Der stolze Schmetterling

Der stolze Schmetterling.
Aus Boilats [169] Grammaire de la langue Wollosse. Paris 1858.

Ein wunderschöner Schmetterling umflatterte eine duftende Blume. Da bemerkte er eine häßliche Raupe, die im Staube dahinkroch. Verächtlich rief der Schmetterling ihr zu:

»Wie darfst du es wagen, dich in meiner Nähe sehen zu lassen? Fort mit dir; sieh', ich bin schön und strahlend wie die Sonne, und meine Schwingen tragen mich hoch in die Lüfte, während du auf der Erde herumkriechst. Fort mit dir, wir haben nichts miteinander zu schaffen!«

»Dein Stolz, du bunter Schmetterling, steht dir schlecht an,« erwiderte die Raupe ruhig. »All deine Farbenpracht gibt dir nicht das Recht, mich zu verachten. Wir sind und bleiben Verwandte; daher schmähst du dich selber, wenn du mich schmähst. Bist du nicht früher auch eine Raupe gewesen? Und werden nicht deine Kinder Raupen sein wie du und ich?«

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 169-170.
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