II. Entstehung der Knorren im Holze.

[174] Im Volksmund findet sich der Stoff mit einer anderen Wendung: Petrus gerät mit den Zimmerleuten in Streit und wünscht ihnen Knorren ins Holz. Gewiß liegt hier eine Verchristlichung heidnischen Glaubens vor. Daß das Volk den Elben die Astlöcher im Holz zuschreibt (Grimm, Myth.4 382), könnte vielleicht in diesen Zusammenhang gehören. Petrus als Urheber einer lästigen Naturtatsache erscheint jedenfalls in einer ähnlichen Rolle, wie in all den Sagen, wo er den Teufel, d.h. zumeist eine heidnische Gestalt, vertritt. Teufelssagen von den Knorren im Holz, s. Bd. 1, 270 u. 279.


1. Aus Deutschland.


a) Als unser Herr einstmals mit Sankt Peter über Land ging, kamen sie an einen Bauplatz, wo ein Haufen Zimmerleute sieh in der Schenke gütlich tat. Als Sankt Peter hörte, wie es da so munter zuging, gelüstete ihn, einzukehren, und er sagte das dem Herrn. Der aber warnte: »Tu das nicht, du bist nicht von dieser Zunft, es könnte dir übel bekommen.« Aber Petrus ließ von seinem Begehren nicht ab und ging zuletzt hinein gegen die Warnung des Herrn. Als er nun in die Stube trat und die Zimmerer ihn vorn und hinten besahen, rief einer der Gesellen: »Juchhe! nun haben wir auch einen Spielmann!« Und gleich wandte er sich zu Petrus und sprach: »Spielmann, spiel auf!« Er hatte nämlich eine Geige auf seinem Rücken gesehen, die vielleicht nur gemalt war, was der Herr insgeheim so veranstaltet hatte. Aber Petrus sagte, er sei kein Spielmann, er komme nur, sich an Trank und Speise zu laben, wie ein anderer Gast. Der Geselle ließ das aber nicht gelten und sagte: »Wozu trägst du denn eine Geige auf dem Rücken, wenn du kein Spielmann bist und nicht aufspielen willst? Sind wir dir keine ehrlichen Leute? Gleich aufgespielt oder da hinaus, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat!« Nun riß Sankt Petern auch die Geduld, daß er keck entgegnete, wenn er eine Geige hätte, würde er ihm den Fiedelbogen um den Kopf schlagen. Damit hatte er aber den Giebel schief aufgesetzt, denn nun packten ihn drei handfeste Gesellen und schoben ihn unsanft zur Türe hinaus. Nachdem Sankt Peter so seine Lust gebüßt, ging er seines Weges und kam zu dem Herrn, der am Saume des Waldes seiner harrte. Petrus erzählte, wie es ihm ergangen war, worauf der Herr erwiderte: »Hab ich dir's nicht gesagt, daß du nicht zu dieser Zunft gehörtest? Warum bist du nicht weggeblieben?« Da bat ihn Petrus, er solle nun doch den Zimmerleuten eine Strafe dafür auferlegen, daß sie sich an ihm vergriffen hätten. Da sprach der Herr: »Was soll ich ihnen denn tun?« »Meister« sagte Petrus, »mach ihnen eiserne Knoten ins Holz, daß ihre Sägen sich die Zähne[174] daran stumpf beißen.« Aber der Herr entgegnete: »Nein, Petrus, hölzerne sind schon hart genug.« Und seitdem finden sich zum großen Verdruß der Zimmerleute hölzerne Knoten im Holze.


  • Literatur: K. Simrock, deutsche Märchen 1864, S. 136 f.

b) In Mecklenburg sagen die Zimmerleute von knorrigem Holze: »Dor hett Petrus sinen Nagel mank slagen.« Damit hat es folgende Bewandtnis. Christus feierte einst mit seinen Jüngern Fastelabend. Zufällig sind in derselben Stube Zimmerleute anwesend, und diese malen dem Petrus eine Violine auf den Rücken. Auf dem Heimweg macht ihn der Herr darauf aufmerksam, und im Zorn bricht Petrus in die Worte aus: »I so wull ik doch, dat aer tweschen dat Holt 'n isern Nagel kern.« Der Herr aber milderte den Fluch mit den Worten: »'n höltern wir ok wol noog.«


  • Literatur: Bartsch, Sagen, Märchen u. Gebräuche aus Mecklenburg 1, 521. Vgl. ferner Panzer, Sagen und Gebräuche aus Baiern 2, 21 f. Schönwerth, aus der Oberpfalz 3, 307 und 2, 335 f. Birlinger, Volkstüml. aus Schwab. 1, 361 f.

c) [Jesus und Petrus ziehen mit Geige und Baßgeige durch Städte und Dörfer und singen und spielen vor den Häusern viele schöne geistliche Lieder. Eines Sonntags kommen sie vor eine Schenke, in der Zimmerleute bei Wein und Spiel sich wild erlustigen. Sie heißen die beiden hereinkommen und Tänze spielen. Als diese sich weigern, stürzen sie heraus, schlagen sie und zertrümmern ihre Instrumente.]

