautes System weitgehender Arbeitsteilung zur Erzielung größerer Leistungsfähigkeit im Arbeitsprozeß.

Der Arbeitsprozeß setzt sich aus verschiedenen Einzelleitungen zusammen. Beim Taylorsystem wird nun alle in einem Betrieb zu leistende Arbeit jeweils an gerade für diese einzelnen Tätigkeiten geeignete Spezialarbeiter verteilt, die für diese Tätigkeiten ausgebildet sind, von anderen Arbeiten entlastet werden und so das höchst Erreichbare leisten. Zur Durchführung des Systems bedarf es einer ins einzelne gehenden praktischen und wissenschaftlichen Untersuchung und Berechnung jeder Teilarbeitsleistung, sowohl nach der von einem ausgebildeten Arbeiter auf die Teilarbeit zu verwendenden Zeit wie nach der möglichst zweckmäßigen und einfachen Gestaltung der einzelnen Tätigkeit. Ferner bedarf es einer genauen Prüfung des einzelnen Arbeiters nach seinen Fähigkeiten und seiner Verwendungsmöglichkeit. Als Vorteile des Systems werden geltend gemacht: Richtige und zweckmäßige Benutzung der vorhandenen Kräfte, Erzielung eines hohen Grades der Ausbildung in der jedem Arbeiter zugewiesenen Tätigkeit und gleichzeitig Vervollkommnung der Maschinen und Werkzeuge. So wird mit geringstem Arbeitsaufwand die höchste Leistung erzielt. Die Ersparnis an Kraft und Zeit führt zur Verbilligung der Produktion und zur Steigerung des Ertrags, damit auch einerseits zur Hebung der Volkswirtschaft im allgemeinen, andererseits zur Vermehrung des Anteils des Unternehmers sowohl wie des Arbeiters und Besserung ihrer Lage. Als Nachteile des Systems sind zu bezeichnen: Unmöglichkeit der Beschäftigung der minder Befähigten und damit Vermehrung des Proletariats, Fortsetzung des Mechanisierungsprozesses, Einschränkung des Betätigungsgebiets und damit der persönlichen Freiheit des Arbeiters, Verstärkung der Abhängigkeit vom Unternehmer auch deshalb, weil die Durchführung des Systems nur in sehr großen Betrieben möglich ist, Gefahr geistiger Verelendung, unter Umständen auch körperlicher Ermüdung, den beiden letzteren Nachteilen könnte aber nach Ansicht der Befürworter des Systems durch Verstärkung der Arbeitspausen, Vermehrung der Erholung, hygienische Gestaltung des Betriebs, Sorge für geeignete gesunde Wohnungen und dergleichen entgegengewirkt,[609] die Kosten hierfür könnten den mit dem System zu erzielenden erhöhten Erträgen entnommen werden. Zur Durchführung des Taylorsystems gehört weitgehende Erziehung des Arbeiters und vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen Unternehmer und Arbeiter. Ein Urteil über die Zweckmäßigkeit und über die Durchführbarkeit des Systems in Deutschland kann nur durch praktische Versuche gewonnen werden.


Literatur: Borst, H., Das sogenannte Taylorsystem, vom Standpunkt des Organisators aus betrachtet, Stuttgart 1914. – Mayer, M., Die Anregungen Taylors für den Baubetrieb, Berlin 1915. – Seubert, R., Aus der Praxis des Taylorsystems, Berlin 1918. – Winter, G., Der Taylorismus, Leipzig 1920. – Bormann, Julius, Die Einführung des Taylorsystems in laufende Betriebe (Bd. I der Taylor-Bücherei), Leipzig 1920.

Köhler.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 609-610.
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609 | 610
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