Zwanzigste Geschichte

[18] geschah an einem Chossid (Frommen), der löset eine schöne junge Frau aus Gojims Händen. Un wie sie in die Herberg zunacht kommen, da legt er die junge Frau zu Füßen in das Bett. Zu morgens ging er in das Bad um sich zu tauweln (reinigen, tauchbaden) un lernt wieder mit seinen Talmidim (Schülern). Un wie er mit ihnen lernt, da fragt er seine Talmidim: »Sagt mir, da ich nächtig die junge Frau zu Füßen bei mir legte, was habt ihr mich chausched gewesen (verdächtigt)?« Da sagten seine Talmidim: »Lieber Rabbi, was sollen wir euch verdächtigt haben? Wir haben gedacht, du hast irgend ein Talmid unter deinen Talmidim, den du nit kennst. Un wenn du sie hast in die Kammer gelegt, vielleicht war sie chass wescholaum (bewahre) irgend bezwungen geworden von einem. Derhalben hast du sie bei dich gelegt.« Da sagt er wieder zu seine Talmidim: »Un was habt ihr euch gedacht, daß ich mich hab zu morgens getauwelt?« Da sagten die Talmidim: »Lieber Rabbi, was sollen wir uns gedacht haben? Wir haben gedacht, vielleicht is dem Rabbi eppes Unreinigkeit auf dem Weg zuhanden gekommen, daß ihr euch habt müssen tauweln.« Da sagt er wieder: »Bei der Awaudoh (So wahr ich Gott diene), wie ihr euch gedacht habt, so is es als gewesen. Un sowol als ihr mich habt zu Gutem gedacht un nit verdächtigt habt, so soll euch auch der Heilige, gelobt sei er, all euer Werk zum Guten rechnen un gedenken.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 18.
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