Sprichwörter und Redensarten1

[261] 1. Ein Mann ist ein Schilfrohr; stirbt es, so schießt ein anderes auf.

Erklärung: Wenn ein Mann mit seinem Weibe zankt und ihr droht, sie zu verlassen, sofern sie sich nicht bessere, so ruft sie ihm zu: Mkachoka, chokani, d.h.[261] Wenn du gehst, so geh, ich halte dich nicht, ein Mann u.s.w.

2. Verlaß dein Haus und wage dein Leben! Ein Stubenhocker fürchtet sich (sogar) vor einem Geier.

Erklärung: Mahnung an einen Stubenhocker, der in seinen vier Pfählen eingekerkert, den Maßstab für das wirkliche Leben verliert. Reisen erweitert den Gesichtskreis; wer stets zu Hause sitzt, den nennt der Mnyassa spottend einen Kirinda masira, einen »Eierhüter.«

3. Wenn du (um einen Toten) weinst, vergiß nicht hervorzuheben, daß das (verstorbene) Kind ein Mädchen war, damit es der Freund weiß.

Erklärung: D.h. wenn du dich über etwas zu beklagen hast, so laß dich klar und eingehend über den Grund aus, vergieß nicht etwa irgend einen wichtigen Umstand, der die Sache vielleicht in einem ganz anderen Lichte erscheinen läßt.

4. Ich bin (wie) ein Küchlein, dem man das Scharren nicht zu zeigen braucht.

Erklärung: Das Sprichwort wird gebraucht, um ungebetene und überflüssige Ratschläge zurückzuweisen.

5. Thöricht ist der Msewa-Baum2 und das Jagdnetz: Er verbessert anderen Leuten die Speise und hat nichts davon.

Erklärung: Eine Verspottung derer, die auf den eigenen Vorteil zu wenig bedacht sind.

6. Im schönsten Apfel sitzen die Ameisen.[262]

7. Der Hunger schläft nicht im Bauche.

8. Der Sohn eines freien Mannes ist (wie) eine Batate; wenn du ihn gerade biegst, brichst du ihn ab, d.h. er ist sehr empfindlich gegen Tadel oder Zurechtweisung.

9. Halt an einer Sache fest und schwanke nicht hin und her, wie das Wasser in den Binsen.

1

Gesammelt vom Missionar Rebmann.

2

Die Blätter des Msewa-Baums dienen zum Würzen von Tabak und Malz.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 261-263.
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