Die Turteltaube

[155] Laßt euch die Geschichte von der Turteltaube von Koka erzählen!

Ein Mann von Lubi la Suku fing eine Turteltaube im Walde. Da sagten die Leute: »Wir wollen sie mit Beilen töten.« Die Turteltaube aber sprach:[153]


»Turtel von Koka,

Und Beil von Koka;

Ein Beil kann mich nicht töten.«


Die Leute sagten: »Womit wollen wir sie dann töten?« Einer meinte: »Mit Steinen.« Da ward die Turteltaube von Furcht ergriffen und dachte, sie müßte sterben. Sie sprach:


»Turtel von Koka,

Und Stein von Koka;

Ein Stein kann mich nicht töten.«


Da sagten die Leute: »Wir wollen sie ins Feuer werfen!« Die Turteltaube sprach:


»Turtel von Koka

Und Feuer von Koka;

Feuer kann mich nicht töten.

Denn mein Rücken

Ist wie Stein;

Feuer fängt nicht

Mein Gebein.«


Da sagten die Leute: »Dann töten wir sie mit Messern.« Die Turteltaube sprach:


»Turtel von Koka,

Und Messer von Koka;

Ein Messer kann mich nicht töten.«


Da sagten die Leute: »Wie fangen wir's nur an, daß wir den Burschen töten.« Einige meinten: »Wir wollen ihn ins tiefe Wasser werfen.« Die Turteltaube schrie: »Wehe, da muß ich sterben! Was soll ich thun.« Die Leute frohlockten und sprachen: »Wir haben's! Jetzt wissen wir, wie wir sie töten können.«[154]

Nun brachten sie sie an den Fluß und warfen sie in die Tiefe. Die Turteltaube tauchte unter und kam erst nach einer Weile wieder hervor. Da schwamm sie und sang:


»Im Wasser ist meine Heimat!

Im Wasser ist meine Heimat!«


Da sprachen die Leute: »O, die Turteltaube hat uns genarrt. Wir wollten sie mit Beilen töten. Da sagte sie: ›Ein Beil tötet mich nicht.‹ Und als wir davon sprachen sie ins Wasser zu werfen, schrie sie: ›Ich muß sterben.‹ So warfen wir sie ins Wasser, und sie ist uns entkommen.«

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 153-155.
Lizenz:
Kategorien: