XXIII.

[48] [Rand: Alaim.] Suleiman, der Sohn Abdolmeleks, war ein gerechter und tugendhafter Fürst. Eines Tages kam ein Mann in den Audienzsaal mit den Worten: Der Gebetausruf! o Fürst, der Gebetausruf! o Fürst der Rechtgläubigen! – Nun was ist's denn mit dem Gebetausruf? – Hörst du nicht die Stimme des Muesin's, der in diesem Augenblicke die Runde macht, und mit heller, wohlklingender Stimme von den Minare's herabruft: Gottes Fluch über die Unterdrücker1.

Nun über was hast du dich denn zu beklagen? – Man hat mir meine Sklavin entführt. – Der[48] Chalife stieg vom Throne, kniete auf den zum Gebete ausgespreiteten Teppich nieder, kehrte einen Zipfel desselben um, legte seine Wange darauf und that einen großen Schwur, daß er seine Stellung nicht ändern und sein Gebet nicht verrichten würde, ehe der Befehl, um diese Ungerechtigkeit gut zu machen, ausgefertiget wäre. Wirklich blieb er in dieser Stellung, und begann nicht sein Gebet, bis nicht der nöthige Befehl geschrieben, unterzeichnet, versiegelt und abgefertigt war.

1

Diese Formel findet sich heut' nicht mehr in dem Gebetsausruf der Muesins, scheint aber dazumal der gewöhnliche Schluß der Einladung zum Gebete gewesen zu seyn.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 48-49.
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