CXXXV.

[265] Ein bekannter arabischer Pferdedieb erzählte folgendermaßen [Rand: Dschami. 818.], was ihm einst in der Wüste begegnet:

Ich hatte mich zu einem Stamme Beduinen verirret, der mich gastfreundlich aufnahm. Alle Tage schlachteten sie meinetwegen ein Kameel. Ich bat zwar, sie möchten sich nicht so viel Ungelegenheit machen und mich ziehen lassen; aber deß ungeachtet hielten sie mich zurück, und schlachteten jeden Tag ein Kameel.

Endlich ersah ich eines Tages die Gelegenheit, trieb ein schnell laufendes Kameel ab, setzte mich darauf und eilte davon. Der Eigenthümer, der mich und das Kameel bald irre gieng, kam hart hinter mir geritten. Als er mich eingeholt hatte, wies er auf eine Schlange hin, die im Sande lag. Siehst du, sprach er, den Schweif der Schlange dort, ich will ihn treffen mit diesem Pfeil. Er drückte ab, und der Pfeil durchbohrte die Spitze des Schweifs; und mit diesem Pfeile, sagte er, indem er einen zweyten hervorzog, werde ich den Kopf treffen. Er schoß den Schlangenkopf[265] entzwey. Du siehst nun wohl, sprach er, daß ich mit diesem dritten Pfeile deine Brust nicht verfehlen würde, und du verdientest es, weil du unsere Freundschaft durch Flucht und Diebstahl belohnest. – Aber weil du unser Gast warest, so ziehe hin in Gottes Namen, und wähle dir noch zwanzig andere Kameele.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 265-266.
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