XXV.

[50] [Rand: Alaim.] Unter der Regierung des Chalifen Suleiman lebte ein Araber, Choseima Bescher's Sohn, aus dem Stamme Esed, weit berühmt durch seine Freygebigkeit. Er verspendete sein Vermögen, bis ihm nichts mehr übrig blieb; dann lebte er eine zeitlang von den Wohlthaten seiner Freunde, wie sie lange Zeit von den seinigen gelebt. Um ihnen aber nicht mehr lästig zu seyn, trennte er sich von aller Gesellschaft, und schloß sich ein, so daß ihn Niemand zu sehen bekam.

Akarma Al-gajaß Er-rebii, der damalige Statthalter des Chalifen in Aldschesira (Mesopotamien), der von dieser zurückgezogenen Lebensart gehört hatte, beschloß, ihn selbst zu besuchen. Er nahm vier tausend Dukaten zu sich, setzte sich zu Pferde, und von einem einzigen Diener begleitet, der das Geld trug, richtete er seinen Weg durch das Dunkel der Nacht nach Chosaima's Wohnung. Als er an die[50] Thür gekommen war, ließ er den Bedienten zurück, nahm den Sack mit dem Golde und übergab denselben in Chosaima's Hände, mit den Worten: Hier ist eine Aushülfe zum Tafelgelde. Chosaima beschwor ihn, ihm seinen Namen zu entdecken, damit er wisse, wer sein Wohlthäter, und wem er so viele Dankbarkeit schuldig sey.

Ich heiße Dschaber Asrat, antwortete Akarma, gab seinem Pferde die Sporen und verschwand. – Als er nach Hause kam, fand er seine Gemahlin noch wachend. Sie hatte seine nächtliche Ausflucht beobachtet. Er entdeckte ihr den Beweggrund derselben, sie wollte ihm aber nicht glauben. – Ein sauberer Statthalter, sagte sie, der die Nächte mit seinem Sklaven die Gassen durchschwärmet, und seine rechtmäßige Gemahlin allein im Bette läßt.

Akarma hatte viele Mühe, die Eifersucht seiner Gemahlin zu beruhigen, er mußte zu den heiligsten Schwüren seine Zuflucht nehmen, um Glauben zu finden.

Chosaima, der sich durch die Freygebigkeit seines unbekannten Wohlthäters nun wieder in Stand gesetzt sah, öffentlich zu erscheinen, machte sich auf den Weg nach dem Hofe des Chalifen, den er von Zeit zu Zeit zu besuchen gewohnt war. Suleiman fragte ihn um die Ursachen seiner langen Abwesenheit. Chosaima erzählte ihm dieselben sowohl, als den glücklichen Zufall, wodurch er sich wieder im[51] Stande sah, dem Chalifen seine Aufwartung zu machen.

Suleiman errieth sogleich, daß der Name Dschaber Asrat ein angenommener sey, und er gab sich viele unnütze Mühe, den wahren zu errathen. Endlich, um sich gegen Chosaima nicht minder freygebig zu beweisen, als sein unbekannter Wohlthäter, verlieh ihm der Chalife die Statthalterschaft von Aldschesira, und sandte ihn dorthin mit dem Auftrage ab, das Vermögen Akarma's, mit dem er etwas unzufrieden war, einzuziehen.

Chosaima stieg im Pallaste des Statthalters ab, zog sein Diplom hervor, und ließ seinen Vorfahrer in's Gefängniß setzen, um ihn zum Geständniß seiner verborgenen Schätze zu bringen.

Er hatte schon über einen Monat im Gefängniß gesessen, als seine Gemahlin von Mekka, wohin sie gewallfahrtet hatte, zurückkam. Sie sandte eine ihrer Vertrauten nach dem Pallaste ab, mit dem Auftrage, sich melden zu lassen, daß sie mit dem Statthalter allein zu sprechen habe. – Als sie allein war, sprach sie: wie, Chosaima! mit der Pein des Gefängnisses belohnst du die Wohlthat Dschaber Asrat's? – Bey diesem Namen that Chosaima einen großen Schrey, und erkannte, wie er ohne sein Wissen, und wider seinen Willen undankbar gewesen.

Auf der Stelle ließ er die Thore des Gefängnisses öffnen, warf sich zu Akarma's Füßen, und bat[52] tausendmal um Verzeihung seiner Ungerechtigkeit und Undankbarkeit. Er zerbrach die Fesseln, und hätte sich dieselben selbst angelegt, wenn ihn Akarma nicht daran verhindert hätte. Sie giengen beyde in den Pallast, wo Chosaima seine Stelle als Statthalter niederlegte, dieselbe seinem Vorfahren übergab, und sogleich nach dem Hofe des Chalifen abreiste, der sich damals in Ramla befand. Suleiman, als er hörte, der Statthalter von Aldschesira sey angekommen, ohne Urlaub erhalten zu haben, war sehr bestürzt, denn er vermuthete ein großes Unglück.

Chosaima beruhigte ihn, und erzählte, daß ihn nur die seinem Wohlthäter Akarma schuldige Dankbarkeit zur Rückkehr bewogen habe. Der Chalife gab seinen Beyfall der Großmuth des Einen und des Andern, er bestätigte dem Akarma die Statthalterschaft Aldschesira, und entschädigte den Chosaima dafür mit einem Geschenke von zehn tausend Dukaten.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 50-53.
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