Nimm keinen Rat an von einer Frau.

[40] Es war einst ein Häuptling, der sagte: »Den Rat einer Frau soll kein Mann annehmen.« Nun kam ein Mann, der ging mit seiner Frau spazieren; sie kamen an einen Ort, wo viele Dattelpalmen standen, und der Mann stieg auf eine Palme, um Datteln zu pflücken und sie mit seiner Frau zu essen.[40]

Wie er hinaufstieg, erfasste er einen morschen Zweig. Die Frau unten sagte zu ihrem Manne: »Lass den morschen Zweig los und nimm einen grünen, denn jener morsche Zweig ist zu schwach.« Der Mann überlegte und sagte: »Der Sultan hat gesagt: ›hört nicht auf Ratschläge von Weibern!‹« Er hielt den morschen Zweig fest, um nicht dem Rate einer Frau zu folgen, fiel zu Boden und verlor das Bewusstsein.

Als dann die Frau ihren Mann bewusstlos daliegen sah, weinte sie. Da kamen plötzlich die Eigentümer, denen die Dattelpalmen gehörten, und fragten die Frau: »Weshalb weinst Du?« Sie sagte: »Ich weine um meinen Mann, der ist tot; er stieg auf den Dattelbaum und erfasste einen morschen Zweig; ich rief ihm noch zu, einen grünen Zweig zu nehmen, aber er hörte nicht darauf, fiel herunter und starb, und jetzt weine ich um meinen Mann.« Jene antworteten ihr: »Wenn Dein Mann einen grünen Zweig ergriffen hätte und wäre am Leben geblieben, so hätten wir ihn mit unsern Speeren getroffen, so dass er gestorben wäre, aber jetzt ist das gleichgiltig.« Und sie nahmen die Frau mit sich.

Am Morgen kehrte ihrem Manne endlich das Bewusstsein wieder; er sah, dass seine Frau ihm entführt worden war und sprach: »Hätte ich einen grünen Zweig ergriffen und die Worte meiner Frau befolgt, so würden sie mich getötet haben.«

Quelle:
Velten, C[arl]: Märchen und Erzählungen der Suaheli. Stuttgart/Berlin: W. Spemann, 1898, S. 40-41.
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