Die Hyäne und der Fuchs

[324] Die Hyäne hatte Junge bekommen und holte ihnen etwas zu fressen. Sie ging in den Wald, sammelte Knochen, brachte sie heim und gab sie ihren Kindern. Als es Nacht wurde, machte sie sich wieder auf den Weg, um Knochen zu suchen. Der Fuchs kam an der Stelle vorbei, wo die Jungen der Hyäne waren, schlich heimlich in die Höhle und verbarg sich darin. Die Hyäne kam indessen zurück, brachte Fleisch nach Haus und gab es ihren Kindern. Nun hatte jedes Junge seinen Namen, und der Fuchs hieß »Für-euch-alle.« Nun pflegten die Jungen jedesmal, wenn ihre Mutter abends ausgewesen war, um Knochen zu holen, und das Fleisch heimbrachte, zu fragen: »Für wen ist das,« und die Hyäne, welche nicht wußte, daß der Fuchs in der Höhle war (denn es war dunkel) antwortete: »Für euch alle.« Dann sprach der Fuchs: »Gebt es mir, es ist mein Fleisch.« Sie gaben es ihm und fasteten, während er fraß. Und so ging es jede Nacht.

Nach einem Monat sprach die Hyäne zu ihren Kindern: »Kommt heraus.« Jedes, das heraus kam, war dünn und mager und nicht eins war wohl bei Leibe. Da fragte die Hyäne: »Wo ist all das Fleisch geblieben, das ich euch zum Fressen gebracht habe?« »Das hat ›Für-euch-alle‹ gefressen,« antworteten sie. »Wer ist dieser ›Für-euch-alle‹, der alles Fleisch gefressen hat?« fragte sie weiter. Sie sagten, das sei der Name des Fuchses. Wo er wäre? In der Höhle, sagten sie. Die Hyäne blickte hinein, sah ihn und sprach: »Komm hervor, jetzt ist's[325] vorbei mit deinem Betrug.« »Gut,« antwortete er, »ich werde hinauskommen.« Nun streckte er die Ohren in die Höhe und sprach zur Hyäne: »Nimm meine Schuhe, damit ich hinauskommen kann.« Sie wußte aber nicht, daß es sein ganzer Körper war, faßte ihn bei den Ohren und warf ihn bei Seite, ohne zu merken, daß sie den ganzen »Für-euch-alle« herausgezogen hatte. Sie dachte, es wären nur seine Schuhe. Sie wartete nun, daß er herauskommen sollte, damit sie ihn fräße, und wußte nicht, daß er schon hinter ihr stand. Er aber rief: »Hyäne, Hyäne, hier bin ich, und eile jetzt heim in mein Vaterland.« Darauf lief er davon und sie hinterdrein. Aber er zählte nur: »1, 2, 3, 1, 2, 3« und fort war er, und sie konnte ihn nicht erhaschen. Zähneknirschend und voller Wut kehrte sie wieder um. Alle ihre Kinder waren mager, und sie saß da und ärgerte sich.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 324-326.
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