XXVII.

[55] Der Chalife Haschem, Abdolmelek's Sohn, [Rand: Alaim.] verfolgte eines Tages auf der Jagd eine Gaselle, und kam zum Zelte eines Beduinen, der, auf die Erde gestreckt, seine Schaafe um sich her weiden ließ. – Junge, hast du die Gaselle gesehen, rief ihn der Chalife an. Der Beduine drehte den Kopf um, und sprach: Was ist denn das für eine Art, die Leute so grob und ungeschlacht anzufahren! Lerne ein wenig Lebensart. – Unglücklicher! was sagst du? kennst du mich nicht? schrie der Chalife. – Wie sollte ich dich hinführo nicht kennen; du bist nur allzu kenntlich durch dein schwarzes Kesselflickergesicht, und durch deine Grobheit, die Leute anzufahren, eh' du sie grüßest.[55]

Unglück über dich! – ich bin Hefcham, der Sohn Abdolmeleks, der Chalife. – Nun so wolle mich der Himmel weit entfernen von der Wohnung eines Menschen, wie du, reich an Worten, karg an edeln Handlungen. – In diesem Augenblicke kam die ganze Hofstatt herangeritten; der Chalife befahl, den Jungen zu greifen. Er war ganz außer sich vor Schrecken, als er diesen Haufen von Reitern und Kammerherren, von Generalen und Staatsräthen sah. Er schlug die Augen nieder, und nahte sich dem Chalifen, ohne ein Wort zu reden. – Hund der Wüste, rief einer aus dem Gefolge, warum grüßest du nicht den Chalifen?

Ich folge dem Beyspiel des wilden Esels, dem ich so eben in der Wüste begegnet habe. Der Chalife, mehr als zuvor aufgebracht über diese den Beduinen so natürliche Unverschämtheit, sprach: Weißt du nicht, daß deine letzte Stunde gekommen? Der Beduine lachte zum Zerbersten. – Was lachst du denn? – Ich lache über die Feyerlichkeit und Gewißheit, mit der du mir den Tod ankündigest. Ist mir derselbe bestimmt, so kannst du durch alle dein Geschwätz keine Minute Aufschub bewirken, und ist die vorherbestimmte Stunde noch nicht gekommen, so kannst du sie mit allen deinen Drohungen um keine Minute näher rücken. – Nun sie ist gekommen, deine Stunde, nimm Abschied von der Welt. – Ueberschwengliche Gnade! das ist die Großmuth des[56] Falken, der dem Sperber erlaubet Testament zu machen, ehe er ihn auffrißt. – Der Chalife konnte sich nicht enthalten zu lachen. – Bey meiner Verwandtschaft mit dem Propheten, schwor er, das sind drollichte Thiere, diese Wüstenhunde, die Beduinen. Laßt ihn meinetwegen laufen. Der Beduine entsprang, nachdem er noch zuvor das Geld, mit welchem ihn der Chalife beschenken wollte, ausgeschlagen.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 55-57.
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