XXXIX.

[70] [Rand: Dschami. 480.] Am Hofe des Chalifen Merwan lebten drey Männer, deren Kunsttalente hinreichten ihr Jahrhundert zu verherrlichen: der Sänger Hadi, der Gebetausrufer [70] Baalbek, und der Geheimschreiber Abdolhamid.

Mansur, der Nachfolger Merwan's, verurtheilte sie alle drey zum Tode. Sie wurden vorgeführt, und Hadi sprach: Herr, schone meines Lebens, denn einen Sänger wie mich findest du nimmer. – Nun, wie schön singest du denn? – So schön, daß Kameele, so drey Tage gedurstet haben, wenn sie Wassergeräusch und zugleich meine Stimme vernehmen, des Durstes vergessen, und mir wie bezaubert zuhören. – Die Probe ward angestellt und richtig befunden.

Baalbek sagte: Herr, tödte mich nicht, denn einen Gebetausrufer wie mich findest du nimmer. – Wie weit erstreckt sich denn dein Talent, die Aufmerksamkeit der Rechtgläubigen zu erregen? – So weit, Herr, daß Knaben, die mit Geschirren über die Gasse gehen, dieselben aus Erstaunen auf die Erde fallen lassen, sobald der Wohlklang meines Rufes von dem Minare herabtönt. – Wir wollen sehen, sprach Mansur, und es war die reine Wahrheit. –

Herr, schenke mir das Leben, sprach Abdolha mid, denn dein Jahrhundert hat keinen Schreiber meines Gleichen. Die Zauber meines Kieles stört die Welt auf und beruhiget sie wieder.

Ich weiß, sprach Mansur, daß du vieles geschrieben, und doch hast du Merwans Herrschaft nicht retten können. Du hast deine Probe schlecht bestanden.[71] Abdolhamid ward hingerichtet, dem Sänger und Gebetausrufer das Leben geschenkt.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 70-72.
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