Hundertzwanzigste Geschichte

[112] geschah: Man findet in der Gemore, daß wie ein Mensch mißt auf dieser Welt, das meint wie er handelt auf dieser Welt, handelt er recht oder unrecht, so bezahlt ihn der Heilige, gelobt sei er. Als wir desgleichen auch finden bei der Saute (Ehebrecherin), das heißt eine Abkehrende die bei einem andern Mann liegt. Wie sie tut, so tut man ihr wieder. Denn eine Frau, wenn sie will mesane (unzüchtig) sein, so stellt sie sich an die Tür, daß man sie sehen soll, wie hübsch sie is, daß jedermann soll Lust zu ihr haben. Dergleichen tut man ihr wieder, wenn man sie derwischt, daß sie bei einem gelegen is. Da stellt man sie an die Pfort von dem Bethhamikdosch (Tempel) das da hat geheißen Nikanor-Pforte, derwartend, daß jedermann ihr Schand soll sehn. Dernach geht die Hur hin, un tut sich einen weißen Schleier auf ihr Haupt, um daß man eine Lust zu ihr soll bekommen. Dergleichen geht der Kohen (Priester) hin, wenn er ihr[112] die bitteren Wasser zu trinken gibt, daß sie geschwellen soll. Dernach reißt der Kohen ihr die Schleier wieder ab von ihrem Haupt, daß sie vor jedermann barhäuptig muß stehn. Dernach geht ein Hur hin un macht ihr Ponim (Gesicht) hübsch. Derhalben wird ihr Ponim auch gel (gelb), wenn sie die bitteren Wasser trinkt. Sie geht auch hin un schmiert gutes Wasser in ihre Augen derwartend, daß sie wol schmecken soll. Derhalben dringen ihr die Augen zum Kopf heraus, wenn sie die bitteren Wasser trinkt. Sie flechtet ihre Haar hübsch ein, daß sie wol soll geziert sein. Derhalben, wenn der Kohen ihr die bitteren Wasser zu trinken gibt, so flechtet man ihr die Haare wieder auf. Sie winkt einem mit ihrem Finger, daß einer soll zu ihr kommen, derhalben, wenn sie das Wasser trinkt, so fallen ihr die Nägel ab. Sie tut einen hübschen Gürtel un Schließel an, denn ein hübscher Gürtel ziert einen Menschen. Derhalben geht der Kohen hin un nimmt ein hären Seil un knüpft es über ihre Brüste, das ihr gar weh tut. Wenn sie bei einem liegt, so spreit sie ihre Füß gar weit voneinander. Derhalben fallen ihr die Füß wieder aus. Sie legt einen auf ihren Bauch. Derhalben, wenn sie das Wasser trinkt so geschwellt ihr der Bauch. Sie gibt ihrem Nuef (Zuhälter) allerlei gute Speis zu essen. Derhalben is ihr Korben (Opfer), das sie bringt, ein Essenspeis von einem Beheme (Tier). Dasselbige is ein Maß Gersten. Sie gibt ihrem Nuef den besten Wein, den sie finden kann, in einem schönen, silbernen Becher un goldenem Becher. Derhalben gibt ihr der Kohen bitteres Wasser zu trinken aus irdenen Kelim (Gefäß). Sie laßt niemands zusehen wenn einer bei ihr liegt. Derhalben tut der Heilige, gesegnet sei er, daß ihr das Ponim (Gesicht) gel (gelb) wird offenwahrlich, daß es jedermann sieht. Derhalben, ihr lieben Weiber, seht an die Geschichtnis, un daß kein Frau die Sach übersieht, daß sie bei einem Fremden wollt liegen, denn es bleibt nit lang verschwiegen.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 112-113.
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