»Wie nun die beiden endlich von den wüsten Gesellen losgekommen waren,« forderte Petrus, in tiefster Seele über solche Mißhandlung ergrimmt, den Herrn auf, sogleich diesen Frevel mit einer nachdrücklichen und niemals endenden Strafe zu vergelten. »Den Zimmerleuten mußt du,« rief er aus, »das Holz, das sie zu behauen haben, für alle künftige Zeit in hartes Bein umwandeln.« Da erwiderte der Herr: »Nein, Petrus, so groß soll die Strafe nicht werden; aber hinlänglich will ich sie machen, um stets an diese böse Tat zu erinnern. Nur an einzelnen Stellen soll das Holz, das die Zimmerleute bearbeiten, die von dir gewünschte Härte erhalten.«

Und seit jener Stunde finden die Zimmerleute im Bauholze jene harten Äste, die sie oft in widerwärtigster Weise bei ihrer Arbeit stören.


  • Literatur: Aus dem Elsaß: Alsatia 1853, 137; auch La Tradition 3, 180.

2. Aus dem Allgäu.


Unser Herr kam einst mit Sankt Peter durch einen großen Wald, und da verirrten sie sich und fanden sich lange nicht mehr weiter. Endlich trafen sie Holzer. Diese aber waren boshaft und zeigten ihnen einen ganz falschen Weg, daß sie alsbald ins ärgste Gestrüpp kamen und merkten, daß sie von den Holzern nur gefoppt worden waren. Da ward Petrus gar zornig und bat den Herrn, er möchte ihnen doch eiserne Nägel ins Holz wachsen lassen, daß ihnen fürderhin das Leutefoppen vergehen würde. Der Herr aber sprach: »Nägel sollen sie ins Holz bekommen, aber keine eisernen, sondern nur hölzerne, denn schon diese werden ihnen genug zu schaffen machen!«

Seitdem gehen die Äste an den Bäumen bis tief ins Innerste des Stammes hinein und verursachen den Holzmachern und Zimmerleuten oft so große Mühen.


  • Literatur: Reiser, Sagen ... des Allgäus S. 354 f.

[175] 3. Aus Ungarn.


Der hl. Petrus, mit Jesus auf Erden wandelnd, hörte die Zimmerleute fluchen. Da sprach er: »Siehe da, Herr, diese Leute haben eine gar leichte Arbeit und daher auch Zeit zum Fluchen! Wie könnte man dem abhelfen, damit sie mehr tun und weniger Zeit zum Fluchen haben?« Der hl. Petrus hatte den Mund grade voll Kautabak, und Jesus sprach zu ihm: »Speie auf diesen Balken! Gleich werden die Zimmerleute zu tun haben!« Petrus spie auf das Holz, und aus seinem Speichel sind die Knoten entstanden. Seither fluchen die Zimmerleute dem hl. Petrus.


  • Literatur: Kálmány, Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn 2, 9 = Világunk S. 19. = Szeged Népe 2, 141 = v. Wlislocki, Volksgl. u. relig. Brauch der Magyaren S. 96.

4. Freiere Erzählung aus Kärnten.


Zur Zeit, als St. Petrus auf Erden wandelte, geschah es oft, daß er kein Obdach vor den Unbilden der Witterung fand. Er beklagte sich deshalb bei dem Herrn, und der versprach ihm Abhilfe. Richtig übergab er dem Petrus einige Zeit nachher eine Baßgeige und lehrte ihn, wie er sie zum Schutze gegen das Wetter und als Mittel gebrauchen könne, die Gemüter der wilden Heiden zu sänftigen. Mit der Zeit wurde St. Petrus die Baßgeige zu schwer, und er hätte sie gern wieder los gehabt. Der Herr erriet seine Gedanken und machte die Geige so leicht, daß sie Petrus hinfort nicht mehr be schwerlich fiel. Lustig und guter Dinge wanderte er nun weiter. So kam er in die Malteinerherberge, wo eben die Holzknechte von der Arbeit heimkehrten. Die Leute umringten ihn und verlangten, er solle »aufmachen«. Petrus, der den Sprachgebrauch der Gegend nicht kannte, dachte an seine Schlüssel und das Himmelstor und bedeutete den Holzknechten, er könne ihnen erst aufmachen, wenn sie seine getreuen Schafe geworden. Die Holzknechte aber wollten davon nichts wissen und wiederholten ungestüm ihr Begehren, daß er ihnen auf der Stelle »aufmache« (aufspiele). Da Petrus sich weigerte, fielen die Holzknechte über ihn her, rissen ihm die Baßgeige vom Rücken und zerschlugen sie in eitel Trümmer. Selbst Petrus verschonten sie nicht, schlugen ihn und gingen dann ihrer Wege ...

Da bat Petrus den Herrn, daß er ihn anderswie vor dem Wetter schütze, aber auch die Roheit den Holzknechten nicht ungestraft lasse. Kaum hatte Petrus diesen Wunsch geäußert, als der Wald um ihn ein anderes Aussehen bekam. Die astlosen Palmen und Farren, die eben noch nur ein Blätterbüsehel an der Spitze getragen hatten, wurden zu ästigen Fichten und Tannen, zu knorrigen Ahornbäumen und Wildhaseln mit breitem Blätterdach und dichtem Gezweige. Nun fand Petrus überall Schutz vor dem Unwetter. Die Holzknechte aber fluchten, da sie von da an bei jedem Baum zehnfache Arbeit bekamen, bis er zum Abliefern bereit war. Seitdem ist aber jeder, der eine Geige am Rücken trägt, vor den Malteiner Holzknechten sicher.


  • Literatur: J. Rappold, Sagen aus Kärnten 1887 Nr. 111. Nach der Zeitschr. f. österr. Volksk. 1, 316 auch im Unterhaltungsblatt der Kärntner Zeitung 1894, Nr. 29, S. 115.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 174-176.
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