LIV.

[88] [Rand: Mehedsch.] Harun Raschid war sterblich in eine seiner Sklavinnen verliebt, die das Unglück hatte, am rechten Arm gelähmt zu seyn. Alle Aerzte Bagdads hatten ihre Kunst umsonst an ihr versucht. Endlich erschien ein fremder Greis, der dem Chalifen versprach, die[88] Sklavin zu heilen, wenn er erlauben wolle, daß ein Fremder sie in seine Arme schließe. Die Bedingniß war schwer; der Chalife schwankte lange zwischen Liebe und Eifersucht. Es sey denn! rief er aus, ich gebe sie dem Fremdling Preis, nur daß sie geheilet werde. Der Greis brachte den Fremdling, und in Gegenwart des Chalifen wollte er sich die Freyheit herausnehmen, ihr den Gürtel zu lüften.

Da wirkte die Gewalt weiblicher Schaam mit solcher Stärke, daß sie durch außerordentliche Anstrengung der Willenskraft die Hand bewegte, um den Fremdling zurückzustoßen. Die Heilung war vollbracht, doch konnte der Chalife seinen Verdruß darob nicht bergen, daß ein Fremder in's Innerste des Frauengemaches eingeführt, und das Geheimniß des Harems entheiligt worden sey.

Der Greis befahl dem Fremden seine Kleider abzulegen, und siehe da, es war eine Matrone; so daß durch des Arztes Weisheit die Sklavin und des Harems Ehre zugleich gerettet worden waren.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 88-89.
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