Eine Tierfabel der Somalineger.1

[92] Einstmals gingen der Löwe, die Hyäne und der Fuchs auf die Jagd, und sie fingen ein Schaf. Als sie die Beute teilen wollten, rief die Hyäne: »Mir gehört das Hinterteil; der Löwe mag das Vorderteil des Schafes behalten, und der Fuchs soll die Eingeweide und die Füße bekommen.« Da wurde der Löwe wütend, hob seine Tatze auf und schlug der Hyäne ein Auge aus.

»Teile du!« wandte er sich dann zum Fuchs.

»Kopf, Füße und Eingeweide gehören der Hyäne und mir,« sagte der erschrockene, schlaue Fuchs. »Wer hat dich gelehrt, so zu sprechen?« fragte der Löwe erstaunt.

»Das Auge der Hyäne!« entgegnete der Fuchs.

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Die Somalineger gehören seit vielen Jahrhunderten bereits zum großen Teil der Religion Mohameds an, da die Lage ihres Landes am Golf von Aden sie mit den Arabern in vielfache Verbindung brachte. Sie sind kriegerisch und grausam und haben verhältnismäßig einen sehr geringen Schatz an Sagen; auch sind die wenigen, welche man kennt, meist von gewalttätiger Tendenz.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 92-93.
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