Hundertdreiundsechzigste Geschichte

[167] geschah einem Godel (einem Großen), der hat geheißen Rabbi Jakew, der hat seiner Tage gar viel hören sagen von Rabbi Schmuel dem Chossid. Der war Rabbi Jehude dem Chossid sein Vater. Nun Rabbi Jakew hätt gern den Rabbi Schmuel den Chossid gesehen. Nun, es begab sich einmal, daß der Rabbi Schmuel auszug lernen, un kam eben in die Stadt, da der Rabbi Jakew innen gewohnt hat. Un so ging er in das Haus von Rabbi Jakew in die Herberg un gab sich nit zu derkennen. Denn er fercht sich, er wird seiner Thauroh halben viel genießen, un es gehört, nit zu genießen von der Thauroh wegen. Nun, der Rabbi Jakew redet nix mit ihm, derweil er bei ihm war, denn er hielt ihn für einen schlechten Mann. Doch zu letzt frägt ihn Rabbi Jakew: »Mein lieber Freund, wie heißt ihr?« Da sagt er: »Schmuel«. Da sprach Rabbi Jakew: »Hätt ihr keinen Zunamen?« Da sagt er: »Ich heiß Schmuel Permentmacher (Pergament) nach meinem Handwerk.« Da gedacht Rabbi Jakew: »Es is gewiß wahr, daß er ein Permentmacher is«, un tät ihm nit mehr Kowed (Ehre) an, als sonst einem andern Gast auch. Un wie nun der Rabbi Schmuel der Chossid hinweg wollt ziehn, da tät ihn Rabbi Jakob mit seinen Talmidim (Schülern) geleiten. Un Rabbi Schmuel der Chossid ging ein wenig fort mit einem Bocher (Schüler) von Rabbi Jakew. Wie nun Rabbi Jakew wieder zurück kehrt, nach seiner Stadt zu, da sagt Rabbi Schmuel wider den Bocher: »Gestert hat mich dein Rabbi gefrägt, wie ich heiß, so hab ich gegen ihn gesagt, ich heiß Schmuel Permentmacher. Derhalben hab ich mich so genennt, nach meiner Meloche (Handwerk). Denn ich bin boke (sachverständig) in der ganzen Thauroh, die da is geschrieben auf Perment (Pergament).« Also zieht Rabbi Schmuel von dem Bocher weg. Wie nun der Bocher wieder heimkam, da sagt der Bocher wider seinen Rabbi, wie der Gast wider ihn gesagt hat. Da sprach Rabbi Jakew: »Der is für gewiß Rabbi Schmuel der Chossid gewesen. Un er hat sich darum nit zu kennen geben, um daß ich ihm keinen Kowed (Ehre) soll antun, gleich wie auch die Wahrheit is, daß ich ihm kein Kowed hab angetan.« Da sagt Rabbi Jakew wider den Bocher: »Komm wir wollen ihm nacheilen, ob wir ihn können gereichen, so muß er wieder mit uns umkehren. Aber beileibe hüte dich, daß du mir kein Scheker (Lüge) vorsagst.« Da sagt der Bocher: »Gott bewahre, daß ich euch sollt Scheker vorsagen.« Also ging Rabbi[167] Jakew geschwind, un eilt dem Rabbi Schmuel dem Chossid nach. Un gereicht ihn, un bittet Rabbi Schmuel den Chossid so lang, bis er muß mit ihm heimgehn. Un wie er ihn heim bracht, da gingen sie beide in ein Cheder (Zimmer) un waren vierzehn Tage un Nächte drinnen. Un kein Mensch war gewahr, was sie beieinander getan haben. Un dernach zieht Rabbi Schmuel wieder von Rabbi Jakew mit großer Kowed weg. Der Heilige, gelobt sei er, laß uns ihr Sechus (Verdienst) zu allen Zeiten genießen.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 167-168.
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