Dreiundzwanzigste Geschichte

[20] geschah da Rabbi Elieser krank war. Da ging Rabbi Jauchenen zu ihm un wollte ihm mewaker Chaule sein (einen Krankenbesuch machen). Da lag Rabbi Elieser in einer finstern Kammer. Da entfleckt Rabbi Jauchenen seinen Arm, denn er war gar schön, daß die Kammer gar hell war. Da hebt Rabbi Elieser an zu weinen. Da sprach Rabbi Jauchenen: »Mein lieber Rabbi, warum weinst du?« »Derhalben, daß du nit viel Thauroh hast gelernt?« »Es leit (es liegt) nichts dran, wenn einer nur leschem Schomajim (um des Himmels willen) lernt.« »Weinst du denn derhalben, weil du nit reich bist? Ein Mensch is nit sauche (kann nicht genießen) an zwei Tischen, denn du kannst nit reich sein un darzu ein Talmidchochom (Schriftgelehrter) sein.« Da hub Rabbi Elieser an: »Ich wein derhalben, daß dein Hübschkeit soll unter der Erden kommen.« Da hebten sie erst alle beide an zu weinen. Da sprach Rabbi Jauchenen: »Lieber Rabbi, ihr habt die Jisurim (Schmerzen) gewiß lieb, denn euere Aweres (Sünden) werden euch dadurch vergeben.« Da hub Rabbi Elieser an: »Ich hab die Jisurim nit lieb, un hab den Lohn von Jisurim auch nit lieb.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 20.
Lizenz:
Kategorien: