Was wissen die Tschwi-Neger von Gott und der Weltschöpfung zu erzählen?1

[291] a. Die Heiden (hier zu Lande) wissen und bekennen in der That, daß es einen Gott giebt. Sie sagen von ihm, er wohne im Himmel, seine Stadt sei groß und sehr schön, er besitze einen prächtigen Palast und habe Älteste, von denen er sich beraten lasse, d.h. wenn es eine Sache zu schlichten gebe, so gäben zuerst diese Ältesten ihre Meinung vor Gott ab, ehe er die Sache entscheide.

[291] b. In Betreff der Schöpfung sagen sie: Der Himmel (und der darin wohnende Gott) wie auch die Erde, seien von niemand erschaffen, sondern bestehen von Anfang an. Was aber den Menschen betrifft, so reden sie nicht von zwei Menschen, die Gott zuerst erschaffen habe, sondern von sieben.

c. Zur Zeit, da zwar Himmel und Erde da waren, aber noch keine Menschen auf der Erde waren, sei einmal ein großer Regen gefallen. Bald, nachdem derselbe aufgehört, sei eine große Kette vom Himmel auf die Erde herabgekommen, an welcher sieben Menschen, die Gott geschaffen, sich hielten und also mit ihr vom Himmel auf die Erde kamen. Sie brachten auch Feuer mit sich und zündeten sich ein Feuer an, um Speise zu kochen. Dazu brauchten sie aber Wasser und hatten keines; woher sollten sie es bekommen? Da begaben sich zwei von ihnen in den Busch und gingen darin so weit, bis sie einen Fluß fanden, aus dem sie nun sich Wasser zum Kochen schöpften.

d. Bald hernach sandte Gott eine Ziege vom Himmel auf die Erde, die sollte den sieben Menschen, die da wohnten, eine Botschaft ausrichten. Dieselbe lautete also: Es giebt etwas, das man Tod heißt; das wird einst einige von euch töten; aber wenn ihr auch sterbet, so seid ihr damit nicht gänzlich verloren, sondern ihr werdet zu mir hierher in den Himmel kommen. Die Ziege ging; aber als sie vor die Stadt hinausgekommen war, traf sie auf ein schönes Gebüsch, das ihr gut zu essen deuchte; deshalb blieb sie dabei stehen und fing an zu fressen. – Weil Gott sah, daß die Ziege sich auf ihrem Wege aufhielt, sandte er ein[292] Schaf ab, jene Botschaft auszurichten. Das Schaf ging, sagte aber nicht, was ihm Gott aufgetragen hatte, sondern drehte es um und sprach: »Gott sagt: Wenn ihr einmal sterbet, so seid ihr verloren und habt keinen Ort, wohin ihr gehen könntet.« Hintennach kam auch die Ziege und sprach: »Gott sagt: Ihr werdet zwar sterben, aber damit seid ihr noch nicht verloren, sondern werdet vielmehr zu mir kommen.« Darauf erwiderten die Menschen: »Nein, Ziege, Gott hat nicht so zu dir gesagt, sondern was das Schaf zu erst ausgerichtet hat, an das halten wir uns.«

e. Nach einiger Zeit starb einer von den Sieben. Weil sie den Tod noch nicht aus Erfahrung kannten, verwunderten sie sich und gerieten darob in große Bekümmernis. Da sandten sie einen von ihnen und ließen Gott sagen: »Von den sieben Menschen, die du geschaffen und auf die Erde gesetzt hast, ist einer gestorben; was sollen wir mit ihm machen?« Da sagte Gott: »Grabet eine Grube und bestattet ihn darin.« Als sie das gethan hatten und in Bekümmernis waren, tröstete sie Gott und sagte: »Denket nicht, daß ihr jetzt weniger geworden seid oder abgenommen habt; nein, jetzt erst wird sich eure Nachkommenschaft sehr ausbreiten.« Es dauerte nicht lange, so bekam eine der Frauen Zwillinge. Wie es zugehen sollte, daß diese Kinder aufwachsen und Erwachsene werden sollten wie sie, verstanden sie gar nicht; sie wußten nicht, was sie hierfür zu thun hatten. Da sagte Gott: »Laßt euch das gar nicht bekümmern, denn nach nur drei Tagen werde ich machen, daß sie Erwachsene geworden sind.« Nach nur drei Tagen geschah es auch[293] so in der That. Darauf breitete sich ihre Nachkommenschaft aus.

f. Als sie so fortfuhren, sich zu vermehren, sagten die sechs Menschen ihren neuen Kindern: »Was uns betrifft, so gehen wir jetzt dahin, wo wir herkamen, nämlich zu Gott. Deshalb bleibet auf der Erde, und auch ihr sollt ebenso Kinder bekommen, und eure Nachkommenschaft soll sich ausbreiten.« Kaum hatten sie so gesprochen, da fiel ein großer Regen, und dieselbe Kette, die sie vom Himmel gebracht hatte, kam wieder und nahm sie wieder hinauf, und ihre Kinder blieben zurück. Aber auch ihre Kinder mehrten sich, und so breitete sich der Menschen Nachkommenschaft aus.

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Aufgezeichnet und übersetzt von J.G. Christaller.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 291-294.
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