LX.

[98] [Rand: Alaim.] Ebi Ibhak Israhim von Moßul, den sein musikalisches Talent und der Hofdienst beständig an die Person des Chalifen banden, erzählt: Ich bat mir von Raschid einen Tag aus, wo ich mit meinen Sklavinnen und guten Freunden allein ohne Geschäfte und froher Dinge seyn könnte. Er gab mir einen Sonnabend frey, und ich blieb an diesem Tage zu Hause, um meiner Ruhe und Gemächlichkeit zu pflegen, um des Vergnügens einer guten Tafel und eines wohlbepolsterten Sofa in vollem Maaße zu genießen. Dem Thürhüter trug ich auf, keine Seele vorzulassen, es sey, wer da wolle.[98]

So saß ich nun allein, mitten unter den Sklavinnen meines Harems, als sich auf einmal die Thüre öffnete und ein stattlicher Greis herein trat. Er hatte ein buntgestreiftes Kleid, und die musselinenen Enden des silbergestickten Turbans wallten majestätisch über seinen Rücken hinunter. Ein köstlicher Wohlgeruch ergoß sich von ihm durch den Saal, und durch das ganze Haus. Der Aerger ergriff mich, daß er sich ohne Erlaubniß meiner Gesellschaft aufgedrängt hatte, und ich beschloß sogleich, den Thürhüter, der meine Befehle übertreten, fortzujagen.

Indessen grüßte er mich auf das freundlichste, und ich gab ihm seinen Gruß zurück. Ich hieß ihn niedersitzen, und er ließ sich mit vielem Anstand nieder. Dann erzählte er mir so viele und schöne Dinge von der arabischen Geschichte und Dichtkunst, daß sich meine böse Laune ganz verlor, und ich meinen Leuten Dank wußte, die mir mit einem so feingebildeten Gesellschafter eine überraschende Freude gemacht hatten. Ich fragte ihn, ob er zu essen verlange; Er antwortete, daß er dessen nicht bedürfe, aber den Vorschlag zum Trinken nahm er gerne an.

Ich schenkte ihm einen Rotl Wein ein, und mir eben so viel. Ebi Ishak, sprach er, hast du nichts zum Singen, damit wir deiner Kunst froh werden können? Singe doch eine deiner schönsten Arien, welche den Hof und die Stadt bezaubern. Diese Rede spornte mich, dann beschloß ich, ihm den Gefallen[99] zu thun, und nahm die Laute, auf der ich mich selbst begleitete. Bravo, rief er, bravo Ebi Ishak! Das machte mich wieder bös. So ist er denn nicht zufrieden, dachte ich, um sich in meine Gesellschaft hereingestohlen zu haben, sondern muß mich auch beym Namen nennen, und mich singen machen.

Wenn du etwas mehr spielen wolltest, fuhr er fort, würde ich versuchen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Diese anmaßende Rede erzürnte mich nicht wenig; ich bot alle meine Kunst auf, um der Laute ihre süßesten Töne zu entlocken, und ihm die Erfüllung seines Wortes so schwer zu machen als möglich. Vortrefflich! rief er aus, willst du nun mir erlauben zu spielen und zu singen? Nach Belieben, antwortete ich, denn ich dachte, der Mensch müßte von Sinnen seyn, um nach dem, was er von mir gehört, auftreten zu wollen. Er nahm die Laute, stimmte sie, und präludirte darauf. Da schien es mir fürwahr, als ob menschliche Töne vernehmlich aus der Laute mich ansprächen. Er sang dazu:


Ach! mein zerbrochnes Herz, wer will es kaufen,

Seit es mit meinem Kopf davon gelaufen!

Die Menschen kaufen oft fürs Geld fürs baare,

Den Trug für Recht, das Falsche für das Wahre.

Um die Begier, so mich verzehrt, zu stillen,

Will weinend ich mit Wein den Becher füllen.


