Siebenundachtzigste Geschichte

[75] geschah: Rabbi Meier, Rabbi Jojsse un Rabbi Jehude die gingen mit einander über Feld. Un der Rabbi Meier der hielt viel dervon, wenn sie zu einem Baalhabajis (Hausvater) kamen un derselbige der hat einen meschunenen (geänderten) Namen, da gedacht sich der Rabbi Meier, gewiß is der Baalhabajis nit viel nutz, un gab ihm nix aufzuheben. Aber wenn der Baalhabajis hat gehabt einen hübschen Namen, dann gedacht Rabbi Meier, der muß fromm sein, dem gab er ja seinen Beutel aufzuheben. Aber seinen andern zwei Chawerim (Gesellen) lag nix dran. Nun, sie kamen einmal an einem Freitag spät zu einem Wirt, daß sie wollten Schabbes da bleiben. Wie sie nun ein Weil da waren, fragt Rabbi Meier den Baalhabajis wie er heißt. Da sagt er: »Ich heiß Kidur.« Da sagt Rabbi Meier wider seine Chawerim (Gesellen): »Ich hör an seinem seltsamen Namen, daß der Wirt ein Rosche (Bösewicht) is, gleich wie der Posuk (die Schrift) sagt: ›Wenn sie sind von einem Geschlecht, das verkehrt is.‹« (Ki d(a)ur tahapuchaus). Rabbi Jehude un Rabbi Jojsse, die wollten sich nix dran kehren, un sie gaben ihren Beutel ihm ja aufzuheben über Schabbes. Aber Rabbi Meier, der gab ihm seinen Beutel nit. Neiert er ging hin un begrabt seinen Beutel auf Kidur's Vaters Kewer (Grab) zu Kopfen. Wie es Nacht war, da träumt der Wirt Kidur, wie er sollt graben auf sein Vater's Kewer (Grab), so wird er ein Beutel mit Geld finden. Un wie es nun Tag war, da kam der Wirt zu Rabbi Meier, un sagt ihm wie ihm geträumt hat. Da sagt Rabbi Meier wider: »Ein jeglicher Traum, der einem träumt, an einem Freitag zu Nacht, da is kein Schauresch (Wurzel, Bedeutung) dran.« Un er sagt derhalben zu ihm, un daß er es aus seinem Sinn sollt schlagen, un sollt nit dernach suchen. Dernach ging Rabbi Meier un hütet den ganzen Schabbes auf dem Kewer (Grab), um daß ihm der Beutel nit genommen sollt werden. Wie es Nacht war, da nahm Rabbi Meier seinen Beutel un ging sein Straß hinweg. Wie es nun am Sonntag war, da sagten die anderen zwei wider den Kidur: »Lieber Wirt, gib uns unsere Beutel, die wir euch haben aufzuheben gegeben, über Schabbes.« Da sprach der Wirt: »Ich weiß von keinem Beutel zu sagen, daß ihr mir hätt aufzuheben[75] geben.« Da sagt Rabbi Meier: »Warum hätt ihr nit Achtung gehabt auf seinen Namen?« Da sprachen sie: »Warum hast du uns nit gesagt, daß er ein Rosche (Bösewicht) is?« Da sprach Rabbi Meier: »Ich hab wol Sorg gehabt, daß er ein Rosche is, ich hab es aber nit gewißt.« Da gingen die zwei Rabbonim mit dem Wirt auf die Gaß un führten ihn in ein Weinhaus un tränkten ihn mit Wein an, denn sie meinten ihn mit guten Wörtern zu überreden. Da sahen sie, wie er hat in seinem Bart Linsen kleben, die er hat gegessen, da er is aus seinem Haus gegangen. Da gingen sie von ihm weg un gingen zu seinem Weib, un sagten zu ihr: »Du sollst uns unseren Beutel geben, den wir Schabbes deinem Mann haben zu bewahren gegeben. Zu Wahrzeichen hat dein Mann zu Mittag Linsen gegessen.« Da die Frau das sah, daß sie das rechte Wahrzeichen sagten, so gab sie ihre Beutel heraus. Un da sie ihre Beutel nun wieder hatten, so zugen sie ihren Straß hinweg. »Un wie nun der Wirt wieder heimkam, da sagt die Frau wider ihren Mann, wie sie hat die Leut ihren Beutel geben un sie haben mir ein Wahrzeichen gesagt, daß du Linsen hast gessen.« Da fiel er über sein Weib un schlug sie sogar bis er sie tot schlug. Das hat die gute Frau von dem Rosche (Bösewicht) zu Lohn gehabt. Un das is auch, daß wir gelernt haben: Die ersten Wasser von dem Händwaschen, die haben einen Juden machen Chaserfleisch (Schweinefleisch) essen. Un die Wasser, daß man soll nach Tisch die Händ waschen, die haben gemacht, daß ein Mensch drüber is umgekommen. Denn wenn der Wirt hätt nach dem Essen seine Händ gewäschen, so hätt er auch sein Maul un Bart gewaschen. Un hätt er die Linsen von seinem Bart auch herab gewaschen. Un die zwei hätten den Simen (das Zeichen) nit können sagen. Un die gute Frau wär nit umgekommen. Derhalben soll man die Händ wäschen nach dem Essen. Nun will ich schreiben mit dem ersten Wasser, wenn man sich nit wäscht, ob man eßt, was dervon kommen is, da einer hat Chaser (Schweinefleisch) gegessen, wie ihr da hören werdet.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 75-76.
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