Ndyakubi und Ndalakuba
(Freundschaft darf man nicht mißbrauchen)

[198] Ein Mann, namens Ndyakubi, machte Blutsfreundschaft mit Ndalakuba. Dieser lud ihn ein, ihn zu besuchen. Als er hinkam, sprach Ndalakuba zu seiner Frau: »Laß für unseren Gast etwas kochen.« Sie kochte einen Topf voll für ihn und trug es auf. Ndyakubi aß es auf und sagte, er wäre noch nicht satt. Da sprach Ndalakuba zu seinem Weibe: »Laß Bananen pflücken und rösten, der Gast ist noch nicht gesättigt. Bereite aber ein reichliches Gericht.« Sie bereitete fünf Töpfe voll und trug es auf. Ndyakubi aß alles auf und sagte zu seinem Freunde: »Lieber Freund, ich werde nie satt, wenn ich esse.« Ndalakubi schickte seine Frau zu seinem Nachbar und ließ sich Speise ausbitten, da seine Vorräte ausgegangen waren. Darauf kochen sie viele Töpfe, wohl hundert, und tragen sie auf und servieren sie dem Gaste.

Ndyakubi aber ißt und bringt alles allein fertig. Da sagte sein Freund: »Lieber Freund, das Essen ist mir ausgegangen, ich habe nun nichts mehr.«

»Nun,« meinte Ndyakubi, »dann muß ich hungrig fortgehen, lieber Blutsfreund,« und ging nach Hause.

Darauf beschloß Ndalakuba seinen Freund Ndyakubi zu besuchen. Als er eintraf, sprach Ndyakubi zu seinem[198] Weibe: »Unser Gast ist da, laß ordentlich Essen kochen, damit er satt wird.« Ndalakuba aß aber nur wenig, dann hörte er auf. Als es Abend wurde, sprach Ndalakuba zu Ndyakubi: »Zeige mir den Platz, wo ich die Nacht zubringen soll!« Ndyakubi sprach: »Ich werde dir hier meine Lagerstätte einräumen.« Der Gast Ndalakuba aber meinte: »Das wird mir nicht recht bequem sein.« Darauf zieht er einen Pfosten aus Ndyakubis Lagerstatt. Dann gehen beide schlafen. Als Ndyakubi schlief, weckte ihn Ndalakuba und sprach: »Lieber Freund, mein Bett ist sehr schlecht, meine Füße ragen darüber hinaus.« Ndyakubi steht auf und heißt sein Weib zu einem Nachbar gehen, um Schilf zu leihen. Er baut in der Nacht eine neue Hütte, geräumiger als die andere, und beide legen sich wieder schlafen. Bald aber fing Ndalakuba wieder an zu klagen. Nur sein Kopf sei im Hause, die Füße stäken draußen im Freien. »Lieber Ndyakubi,« sprach er, »als du mich besuchtest, hast du sehr viel gegessen, und jetzt läßt du meine Beine unbedeckt, daß sie von den wilden Tieren gefressen werden.«

Ndyakubi entschuldigte sich, er wüßte nicht, woher er noch Schilf bekomme solle und auch die Pfosten mangelten. Da versetzte Ndalakubi: Lieber Freund, als du mich besuchtest, sagtest du, du würdest nie mals satt, wenn du äßest, und wenn man noch soviel koche. Ich ließ dir reichlich kochen, und als mir die Speise ausging und ich dies sagte, gingst du fort, indem du sagtest, du müßtest hungrig deines Weges gehen. »Lieber Blutsfreund, jetzt kann ich auch sagen: ›Nun, dann muß ich mich von den wilden Tieren auffressen lassen.‹«[199]

Da sagte Ndyakubi: »Ndalakuba, lieber Freund, strecke dich etwas weniger aus, kauere dich zusammen, und ich verspreche dir gleichfalls, wenn ich dich einmal wieder besuche, daß ich weniger essen werde. Ich bereue es jetzt.«

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 198-200.
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