Bey Gott! es schien mir, als ob Thüren und Fenster, und Alles, was im Hause war, seinen Gesang begleiteten. Seine Stimme drang mir durch[100] alle Glieder ins innerste Mark, und ich lag wie von Sinnen bewegungslos auf dem Sofa. Hierauf sang er weiter die folgenden Verse:


Ihr Turteltauben! hört den Ton der Laute,

Gestimmt durch Euch zu süßen Klagen,

Ihr seyd des tiefsten Grams Vertraute,

Euch kann ich meine Leiden sagen.

Als wollte Wahnsinn mir die Brust zerschrauben,

Erbeben unter meiner Hand die Saiten.

Beneidenswerth seyd ihr, o Turteltauben!

Weil keine Thränen Euer Lied begleiten.


Hier hielt er innen, und nach einer langen Pause, während der ich mich ins Paradies verzückt wähnte, fuhr er nach einer andern Weise folgendermaßen fort:


O Morgenwind, du wehst mich an aus Nedschd,

Doch meine Schmerzen mehret nur dein Wehen:

Es lindert sie kein Glanz des Morgenroths

Im Hain, wo dicht der Banien1 Zweige stehen.

Ich weine bitter wie ein säugend Kind,

Kein weinend Auge kann dies Glück erspähen.

Sie meinen, leider! falsch, es lindere

Der Liebenden Entfernung alle Wehen.

Die besterprobte Arzeney ist doch

Den Liebenden stets in der Näh' zu sehen.

Doch auch des Hauses Nähe nützet Nichts.

Wenn der Geliebte sich nicht läßt erflehen.


Ibrahim, sprach er, singe mir dies Lied nach, und lehre es deine Sklavinnen. Wiederhole es nur noch einmal, antwortete ich. Für einen Meister, wie du, entgegnete er, hat es des Wiederholens nicht Noth, und als er dies gesagt hatte, war er[101] verschwunden. Ein kalter Schauer ergriff mich; ich entblößte mein Schwert, und gieng damit auf die Thüre des Harems zu, die ich verschlossen fand. Was habt ihr gehört? fragte ich die Sklavinnen. Süßen Ton und Gesang, antworteten sie.

Ganz erstaunt setzte ich meine Runde fort, und kam zum Hausthore, das ich ebenfalls verschlossen fand. Ich fragte die Thürhüter, wer der Scheich gewesen, sie schworen aber bey ihrem Leben, daß sie meinem Befehl gemäß Niemanden hereingelassen hätten. Ich wußte nicht, was ich denken sollte, als ich ganz deutlich eine Stimme vernahm: Nichts für ungut, Ebi Ishak, es war ich, Abumarra, sonst insgemein Satanas genannt, der dir diesen Abend Gesellschaft zu leisten kam.

Ich ließ sogleich mein Pferd vorführen, und ritt noch, wiewohl Mitternacht nicht ferne war, an den Hof des Chalifen, dem ich mein Ebenteuer vom Anfang bis zum Ende erzählte. Ich hatte die Laute mitgenommen, und Raschid verlangte von mir, daß ich diese Teufelsarien wiederholen sollte. Ich versuchte es und war ganz erstaunt, als ich sah, daß ich sowohl Worte als Töne vollkommen auswendig behalten hatte.

Raschid war eben sehr niedergeschlagen, und die Verse schienen ihm aus der Seele gesungen zu seyn. Als ich die Stelle:


[102] Um die Begier, so mich verzehrt, zu stillen,

Will weinend ich mit Wein den Becher füllen,


gesungen hatte, foderte der Chalife sogleich Becher und Wein, und trank mit wahrer Lust, wiewohl er vorher keine Freude daran gehabt zu haben schien. Diese Wirkung machte meine Ueberzeugung, daß mir Satan einen Besuch abgestattet habe, unerschütterlich. Nur der Teufel konnte mir ein Lied eingegeben haben, das den Statthalter Gottes, den Chalifen, zum Weintrinken bewog.

1

Ban, ein äußerst schön gewachsener Strauch.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 98-103.
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